Babiš Favorit
EU-Granden zittern vor Wahl-Beben in Tschechien
24.09.2025Tschechien könnte nach Wahl "Club" von Ungarn und Slowakei beitreten
Tschechien könnte nach der Parlamentswahl Anfang Oktober in das EU-kritische Lager von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und seinem slowakischen Amtskollegen Robert Fico geraten. Das sagte die Journalistin des tschechischen Nachrichtenportals "Seznam Zprávy", Kateřina Šafaříková, am Mittwoch gegenüber Journalisten in Wien. Brüssel brauche sich aber keine Sorgen machen. Die institutionelle Kontrolle sei stark, erklärte sie. Eine Gefahr sieht die Expertin aber für Medien.
Babiš-Partei bei über 30 Prozent
Umfragen sehen die rechtspopulistische Partei ANO von Ex-Premier Andrej Babiš bei über 30 Prozent. Babiš verehre Orbán und Fico, "weil sie starke Männer sind" und ähnliche Positionen haben, sagte Šafaříková in einem von Presseclub Concordia, forum journalismus und medien (fjum) und Erste Stiftung veranstalteten Online-Pressegespräch. Sowohl Babiš als auch Orbán oder Fico seien kritisch gegenüber dem Green Deal, dem sogenannten Brüsseler Diktat, der Regulierung des Emissionshandels und der Ukraine-Hilfe. Als Wahlsieger wäre Babiš allerdings auf Koalitionspartner angewiesen, um regieren zu können. Diese potenziellen Partner unterscheiden sich vor allem in ihrer außenpolitischen Haltung zu EU, NATO sowie Ukraine. Präsident Petr Pavel hat bereits unterstrichen, keine Regierungsmitglieder anzugeloben, die Tschechien aus der EU oder NATO führen wollen.
Das Regierungsbündnis Spolu (Gemeinsam) aus Konservativen und Christdemokraten liegt in Umfragen laut Poll of Polls bei aktuell 19 Prozent. Ein Hauptgrund für die Unpopularität der Regierung ist laut Šafaříková die Inflation, die in Tschechien im Jahr 2023 mehr als 10 Prozent ausgemacht und eine Spitze bis auf 18 Prozent hatte. Auch wenn sie mittlerweile auf unter 3 Prozent sank, sei die Opposition sehr gut darin, die Regierung für Misserfolge bei der Bekämpfung der Teuerung verantwortlich zu machen. Ein Drittel der Haushalte sei auch tatsächlich ärmer als 2021. Es herrsche in der Bevölkerung die Meinung vor, dass das Leben in den vergangenen vier Jahren schwieriger und teurer geworden sei.
Wahlprogramm wie aus dem Zuckerlgeschäft
Dies könne der ehemalige Regierungschef gut adressieren. "Babiš bietet jedem alles an", erklärte Šafaříková. "Wenn man sein Programm durchgeht, ist es wie in einem Zuckerlgeschäft." Die Wirtschaft und was den Menschen in ihren Taschen bleibe, sei das Hauptthema des Wahlkampfs. Babiš, der praktisch seit seinem Gang in die Opposition einen Wahlkampf führe, könne "sich leicht mit dem Durchschnittsmann auf der Straße verbinden". Er schaffe es, den "durchschnittlichen Tschechen" zu verkörpern, obwohl er als Milliardär, Geschäftsmann und gebürtiger Slowake gar kein durchschnittlicher Tscheche sei. Aktuell spreche er bei seinen Wahlkampfauftritten über Krebsvorsorge und rate dazu, eine Darmspiegelung machen zu lassen.
Die Gefahr, dass Tschechien selbst nach einem Regierungswechsel zu Babiš seinen Kurs radikal ändert, sei aber nicht so groß wie es in der Slowakei und Ungarn war, betonte Šafaříková. Als Grund dafür nannte sie die "Konstruktion der unabhängigen Institutionen" Tschechiens. "Selbst wenn Babiš und seine Koalitionspartner eine komfortable Mehrheit im Unterhaus des Parlaments bilden würden, um den Kurs der Tschechischen Republik zu ändern, um es nach Osten zu bewegen und unabhängige Institutionen abzubauen oder die NATO-Mitgliedschaft oder die EU-Mitgliedschaft in Frage zu stellen, brauchen sie eine verfassungsmäßige Mehrheit in beiden Kammern." Im Senat habe die Opposition aktuell nur sehr wenige Mitglieder. In den nächsten vier Jahren sei Tschechien also "ziemlich sicher" davor gefeit. Auch das Verfassungsgericht, die Geheimdienste und der Staatspräsident seien "stark". "Wenn Sie all das in einen Sack werfen, haben wir ziemlich starke verfassungsmäßige Bremsen, wenn es darum geht, den Kurs des Landes vollständig zu ändern."
Eine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sei bei Babiš nicht in ähnlicher Form wie bei den Regierungschefs von Ungarn und der Slowakei gegeben. "Also er bewundert Putin nicht auf die gleiche Weise, wie es Fico oder Orbán tun", sagte die Expertin. Babiš habe als Geschäftsmann versucht, in Russland Geschäfte zu machen. "Es hat nicht gut funktioniert. Er hat viel Geld in Russland verloren. Das gleiche gilt übrigens auch für China." Auch an eine Abkehr ihres Landes vom Ausstieg aus russischem Öl glaubt Šafaříková nicht. Viel eher als eine Russland-Nähe sei der Einfluss der USA zu merken. Babiš' ANO-Partei habe in Anlehnung an US-Präsident Donald Trump rote Kappen mit der Aufschrift "Silné Česko" ("Starkes Tschechien") herausgegeben. Es gebe auch Verbindungen zu Trumps MAGA-Bewegung. So fand etwa vergangene Woche ein öffentlicher Trauergottesdienst für den verstorbenen ultrarechten US-Aktivisten Charlie Kirk in Tschechien statt.
Medien in Gefahr
Die EU brauche sich keine Sorgen machen, versicherte Šafaříková. Brüssel habe bereits Orbán und Fico, Andrej Babiš wäre also "nur der dritte im Club". Dies bedeute vermutlich "mehr Lärm, eine größere Gang, mehr Fragen, mehr verzögerte Deals et cetera, aber ich sehe keine Revolution aus Prag." Babiš habe in seiner Regierungszeit 2017 bis 2021 nicht wirklich den Mut des Einzelkämpfers gezeigt. Sollten Orbán und Fico in ihren Ländern abgewählt werden, würde sich Babiš nach Einschätzung der Expertin nicht gegen 26 EU-Staaten stellen. Die Rhetorik werde sich aber ändern.
Sorgen macht sich die renommierte Journalistin aber um die Medien ihres Landes. Eine neue Regierung könnte versuchen, öffentlich-rechtliche Medien unter politische Kontrolle zu stellen. Šafaříková denkt zwar, dass sich die Zivilgesellschaft für unabhängige Medien einsetzen würde. Dennoch drohe in puncto Medien Tschechien der "slowakische und ungarische Weg", warnte sie und fragte: "Was würde Brüssel tun? Werden sie uns helfen?"