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Friedensnobelpreis: So hoch sind Trumps Chancen wirklich

08.10.2025

Trumps Traum vom Friedensnobelpreis - und die Wirklichkeit  

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Wenn es nach einem geht, dann ist die Sache mit dem Nobelpreis längst geritzt. Innerhalb von nur sieben Monaten habe er sieben Kriege beendet, die eigentlich nicht zu beenden gewesen seien, sagte US-Präsident Donald Trump jüngst vor der UN-Vollversammlung in New York. Damit spielte er auf die Vermittlerrolle der USA in diversen Konfliktherden dieser Welt an.

"Jeder sagt, dass ich den Friedensnobelpreis für jede einzelne dieser Errungenschaften bekommen sollte", sagte Trump. Zuletzt legte er auch im Gaza-Krieg einen Friedensplan vor, dem Chancen zugerechnet werden.

Damit wäre die Sache also klar - oder auch nicht. Denn selbst der mächtigste Mann der Welt kann nicht in die Karten schauen, die das norwegische Nobelkomitee traditionsgemäß ganz dicht am Körper hält, bevor es an diesem Freitag in Oslo den diesjährigen Friedensnobelpreisträger ausruft.

338 Persönlichkeiten und Organisationen sind diesmal nominiert - wer darunter ist, wird offiziell 50 Jahre lang geheim gehalten. Erst um kurz nach 11.00 Uhr wird die Welt erfahren, wer diesmal mit dem wohl wichtigsten politischen Preis der Erde ausgezeichnet wird.

Die strenge Geheimhaltung lässt jedes Jahr viel Raum für Spekulationen. Und diesmal spielt eine Frage bei diesen Spekulationen eine ganz besonders große Rolle: Hat er - Trump - wirklich einen Friedensnobelpreis verdient?

 

Die Infografik stellt den Friedensnobelpreis anhand von wichtigen Meilensteinen, der Verteilung der Preisträger und Informationen zur Medaille dar. Seit 1901 wurden 104 Preise an 110 Einzelpersonen und 28 Organisationen vergeben, darunter 92 Männer und 18 Frauen. Das Rote Kreuz und UNHCR erhielten den Preis mehrfach. Die Medaille besteht aus 18-karätigem Gold, wiegt 175 Gramm und ist etwa 7.500 Euro wert. Quelle: APA.

 

 

Der neue Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI, Karim Haggag, will diese Frage nicht mit einem undifferenzierten Ja oder Nein abtun. Während manche Leute Trump für absolut unwürdig für den Nobelpreis hielten, sagten andere, dass er ihn unbedingt bekommen müsse, sagt Haggag. "Ich denke, diese Frage verdient eine nuanciertere Antwort."

Ein "Präsident des Friedens"?

Trump, der selbst ernannte "President of Peace" (Präsident des Friedens), führt an, sieben Kriege beendet zu haben, etwa die Konflikte zwischen Pakistan und Indien, Israel und dem Iran oder zwischen Armenien und Aserbaidschan. Friedensforscher Haggag sagt dazu, dass Trump zweifelsohne bei einer ganzen Reihe von Konflikten ein hohes Maß an diplomatischer Intervention an den Tag gelegt habe, sei es direkt oder indirekt.

Es gibt jedoch ein großes Problem: Beim genaueren Blick auf diese sieben Konflikte zeige sich, dass Trump keinen davon wirklich gelöst habe, sagt Haggag.

"Bei all diesen sehr komplexen Konflikten sind sicherlich Versuche zu erkennen, eine gewisse Übereinkunft oder Verständigung zu erzielen, aber das ist noch lange kein Frieden oder ein Abkommen, das eine langfristige Beilegung des Konflikts herbeiführt", sagt Haggag. Er kommt zu dem Schluss: Ein Nobelpreis für Trump ließe sich auf dieser Basis nur schwer rechtfertigen.

Die "vergessenen" Friedensstifter

Auch innerhalb der genannten Konflikte kristallisiert sich nach Einschätzung von Haggag kein aussichtsreicher Kandidat heraus. Er empfiehlt stattdessen, den Blick auf andere Brandherde zu richten.

"Ich würde mich dafür aussprechen, den Preis an diejenigen zu vergeben, die ich als die vergessenen Friedensstifter vor Ort in den vergessenen Konflikten der Welt bezeichnen würde", sagt er. Konkret geht es ihm dabei um lokale Friedensstifter und Aktivisten, die unermüdlich an der Vermittlung, Versöhnung und Friedensförderung in einigen der hartnäckigsten Konflikte der Welt arbeiten, etwa im Sudan, in Zentralafrika oder in anderen afrikanischen Staaten und Regionen.

"Diese Konflikte fliegen meistens unter dem diplomatisch-geopolitischen Radar. Sie sind von der internationalen Gemeinschaft weitgehend vergessen worden", moniert der Friedensforscher - dabei mache der lokale Einsatz dieser Menschen einen wirklichen Unterschied. "Ich denke, es wäre äußerst vorteilhaft, wenn der Friedensnobelpreis diese Arbeit würdigt, sei es durch einen einzelnen Preisträger oder vielleicht durch eine gemeinsame Auszeichnung für mehrere dieser lokalen Aktivisten", sagt Haggag.

Der Bürgerkrieg im Sudan

Möglicherweise richtet das Nobelkomitee den Blick in der Tat auf die angesichts von Gaza- und Ukraine-Krieg oft übersehene Lage im Sudan. Der dortige Bürgerkrieg gilt mit vielen Millionen Geflüchteten und Hungernden als die derzeit größte humanitäre Krise der Welt.

In dieser prekären Lage ringen gleich mehrere zivile Gruppen um das Wohlbefinden der Bevölkerung, etwa das Freiwilligennetzwerk Emergency Response Rooms (ERR). Es besteht aus Tausenden Freiwilligen und bekam für seine Nothilfe für die Zivilbevölkerung in den vergangenen Wochen bereits den norwegischen Rafto-Menschenrechtspreis und den gemeinhin als Alternativer Nobelpreis bekannten Right Livelihood Award zugesprochen.

Die Emergency Response Rooms zählen auch beim Osloer Friedensforschungsinstitut Prio zum engeren Favoritenkreis. Prio-Direktorin Nina Græger nennt auf ihrer Kandidatenliste ausschließlich Organisationen und keine Einzelpersonen als potenzielle Preisträger, darunter zum Beispiel auch das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) und das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Bereits im Vorjahr war der Friedensnobelpreis an eine Organisation gegangen: Die japanische Friedensorganisation Nihon Hidankyo wurde damit für ihren Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt ausgezeichnet.

Bei den Wettbüros werden dagegen vor allem Einzelpersonen als Favoriten gehandelt. Prominent genannt werden dort zurzeit die syrische Friedensaktivistin Abir Hajj Ibrahim, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, die Witwe des in russischer Haft verstorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja - und eben Trump.

Für den US-Präsidenten gibt es auf dem Weg zum erhofften Nobelpreis jedoch ein weiteres Problem: Die Nominierungsfrist für den diesjährigen Preis ist bereits am 31. Jänner abgelaufen, also gerade einmal eineinhalb Wochen, nachdem Trump offiziell im Amt vereidigt worden war. Auch wenn mehrere Politiker im Laufe des Jahres verkündet haben, Trump für den Nobelpreis nominiert zu haben, kann es also durchaus sein, dass er in diesem Jahr gar nicht unter den Kandidaten ist.

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