120-Milliarden-Paket

EU-Hilfe für Krisenstaaten beschlossen

29.06.2012

Zudem einigte man sich auf eine gemeinsame Bankenaufsicht bei der EZB.

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Nach stundenlangen hitzigen Verhandlungen haben die Regierungen der Eurozone Freitag früh den Weg für ein umfassendes Paket zur Stabilisierung der Währungsgemeinschaft frei gemacht. Die 17 Staats- und Regierungschefs vereinbarten eine zentrale Bankenaufsicht für die Eurozone sowie eine Reihe von Maßnahmen, um den Zinsdruck von Ländern wie Italien und Spanien zu nehmen. Die Beschlüsse sollen von der Eurogruppe bis zum 9. Juli umgesetzt werden. Die asiatischen Aktienmärkte und der Euro legten nach der Einigung zu.

Europas Börsen starten nach den Einigungen beim EU-Gipfel klar fester.

Die Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer einigten sich auf Unterstützungsmaßnahmen für bedrängte Länder, wie EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am frühen Freitagmorgen in Brüssel mitteilte. Ländern, die sich an ihre Budgetvorgaben hielten, könne Hilfe über die Krisenfonds EFSF und ESM gewährt werden, um die Märkte zu beruhigen. Spanien und Italien müssen derzeit hohe Zinsen für ihre Anleihen bezahlen und haben große Mühe, sich frisches Geld zu beschaffen. Dieses neue Instrument soll bis zum Sommer zur Verfügung stehen.

Gemeinsame Bankenaufsicht

Aus der vereinbarten Erklärung geht hervor, dass die Bankenkontrolle unter der Beteiligung der Europäischen Zentralbank (EZB) organisiert werden soll. In einem zweiten Schritt soll dann dem Rettungsfonds EFSF erlaubt werden, angeschlagene Banken direkt mit Kapital zu versorgen, wie Van Rompuy sagte. Allerdings setzt dies eine Vereinbarung mit dem betreffenden Land und "angemessene Konditionen" voraus.

Im Falle Spaniens, das um Unterstützung aus den Euro-Rettungsfonds gebeten hat, wurde vereinbart, dass die Hilfen zwar beim EFSF beantragt, dann aber in den geplanten dauerhaften Rettungsschirm ESM überführt werden sollen. Dieser verzichtet auf seinen bevorzugten Gläubigerstatus, der nach Ansicht der spanischen Regierung das Interesse an Staatsanleihen der viertgrößten Euro-Volkswirtschaft hätte sinken lassen. Die Eurozone werde sich auch das irische Sanierungsprogramm nochmals anschauen und andere Fälle ähnlich behandeln, kündigte Van Rompuy an. Neue Instrumente würden dabei nicht geschaffen, wurde in deutschen Regierungskreisen betont. "Es bleibt bei dem Prinzip Kontrolle vor Haftung", hieß es.

Italien lenkt ein
Italien hat in einem anderen Punkt ein Entgegenkommen erreicht: Staaten, die die vereinbarten Regeln zu Schulden und Budget einhielten, würden nicht von der Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) kontrolliert, wenn sie finanzielle Hilfen eines Rettungsschirms in Anspruch nähmen, sagte Regierungschef Mario Monti. Vereinbart wurde, dass in diesen Fällen die betroffenen Länder die Länderempfehlungen der EU-Kommission verbindlich umsetzen müssen. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone habe derzeit aber keine Absicht, eine solche Hilfe zu beantragen, betonte Monti.

Mit der Einigung in der Eurogruppe ist auch der Weg für die endgültige Verabschiedung eines EU-Wachstumspakets frei, mit dem 120 Milliarden Euro an Investitionen mobilisiert werden sollen. Italien und Spanien hatten ihre Zusage am Donnerstag noch verweigert, solange sie keine Hilfe erhalten. Spanische und italienische Diplomaten hatten nach der Blockade betont, dass ihre Länder die Wachstumsmaßnahmen keinesfalls ablehnten. Sie forderten jedoch eine Einigung auf weitere Schritte, die ihnen in der Staatsschuldenkrise unmittelbar helfen. Die hohen Zinsen, die Italien und Spanien derzeit für neue Schulden zahlen müssen, gelten als nicht lange tragbar.

Merkel zufrieden
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte Freitag früh die Beschlüsse und sprach von "guten Entscheidungen" des Euro- und EU-Gipfels. Dies betreffe insbesondere das Wachstum und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sowie zukünftige Maßnahmen im Rahmen von EFSF und ESM. "Wir werden weiterarbeiten bei den langfristigen Maßnahmen", so Merkel. Damit sollte der Gipfel zu einem "guten Abschluss" gebracht werden.

Auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker begrüßte den Kompromiss. Dieser gehe nicht so weit, wie er gewollt - aber weiter, als er erwartet habe. "Frau Merkel war nicht isoliert, in der Vergangenheit nicht, und sie ist auch jetzt nicht isoliert", betonte er. "Wenn wir eine kohärente Erklärung der Beschlüsse abgeben, bin ich sicher, dass dies die Märkte beruhigen wird."

Weg frei für Eurobonds
Der italienische Ministerpräsident Monti betonte, dass nun der Weg frei sei für spätere gemeinschaftliche Anleihen in der Eurozone. Die Währungsgemeinschaft habe mit ihren nächtlichen Beschlüssen dafür die Basis gelegt, sagte der Italiener, der auf Entlastungen für den Schuldendienst seines angeschlagenen Landes gedrängt hatte. Merkel lehnt diese Eurobonds jedoch weiter ab.

EU-Gipfelchef Van Rompuy hatte zuvor das Programm des zweitägigen Spitzentreffens komplett umgekrempelt. Er setzte die Krisensitzung der 17 Eurostaaten in der Nacht an; ursprünglich wollten sich die "Chefs" der Euroländer erst Freitagmittag zusammensetzen.

Juncker äußerte sich auch zu der Entscheidung, dass er als Chef der Eurogruppe weiter machen soll. Das werde am zweiten Gipfeltag entschieden, sagte er. Auf keinen Fall werde er aber für ein volles Mandat zur Verfügung stehen. Zuvor hatten mehrere EU-Diplomaten betont, Juncker werde weiter Chef der Eurozone bleiben.

Einigung im Streit über EU-Patent
Der EU-Gipfel einigte sich auch auf die letzten Details für das gemeinsame europäische Patent. Dies gab EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Freitag bekannt. Details waren zunächst nicht bekannt. Ein Gipfelentwurf vom Donnerstag hatte vorgesehen, dass das zuständige Patentgericht in Paris angesiedelt werden soll. Weitere Sektionen sollen nach London und München kommen, die sich ebenfalls für den Sitz beworben haben.

Damit kann das gemeinsame EU-Patent, das die Kosten für europäische Unternehmen deutlich senken soll, in die Praxis umgesetzt werden. Spanien und Italien beteiligen sich wegen eines Streits um das Sprachenregime - Englisch, Französisch und Deutsch - zunächst nicht an dem gemeinsamen Patent.
 

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