Zwangsstopp für Morales

Agenten-Thriller um
 Snowden in Wien

03.07.2013

 Boliviens Präsident Morales 14 Stunden in Wien gefangen.

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© APA/HELMUT FOHRINGER
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Nächstes Kapitel im NSA-Thriller: Ein südamerikanischer Staatschef wird mitten in der Nacht mit seinem Flugzeug vom Himmel geholt, weil man in seiner Maschine den Staatsfeind Nr. 1 vermutet. So geschehen in der Nacht auf Mittwoch in Wien – das Protokoll.
 

Halb Europa sperrte Luftraum wegen Gerüchten

  • Dienstag, 18 Uhr: Präsident Evo Morales hebt mit der bolivianischen Air Force One von Moskau ab. Ziel: La Paz, über Frankreich und mit einer Zwischenlandung in Lissabon.
     
  • 19 Uhr: Der Knaller auf 10.000 Metern: Frankreich entzieht die Überflugrechte. Kurz danach sperren Italien, Portugal und Spanien ihren Luftraum. Der Grund: Edward Snowden könnte sich im Jet befinden.
     
  • 21.40 Uhr: Die Maschine muss am Flughafen in Wien notlanden. Laut einem Beamten am General Aviation Center darf Morales nicht aus­steigen. Es vergehen mehrere Minuten, bis er österreichischen Boden betritt.

 

Fischer und Spindelegger besuchen Präsidenten

  • Mittwoch, 2.13 Uhr: Das österreichische Außenministerium reagiert: „Snowden befindet sich nicht in Wien.“
  • 9 Uhr: Evo Morales ist schockiert: „Ich habe so etwas noch nie erlebt.“
  • 9.30 Uhr: Präsident Heinz Fischer trifft als Vermittler am Airport ein.
  • 10.30 Uhr: Morales verlangt nach Minister Michael Spindelegger, dieser eilt nach Schwechat: „Es gab eine freiwillige Nachschau. Es ist kein blinder Passagier an Bord.“
  • 10.45 Uhr: Alle Länder erlauben den Überflug. Auf Gran Canaria soll die Präsidentenmaschine zum Auftanken zwischenlanden.

 

Nach 14 Stunden ist der Agenten-Thriller vorbei

  • 11.43 Uhr: Das Flugzeug des Präsidenten hebt ab.
  • 14.15 Uhr: Spanien und Frankreich dementieren plötzlich, ein Überflugverbot ausgesprochen zu haben.
  • 17.12 Uhr: Morales landet in Gran Canaria …

 

Tower-Protokoll mit Morales-Jet

Dienstag, kurz nach 21 Uhr ruft der bolivianische Pilot den Tower am Flughafen Wien via Funk: „Hier spricht FAB-001, ich erbitte Landeerlaubnis.“
Die Austro Control in Wien antwortet: „Brauchen Sie Assistenz, FAB-001?“
Pilot antwortet: „Wir können unseren Flug nicht mehr weiterführen, wir brauchen eine Landeerlaubnis.“
Der Rest ist Routine. Austro-Control-Sprecher Markus Pohanka: „Aus Gründen der Sicherheit wird immer versucht, das Flugzeug sicher zu landen.“

 

Ganze Welt sucht den US-Aufdecker

Seit Wochen hält er die Welt und vor allem den Geheimdienst (NSA) der USA in Atem: Edward Snowden. Mit seinen Enthüllungen Tausender Abhöraktionen hat der Ex-Spion für Schlagzeilen gesorgt – und mit den Vorwürfen, die USA hätten auch EU-Behörden ausgespäht, zudem die seit Jahren schwerste Krise zwischen Europa und Amerika ausgelöst.

Moskau
Doch hinter der politischen Brisanz steht eine viel größere Frage: Wo ist Edward Snowden? Und selbst für die cleveren Spione der USA ist das derzeit ein nicht lösbares Rätsel. Wahrscheinlich ist, dass sich der 30-jährige IT-Experte noch immer im Transitbereich des Moskauer Flughafens aufhält. Dorthin ist er nach einem Blitzbesuch in Shanghai geflüchtet. Und dort sitzt er wohl auch fest, weil er keinen gültigen Pass hat.

Mittlerweile hat das „Superhirn“ in bereits 21 Ländern um politisches Asyl angesucht – auch Österreich ist unter den Favoriten des ehemaligen Hackers, ein Antrag wird aber erst dann behandelt, wenn er ihn direkt in Österreich stellt.

Urlaub
Kurz vor seiner Flucht vertraute Snowden offenbar nicht einmal mehr seiner Freundin Lindsay Mills, denn ihr sagte er, er fahre nur auf Urlaub. Wie und wo dieser „Urlaub“ enden wird, weiß derzeit aber noch niemand …

 

Snowden in Österreich erwünscht

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner betonte, dass der vorliegende Asylantrag von Edward Snowden aus dem Ausland nicht möglich sei. Wenn er in Österreich gestellt wird, gibt es aber ein faires Asylverfahren, wie bei jedem anderen auch. Zur „theoretischen Möglichkeit für eine Rot-Weiß-Rot-Karte“ meint Mikl-Leitner, dass die Voraussetzungen eines qualifizierten Zuwanderers zwar gegeben sein könnten, „einen politischen Schutz biete die Karte aber nicht“.

 

Fischer im Interview: »Er ist ein guter Freund Österreichs«

ÖSTERREICH: Herr Bundespräsident, Sie waren selbst gestern am Flughafen Wien vor Ort, um Präsident Evo Morales zu treffen. Warum?
Heinz Fischer:
Ich wollte mich überzeugen, dass alle Abläufe im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Präsident Morales in Wien korrekt laufen.

ÖSTERREICH: Präsident Morales hat sich explizit bei Ihnen für die Solidarität bedankt – freut Sie das?
Fischer:
Präsident Morales ist ein guter Freund Österreichs.

 

HC Strache im Interview: »Snowden muss Asyl bekommen«

ÖSTERREICH: 14 Stunden saß Evo Morales in Wien fest, weil man Snowden an Bord vermu­tete. Was sagen Sie dazu?
Heinz Christian Strache:
Es ist unfassbar! Dass in der EU ein solcher Schritt gesetzt wird, ist unglaublich.

ÖSTERREICH: Sie plädieren dafür, dass Snowden in Österreich Asyl erhält, warum?
Strache: Snowden ist der typische Fall für einen Asylstatus. Und Österreich sollte seiner neutralen Rolle gerecht werden und Asyl gewähren. Aber scheinbar will die Regierung hier auch Partei sein.

ÖSTERREICH: Ein Asylantrag gilt nur, wenn er in Österreich gestellt wird, was ist die Lösung?
Strache:
Dieser Mann kann Russland nicht mehr verlassen und seine Grundrechte werden mit Füßen getreten. Er muss Asyl bekommen.

ÖSTERREICH: Wie soll Österreich auf die US-Abhör-Aktionen reagieren?
Strache:
Man muss den Sicherheitsrat einberufen und sich überlegen, den automatischen Datenaustausch mit den USA zu stoppen.

 

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