Proteste gegen Regierung

Türkei: Polizei setzt Wasserwerfer ein

27.12.2013

Wasserwerfer und Tränengas am Taksim-Platz eingesetzt.

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Im Korruptionsskandal in der Türkei ist die Polizei am Freitagabend mit großer Härte gegen regierungskritische Demonstranten im Zentrum von Istanbul vorgegangen. Die Sicherheitskräfte setzten schon vor dem geplanten Beginn der Demonstration Wasserwerfer, Tränengas und Plastikgeschosse ein. Demonstranten forderten in Sprechchören den Rücktritt der Regierung.

"Überall ist Taksim, überall ist Widerstand"
Sie skandierten außerdem wie bereits bei den Protesten im Sommer: "Überall ist Taksim, überall ist Widerstand". Vereinzelte Protestierer bewarfen die Wasserwerfer mit Steinen.



Die Regierungsgegner hatten angesichts des Korruptionsskandals zu einer Demonstration auf dem zentralen Taksim-Platz aufgerufen. Die Polizei verwehrte den Demonstranten den Zugang zu dem in Teilen abgeriegelten Platz. Auf der zum Taksim-Platz führenden Einkaufsmeile ging die Polizei dann gegen Gruppen von Demonstranten vor und verfolgte sie in Seitengassen. Vom Gezi-Park am Taksim-Platz waren im Sommer die landesweiten Proteste gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ausgegangen.

Drei AKP-Abgeordnete traten aus Erdogan-Partei aus

Zuvor wurde bekannt, dass aus  Protest gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan drei Abgeordnete aus dessen Partei für Gerechtigkeit und Freiheit (AKP) ausgetreten. Die Regierungspartei werde von "Arroganz" geführt, sagte der Parlamentarier und frühere Kulturminister Ertugrul Günay, als er am Freitag auf einer Pressekonferenz seinen Schritt und den seiner beiden Kollegen bekannt gab.

Für Schlagzeilen sorgte in der Türkei am Freitag die Ablösung des Istanbuler Staatsanwalts Muammer Akkas von seinen Korruptionsermittlungen. Er war am Donnerstag von dem Fall abgezogen worden, bei dem regierungskritischen Medienberichten zufolge auch im Umfeld Erdogans ermittelt wurde.

Erdogans Sohn im Visier der Ermittlungen?

Erdogans Sohn Bilal werde höchstwahrscheinlich das nächste Ziel der Ermittlungen sein, schrieb die oppositionsnahe Zeitung "Cumhuriyet" am Donnerstag. Dabei gehe es um Bauaufträge an eine Nichtregierungsorganisation, die Verbindungen zu dem Politikersohn unterhalte.

Akkas hatte öffentlich beklagt, auf ihn sei Druck ausgeübt worden. Die Polizei habe seine Anordnung ignoriert, Verdächtige festzunehmen. Die Regierung hat zahlreiche ranghohe Polizisten austauschen lassen, darunter den Polizeichef Istanbuls. Ihr wird vorgeworfen, die Korruptionsermittlungen behindern zu wollen. Akkas untersuchte nach einem Bericht der Erdogan-kritischen Zeitung "Today's Zaman" unter anderem mögliche Manipulationen bei öffentlichen Ausschreibungen.

Korruptionsskandal erschüttert das Land

Der Korruptionsskandal erschüttert die Türkei seit zehn Tagen und hat zum Rücktritt von drei Ministern geführt. Erdogan besetzte am Mittwoch zehn seiner 26 Kabinettsposten neu. Die Verdächtigen sollen einem kriminellen Ring angehört haben, der angeblich Politiker bestach, um illegale Goldgeschäfte der Halkbank mit dem Iran zu vertuschen und Genehmigungen für umstrittene Bauprojekte zu erhalten. Die Affäre reicht weit in die politische und wirtschaftliche Elite der Türkei hinein.

Als einer der Hintergründe der Korruptionsermittlungen wird auch ein Machtkampf zwischen Erdogan und der Bewegung seines einstigen Verbündeten und Predigers Fetullah Gülen vermutet, der im Exil in den USA lebt. Gülen hat in Polizei und Justiz viele Anhänger.

Militär will sich nicht einmischen
Das türkische Militär hat unterdessen versichert, es wolle sich nicht in die Politik einmischen. Wie Medien unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AP am Freitag meldeten, reagierte die Armee in einer Erklärung auf eine Kolumne, die ein Erdogan-Berater in der Tageszeitung "Star" veröffentlicht hatte. Darin wird die These vertreten, der Skandal sei produziert werden, um einen Putsch herbeizuführen.

Die Regierung hat unter anderem eine "Verschwörung" für die Korruptionsermittlungen verantwortlich gemacht, die darauf abziele, Erdogans Kabinett zu Fall zu bringen.

Seit den 1960er Jahren hat die türkische Armee bereits drei Mal geputscht. Unter Erdogans islamisch orientierter Regierung wurde der Einfluss des Militärs, das stets als Garant der laizistischen Staatsordnung auftrat, drastisch zurückgedrängt.

Ein schwerer Schlag wurde den Gegnern Erdogans im Militär im August im "Ergenekon"-Prozess zugefügt. Viele der 275 Angeklagten - darunter Militärs, Abgeordnete, Politiker, Journalisten und Akademiker - wurden zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt. Ex-Generalstabschef Ilker Basbug erhielt lebenslang.
 

 

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