Wirbel um Gesetz

Deutschland: Konflikt um Pensionsreform eskaliert

18.11.2025

In dem seit Tagen andauernden Streit bei den deutschen Christdemokraten über die Pensionsreform scheinen die Fronten verhärtet. 

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© APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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 Nachwuchspolitiker der Unionsfraktion bekräftigten, dass das bereits vom schwarz-roten Kabinett beschlossene Rentenpaket aus ihrer Sicht so im Bundestag nicht zustimmungsfähig sei. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will die Diskussion aber bis Jahresende abschließen. Auch Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) ist gegen eine Verschiebung der Abstimmung.

Stein des Anstoßes: eine Formulierung im Gesetzentwurf

Die jungen Abgeordneten der Union stoßen sich an einer Formulierung im Gesetzentwurf, nach der auch nach 2031 das Pensionsniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht liegen soll. Sie monieren, dass das nicht im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei und 118 Milliarden Euro zusätzlich kosten würde. Klingbeil und Merz haben aber eine Änderung am Gesetzentwurf ausgeschlossen.

Merz sagte am Montag: "Ich wünsche mir, dass wir diese Diskussion zum Jahresende abgeschlossen haben." Er wies darauf hin, dass auch die vorgesehene Einführung einer "Aktivrente" mit Anreizen für längeres Arbeiten im Rentenpaket steckt. Klingbeil sagte: "Das ist alles besprochen, und von meiner Seite aus kann das jetzt im Parlament beschlossen werden."

"Im Moment nicht zustimmungsfähig"

Dies sieht der Unionsnachwuchs aber anders: Der Vorsitzende der Jungen Gruppe der Unionsfraktion, Pascal Reddig (CDU), sagte dem Magazin "stern": "Wir sehen an dem Gesetzentwurf noch Änderungsbedarf und halten das Gesetz im Moment nicht für zustimmungsfähig. Daran hat sich natürlich nichts geändert." Er betonte zugleich, dass man mitten in den Verhandlungen sei. "Es gibt Lösungen, wenn auch die SPD ein Interesse daran hat."

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel. Er sagte in den ARD-"Tagesthemen": "Man darf jetzt keine Vorfestlegung bis in die 30er-Jahre treffen mit über 120 Milliarden Euro, die jetzt beschlossen werden sollen." Man solle der geplanten Rentenkommission, die Vorschläge für eine große Reform erarbeiten soll, nicht vorgreifen. Die Debatte über den vorliegenden Gesetzentwurf bezeichnete er als normales parlamentarisches Verfahren. Der Entwurf werde auf Fachebene beraten und gegebenenfalls geändert. "Also das ist kein großer Skandal, sondern das ist Demokratie pur."

Ohne Unionsnachwuchs hat Schwarz-Rot keine sichere Mehrheit

Der Jungen Gruppe der Unionsfraktion gehören 18 Abgeordnete an. Bleiben sie bei ihrer Ablehnung, dürfte der Koalition eine sichere eigene Mehrheit fehlen, denn CDU, CSU und SPD haben im Bundestag nur eine Mehrheit von zwölf Stimmen. Zwar könnte es gut sein, dass bei der Abstimmung etwa wegen Krankheitsfällen nicht alle Abgeordneten anwesend sind und damit die erforderliche Mehrheit theoretisch geringer ausfallen könnte. Allerdings lässt sich das schwerlich vorausberechnen und womöglich bestünde noch die Gefahr, dass das Vorhaben dann mit Stimmen der rechten AfD, gegen die sie eine "Brandmauer" bilden wollen, durchgehen könnte - beides ein erhebliches Risiko für die Koalition.

Merz hatte vorgeschlagen, den Bedenken der Nachwuchspolitiker in einem "Begleittext" oder Entschließungsantrag zum aktuellen Gesetzentwurf Rechnung zu tragen. Reddig sagte dazu dem "stern": "Ein Entschließungsantrag ist viel zu unverbindlich." Besser wäre nach seinen Worten, wenn die angekündigte Rentenkommission schnell Vorschläge vorlege, die am besten vor der Sommerpause 2026 beschlossen würden - "mit einem grundlegenden Rezept, wie wir die Rente in Zukunft aufstellen wollen".

"Unruhig"

Arbeitsministerin und SPD-Ko-Chefin Bärbel Bas warnte die Union, die geplante Pensionsreform im Parlament zu blockieren. Die Junge Gruppe in der Union dürfe daraus keine Koalitionsfrage machen, sagte Bas am Dienstag bei einer Veranstaltung der "Süddeutschen Zeitung" in Berlin. "Dann wird es unruhig werden." Die SPD trage bei der Reform des Bürgergeldes auch Beschlüsse mit, die für sie schwer seien. "Es ist schon unruhig." Nötig seien aber Stabilität und Vertrauen in der schwarz-roten Koalition. Sonst hätten die Bürger das Gefühl, der Streit der früheren Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP gehe einfach weiter.

Auch Bas bekräftigte, das Rentenpaket sei in den Koalitionsverhandlungen beschlossen worden. "Ich verstehe den Konflikt in der Sache nicht." Alles sei fest vereinbart. Sie verwies auf sechs Elemente des Pakets, darunter die Mütterrente und die Stabilisierung der sogenannten Haltelinie, um Altersarmut zu verhindern. Außerdem solle mit der Frühstartrente Geld für Kinder angelegt werden, die Aktivrente solle wiederum freiwilliges Arbeiten im Alter fördern. Außerdem sollen Betriebsrenten gestärkt und die private Altersvorsorge neu aufgestellt werden. "Wir müssen eine Reform machen." Deswegen werde die Rentenkommission ihre Ergebnisse schon 2026 vorlegen.

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