Gefährlicher Grenzfall

Crystal wird in Deutschland zum Problem

13.02.2013

Die billige Droge macht extrem schnell abhängig.

Zur Vollversion des Artikels
© Wiki
Zur Vollversion des Artikels

Die junge Frau wirkt fahrig. Gestenreich erklärt sie den Zollfahndern, dass bei ihr nichts zu finden sei. Doch die Beamten aus dem Hauptzollamt Dresden haben ein Gespür entwickelt, kennen alle Kniffe und Tricks. Manchmal hilft auch das Bauchgefühl weiter. So wie bei der jungen Frau. Sie steht unter Drogen, hat Crystal konsumiert.

Den teuflischen Stoff kann man sich problemlos in Tschechien besorgen. Auf sogenannten Vietnamesenmärkten ist das weiße Pulver Alltagsware. "Crystal ist leicht verfügbar, muss nicht von Dealern bezogen werden. Man deckt sich selbst ein", sagt die Sprecherin des Hauptzollamtes, Heike Wilsdorf.

Experten machen vor allem die hohen Zuwachsraten Angst. Während Wilsdorfs Kollegen 2010 ganze drei Fälle registrierten, wurden im Jahr darauf 78 Menschen mit Crystal in den Taschen aufgegriffen. 2012 waren es bereits 250. Dabei kann man über die Dunkelziffer nur mutmaßen. Die Diakonie in Sachsen hatte unlängst eine drastische Zunahme von Crystal-Abhängigen in ihrer Suchtberatung vermeldet. Auch im Süden Brandenburgs und in Bayern wird die Droge geschnupft.

2012 hatten sich in Sachsen etwa 3.500 Crystal-Konsumenten bei der Suchtberatung gemeldet. Menschen, die nach Ansicht von Diakonie- Referent Helmut Bunde "nicht mehr weiter wissen". Vielen Abhängigen sieht man die Sucht an. Zollbeamter Dieter B. hat bei seinen Kontrollen Leute gesehen, die mit Anfang 20 keine Zähne mehr hatten und bei denen die Alterung wie im Zeitraffer vor sich ging. Crystal wird meist geschnupft und macht extrem schnell abhängig. Die synthetische Droge löst Psychosen und Hirnschäden aus, weil sie großflächig Nervenzellen abtötet. Verfolgungswahn und Gedächtnisstörungen sind die Kehrseite anfänglicher Euphorie.

Die vergleichsweise niedrigen Kosten machen Crystal schon für junge Menschen erschwinglich. Nach Angaben des Zolls kostet ein Gramm Crystal "im Einkauf" zwischen 20 bis 30 Euro, in Deutschland wird es im Schnitt für 80 Euro weiterveräußert. Manche Leute kämen mit vier Gramm eine Woche aus. Ein Problem sehen Experten darin, dass Crystal ohne besonderes Wissen leicht herzustellen ist. Die Laborgeräte und Zusatzstoffe sind frei im Handel erhältlich. "Crystal kann man aus Arzneimitteln herstellen, die es in jeder Apotheke gibt. Die Anleitung dazu findet sich im Internet", berichtet Wilsdorf. Auch das erschwert ein wirksames Vorgehen gegen die Crystal-Mafia.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig macht für das zunehmende Problem auch die rechtliche Situation in Tschechien verantwortlich. Dort habe man den "Drogenbesitz zum Eigenbedarf" erheblich erleichtert. "Eine Gesetzesänderung wäre deshalb ein wichtiger Schritt zur Eindämmung dieser Suchtgefahr." Inzwischen gibt es offenbar eine Kurskorrektur in Prag. Tschechien hatte unlängst angekündigt, den Handel mit Crystal stärker bekämpfen zu wollen. Eine Arbeitsgruppe von Zoll, Polizei und Gesundheitsbehörden soll das Vorgehen gegen die Drogenschmuggler koordinieren. Zudem plant Prag, die zum Eigenverbrauch erlaubte Menge Crystal zu verringern.

Tschechien hatte 2010 ein liberales Drogengesetz verabschiedet. Seither wird der Besitz von bis zu zwei Gramm Crystal nicht mehr als Straftat, sondern nur als Ordnungswidrigkeit geahndet. Wenn der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich und Ulbig an diesem Donnerstag in Prag ihren tschechischen Kollegen Jan Kubice treffen, kommt auch das Drogenproblem zur Sprache. "Wir können die grenzüberschreitende Kriminalität erfolgreich nur gemeinsam bekämpfen", sagt Ulbig. Daher brauche man eine bessere Zusammenarbeit - zum Beispiel mit der geplanten gemeinsamen Fahndungsgruppe.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel