Elf Jahre gefangen

Cleveland-Opfer spricht über seine Hölle

06.11.2013

Michelle Knight war nackt, in Ketten und durfte monatelang nicht duschen.

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© AFP
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Sie war nackt, wurde regelmäßig vergewaltigt, misshandelt und bedroht. Im ersten Jahr durfte sie nur einmal unter die Dusche: Elf Jahre lang war Michelle Knight ihrem Entführer Ariel Castro in dessen Haus in Cleveland ausgeliefert - später kamen zwei weitere junge Frauen hinzu. Am Dienstag schilderte Knight im Sender CBS erstmals den alltäglichen Horror mit Castro, bevor sie und ihre beiden Schicksalsgenossinnen im Mai frei kamen.

Herzzerreißendes Interview

Immer wieder kämpft die 32-Jährige gegen ihre Tränen an, trotzig streckt sie das Kinn hoch, während sie sich durch das Interview mit dem Psychologen Phil McGraw kämpft. Die zierliche Frau war die Einzige, die sich während des Prozesses gegen Castro äußerte und die Erste, die sich einem Interview stellt. Der zweite Teil sollte am Mittwoch ausgestrahlt werden.

Knight war das erste Opfer des arbeitslosen Busfahrers. Er kidnappte die damals 20-Jährige auf der Straße: "Er dachte, ich wäre eine 13-jährige Prostituierte. Als er mein wahres Alter herausfand, war er wütend", erzählt sie. Ein Jahr später entführte Castro die damals 16-jährige Amanda Berry, im Jahr 2004 dann die 14-jährige Gina DeJesus. Das jahrelange Martyrium endete erst am 6. Mai, als Berry mit ihrer in der Gefangenschaft geborenen Tochter und mithilfe eines Nachbarn fliehen konnte und die Polizei alarmierte.

Anfang August wurde der 53-jährige Peiniger der drei Frauen zu lebenslanger Haft plus tausend Jahre verurteilt, einen Monat später wurde er erhängt in seiner Zelle aufgefunden. In seinem inzwischen abgerissenen Haus entdeckten die Ermittler insgesamt 42 Kilogramm Ketten.

Qualen
Knight wurde von ihrem Peiniger offensichtlich am meisten gequält. Die Gerichtsakten beschreiben, wie er mit Schlägen und Nahrungsentzug fünf Schwangerschaften vorzeitig beendete. Die erste Fehlgeburt erlitt sie, nachdem er ihren Bauch mit einer Hantel traktiert hatte.

Immer wieder wurde die junge Frau brutal vergewaltigt und geschlagen, hinzu kamen ständige Drohungen. So habe er ihr zu verstehen gegeben, dass er vor ihr schon einmal ein Mädchen entführt und dann getötet habe. "Ich weinte jeden Tag, und dann schrie er mich an: Du sollst nicht flennen, Du sollst glücklich sein". Wenn Besucher kamen, stopfte Castro ihr eine "schmutzige ekelige Socke" in den Mund und verklebte ihn mit Klebeband.

Als ihr Kidnapper zum ersten Mal Knight und Berry zusammenbrachte, schämte sich die Ältere, weil sie außer einer Decke nichts besaß, um ihren nackten Körper zu bedecken - und weil sie bis dahin nur einmal geduscht hatte. "Er sagte mir immer, ich bräuchte keine Kleider - 'Du bist nur für das Eine hier'." Castro schloss die beiden Frauen in getrennten Zimmer ein. Wenn sie sich sahen, dann nur unter seiner Beobachtung. Gina DeJesus' Schreie aus dem Keller verrieten ihr dann, dass Castro ein drittes Opfer gefunden hatte.

Hund getötet

Für kurze Zeit wurde Castro etwas menschlicher zu seinem ersten Entführungsopfer - er erlaubte ihr einen Hund - bis dieser sein Frauchen beschützen wollte und ihren Peiniger biss. "Vor meinen Augen brach er meinem Hund das Genick. Ich hörte nur noch ein Winseln - dann war er tot".

Auf die Frage, ob sie nicht manchmal an Selbstmord gedacht habe, schüttelte die zierliche Frau mit dem Kopf. Sie dachte an ihren Sohn, der zum Zeitpunkt ihrer Entführung zwei Jahre alt war, und das gab ihr die Kraft durchzuhalten, sagte sie. "Mein Sohn sollte wissen, dass ich Siegerin bin und kein Opfer. Er soll wissen, dass ich überlebte, weil ich ihn liebte. Seine Liebe ließ mich alles durchstehen."

 

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