Gerichtsbeschluss

Ex-General Divjak wird nicht ausgeliefert

29.07.2011

Österreich will den bosnischen Ex-General nicht an Serbien ausliefern.

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Der Anfang März im Zuge einer Personenkontrolle am Flughafen Wien-Schwechat festgenommene bosnische Ex-General Jovan Divjak wird nicht an Serbien ausgeliefert. Das hat das Landesgericht Korneuburg am Freitag entschieden. Das Auslieferungsbegehren Serbiens, das im Jahre 2008 einen internationalen Haftbefehl gegen Divjak ausgestellt hatte, um ihn strafrechtlich verfolgen zu können, wurde aus menschenrechtlichen Erwägungen für unzulässig erklärt, gab Behördensprecherin Christa Zemanek in einer Presseaussendung bekannt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Dessen ungeachtet kann der seit knapp fünf Monaten in Österreich festsitzende pensionierte General ab sofort das Land verlassen. Eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft Korneuburg gegen die abgelehnte Auslieferung hätte keine aufschiebende Wirkung, erklärte Zemanek. Die Justiz verfügt derzeit zwar noch über Divjaks Reisepass - der Ex-General war am 8. März gegen "gelindere Mittel" (Abgabe des Passes und Hinterlegung einer Kaution von 500.000 Euro, Anm.) aus der Auslieferungshaft entlassen worden - , aber wenn er es wünsche, könne er diesen jederzeit beheben und ausreisen, so die Gerichtssprecherin.

Das Landesgericht Korneuburg befürchtet, dass Divjak in Serbien mit keinem fairen Verfahren rechnen kann. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass auch Serbien die Verfahrensgarantien der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) beachtet. "Da aber gerade das Abkommen über den Austausch von Beweisen von Kriegsverbrechen zwischen Serbien und Bosnien-Herzegowina nicht zustande gekommen ist, kann insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass sich der vermeintliche Tatort außerhalb des Hoheitsgebietes von Serbien befindet, nicht ausgeschlossen werden, dass die serbischen Behörden nicht an alle Beweismittel bzw. Zeugenaussagen der bosnischen Behörden bzw. des Internationalen Gerichtshofs gelangen können", gibt das Gericht zu bedenken.

Dadurch sei für Divjak die von Artikel 6 EMRK geforderte Einhaltung der Waffengleichheit bei einem gerichtlichen Strafverfahren auf serbischem Staatsgebiet nicht gewährleistet: "Diese massive Einschränkung der Verteidigungsrechte macht seine Auslieferung an die serbischen Behörden unzulässig."

Mitverantwortung für Kriegsverbrechen
Divjak hatte zu Beginn des Bosnien-Krieges (1992-1995) als einziger serbischer General in der neu geschaffenen bosnisch-muslimischen Armee einen Führungsposten erhalten. Er wird der Mitverantwortung für Kriegsverbrechen in Sarajevo Anfang Mai 1992 verdächtigt: Bei einem Angriff auf einen aus der bosnischen Hauptstadt abziehenden Konvoi der jugoslawischen Volksarmee (JNA) waren in der Dobrovoljacka Straße mehrere Offiziere, Soldaten und Zivilisten ums Leben gekommen. Eine genaue Opferzahl wurde von den damaligen jugoslawischen Behörden nie veröffentlicht. Inoffizielle Angaben sprachen von mehr als 40 Toten und rund 200 gefangen genommenen Soldaten.

Sowohl das Gericht in Korneuburg als auch Divjaks Rechtsvertreter in Österreich, der Wiener Anwalt Richard Soyer, betonten am Freitag, das Internationale Kriegsverbrechentribunal für das ehemalige Jugoslawien habe diese Ereignisse schon im Jahr 1993 eingehend untersucht und befunden, dass es keine ausreichende Beweis- bzw. Verdachtslage gebe, um ein Verfahren einzuleiten. Soyer, der den Haftbefehl gegen Divjak und 18 weitere bosnische Staatsbürger stets als politisch motiviert bezeichnet hatte, verwies weiters darauf, auch die War Crime Chamber des Court of Bosnia and Herzegovina hätte das Geschehen geprüft und sei ebenso wie das UN-Tribunal zur Entscheidung gelangt, dass keine substanziellen Beweise gegen Divjak bzw. die anderen im Haftbefehl angeführten Verdächtigen existierten.

Erfreut über die jüngsten Entwicklungen zeigte sich der Botschafter von Bosnien und Herzegowina in Wien, Haris Hrle. "Ich freue mich, dass Herr Divjak nun als freier Mann in seine Heimatstadt Sarajevo zurückkehren und dort seine wichtige humanitäre Arbeit als Gründer einer der bedeutendsten bosnischen NGO fortsetzen kann", hieß es in einer der APA übermittelten Stellungnahme.
 

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