Schuldenberg

Griechenland-Hilfen kein Schulden-Befreiungsschlag

23.07.2011

Experte: Griechenland erhält beste Voraussetzungen, muss nun Erwartungen bei Reformen und Privatisierungen erfüllen

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Im Kampf gegen ihren riesigen Schuldenberg sind die Griechen dank der neuen Euro-Hilfen auf dem richtigen Weg - aber noch längst nicht aus dem Schneider. So lautet das Resümee von Experten, die nach der jüngsten Einigung vor zu viel Euphorie warnen. Die Vereinbarung gebe dem strauchelnden Euro-Land zwar Hoffnung, ein Befreiungsschlag sei sie aber in keiner Weise. Als ein solcher war das neue Hilfspaket von einigen Politikern schon gefeiert worden. Doch das Mittelmeerland dürfte nach Einschätzung skeptischer Beobachter noch länger unter der Last seiner umfangreichen Verpflichtungen ächzen - und könnte immer noch auf eine für die Gläubiger schmerzhafte Umschuldung zusteuern.

Eine Komplett-Pleite Griechenlands sei zwar abgewendet worden, erklärte UBS-Volkswirt Paul Donovan. Aber nur vorerst. "Eine vollständige Zahlungsunfähigkeit mit einem regelrechten Schuldenerlass ("haircut") ist aber weiter unvermeidbar." Dazu könnte es nächstes oder übernächstes Jahr kommen. Aber irgendwann müssten Griechenland rund 50 Prozent seiner Schulden erlassen werden, damit das Land überhaupt irgendeine Hoffnung auf Glaubwürdigkeit habe.

Das neue Hilfspaket der Euro-Länder im Umfang von 109 Mrd. Euro sieht längere Laufzeiten für Kredite und niedrigere Zinsen vor. Erstmals wird den privaten Gläubigern ein lange umstrittener Hilfe-Beitrag auf freiwilliger Basis abverlangt. Sämtliche Maßnahmen zusammen dürften den Druck auf die Griechen erheblich lindern und sorgten in Politik und Wirtschaft für Erleichterung. "Unser Land ist von dem Alptraum einer Pleite erlöst worden", sagte Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou.

Doch erleichterte Finanzierungsbedingungen sind nicht dasselbe wie der Abbau von Schulden, mahnten Experten. Volkswirten zufolge wird durch das Hilfspaket zwar verhindert, dass die griechische Schuldenlast im kommenden Jahr auf 172 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigt - wie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) prognostiziert. Derzeit liegt sie bei rund 150 Prozent, nach 143 Prozent 2010 und 127 Prozent 2009. Viele Analysten sind aber der Ansicht, dass das Verhältnis zwischen Wirtschaftskraft und Verschuldung mindestens unter 100 Prozent gesenkt werden muss. Einige fordern sogar 80 Prozent, die EU-Richtlinien geben eigentlich 60 Prozent vor.

Doch selbst unter besonders optimistischen Prognosen zum Verlauf der nun beschlossenen Euro-Rettung kann Griechenland den Analysten zufolge nur eine Quote von 105 bis 110 Prozent des BIP erreichen. Das Hilfspaket reduziere zwar maßgeblich die Schulden, sagte Marco Valli, Euro-Zonen-Chefvolkswirt bei UniCredit. Und Griechenland erhalte die besten Voraussetzungen, um seinen Haushalt in Ordnung zu bringen. "Aber es muss die Erwartungen bei Reformen und Privatisierungen erfüllen."

Ein wichtiger Faktor dabei ist die Konjunkturentwicklung. Wächst die Wirtschaft ordentlich, verringert sich im Verhältnis die Schuldenlast und die Finanzkraft wird durch höhere Steuereinnahmen gestärkt. Doch bisher ging es eher bergab: Die griechische Wirtschaft schrumpfte im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent - noch mehr als die im ersten Rettungsplan angenommenen 4,0 Prozent. Der IWF prognostiziert für dieses Jahr nunmehr ein Minus von 3,9 und für 2012 ein Plus von gerade einmal 0,6 Prozent.

Längst ist deshalb unter Euro-Zonen-Politikern ein "Marshall-Plan" im Gespräch, der die griechische Wirtschaft in Schwung bringen soll. Doch Analysten zweifeln, ob das alleine ausreicht. Ohne eine Währungsabwertung, die für die Griechen als Mitglieder der Euro-Zone nicht infrage kommt, kann sich die Verbesserung der Produktivität und der Wettbewerbsposition Jahre hinziehen.

"Die notwendigen Schritte sind getan worden", sagte ING-Euro-Zonen-Volkswirt Martin van Vliet. "Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie ausreichen." Der Rettungsplan soll verhindern, dass die griechische Schuldenmisere den Rest Europas aus dem Tritt bringt. "Aber es ist nicht sicher, dass dies wirklich der Anfang vom Ende der Krise ist."
 

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