Juncker-Nachfolger

Kurz unterstützt EU-Spitzenkandidatur von Weber

06.09.2018

ÖVP will "laufen" für den Anwärter auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. 

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© APA/HANS PUNZ
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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich hinter die Kandidatur des deutschen Christlich-Sozialen Manfred Weber für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten bei der nächsten Europawahl gestellt. "Wir freuen uns, mit Dir und für Dich zu laufen für eine starke Volkspartei und ein starkes Europa", sagte Kurz am Donnerstag bei einer Fraktionssitzung der Europäischen Volkspartei (EVP) in Wien.
 
"Ich bin froh, dass du dich getraut hast, den Schritt nach vorne zu machen", sagte Kurz zum Auftakt einer Sitzung mit Blick auf die am (gestrigen) Mittwoch verkündete Kandidatur des derzeitigen Fraktionschefs der Europäischen Volkspartei (EVP). Er halte dies für einen "wichtigen Schritt" und wolle Weber daher seine Unterstützung zusagen, betonte der ÖVP-Chef. Die EVP ist derzeit die größte Fraktion im Europaparlament und dürfte dies auch nach der Wahl im Mai bleiben. Der EVP-Spitzenkandidat, der offiziell beim Parteikongress im November bestimmt werden soll, hat daher die besten Aussichten, Nachfolger des nicht mehr kandidierenden EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zu werden.
 

Sieger der EU-Wahl soll Kommissionspräsident werden

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich zum unter seinen EU-Amtskollegen umstrittenen Spitzenkandidaten-System bei der Europawahl bekannt. Diese Form der indirekten Wahl des EU-Kommissionspräsidenten schaffe eine "stärkere Verbundenheit" zwischen den Bürgern und der EU-Ebene, betonte Kurz am Donnerstag bei einem Presseauftritt mit dem EVP-Fraktionschef Manfred Weber in Wien.
 
Der EU-Kommissionspräsident wird von den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen, die dabei das Ergebnis der Europawahl berücksichtigen müssen. Vor diesem Hintergrund verständigten sich die Fraktionen im Europaparlament bei der Wahl 2014 erstmals auf ein Spitzenkandidatensystem, wonach der Bewerber der siegreichen Fraktion Kommissionspräsident werden soll. Schon damals meldeten einige Regierungschefs Bedenken an, doch wurde letztlich der siegreiche EVP-Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker zum Chef der Brüsseler Behörde. Dem Vernehmen nach ist diesmal neben dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dessen Bewegung keiner Fraktion im EU-Parlament angehört, auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gegen einen Automatismus.
 
"Ich halte es für richtig, dass es dieses Modell gibt", legte sich hingegen Kurz fest. "Wir brauchen eine europäische Ebene, die näher an der Bevölkerung ist", argumentierte er. Daher sollen die Bürger "möglichst viel Mitsprache" erhalten und bei der Europawahl im kommenden Mai nicht nur das EU-Parlament, sondern auch den Kommissionspräsidenten "zumindest indirekt wählen". "Daher bin ich auch der Meinung, dass derjenige, der die Wahl gewinnt, Kommissionspräsident werden sollte."
 

Weber "äußerst geeignet"

"Wenn sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen: Ich halte Manfred Weber dafür als äußerst geeignet", fügte der ÖVP-Chef hinzu. Er hatte schon zuvor seine Unterstützung für die am Mittwoch verkündete Bewerbung des bayerischen Christsozialen geäußert. Die ÖVP werde ihren Beitrag leisten, dass die EVP-Entscheidungen "gut abgewickelt" werden, sagte er in Anspielung auf den Nominierungskongress des EU-Parteienbündnisses Anfang November. Die ÖVP werde ihren Wahlkampf aber "definitiv erst im nächsten Jahr starten". Als Grund nannte er den derzeitigen Ratsvorsitz, in dem Österreich als "honest broker" über Parteigrenzen hinweg gebraucht werde.
 
Kurz ließ aber durchblicken, dass er bei der kommenden Europawahl auf Othmar Karas baut. "Sie haben heute auf jeden Fall hier auch wichtige Player der EVP erlebt, zum einen den derzeitigen Fraktionsvorsitzenden und zum anderen unseren Delegationsleiter Othmar Karas", sagte der Kanzler bei dem gemeinsamen Presseauftritt mit Weber und Karas. Kurz verwies darauf, dass die beiden im Europaparlament schon seit 14 Jahren "gut" zusammenarbeiteten.
 

Karas legt sich nicht fest

Karas wollte sich auf APA-Nachfrage bezüglich seiner Pläne nicht festlegen, betonte aber seine Verbundenheit zur Europäischen Volkspartei. "Ich bin Christdemokrat und das werde ich auch bleiben. Ich habe nie meine politischen Meinungen nach dem Wechsel der Parteiobmänner abhängig gemacht und nach Wahlergebnissen." Er habe zwei Wahlen gewonnen, sei elf Jahre ÖVP-Delegationsleiter. "Ich brauch mich da nicht für das zu genieren, was ich bin", unterstrich der ÖVP-Mandatar, der als scharfer Kritiker der FPÖ gilt, aber immer wieder auch Distanz zu Elementen der türkisen Europapolitik erkennen hatte lassen.
 
Karas äußerte auch die Erwartung, dass es Gegenkandidaten zu Weber geben wird. Nach heutigem Stand "haben mehrere EVP-Politiker das Interesse zu kandidieren", sagte er. Die Ankündigung Webers führe zu einer Dynamisierung des Prozesses, so Karas. Die Kritik, dass Weber keine Regierungserfahrung vorweise, wies der ÖVP-Mandatar auf eine Frage der APA zurück. Es habe schon Kommissionspräsidenten gegeben, die zuvor nicht in der Regierung gewesen seien, "und das war nicht das Schlechteste".
 

Weber lobt Karas

Darüber, dass sich nach der Europawahl eine Mehrheit gegen die EVP formieren könnte, wollte Karas nicht spekulieren. "Ich gehe von einem klaren Wahlsieg der Europäischen Volkspartei aus." Das Wichtigste sei, dass die pro-europäischen Kräfte "eine klare Mehrheit haben", fügte er hinzu. Daher gelte es nun darum, "dass wir die Zerstörer, die Nationalisten in allen Mitgliedsstaaten und auf europäischer Ebene so klein wie möglich halten".
 
Weber äußerte sich auf Journalistenfragen lobend über Karas, dessen ÖVP-Delegation unter seiner Führung "hervorragende Arbeit leistet". "Ich baue darauf, dass die Österreichische Volkspartei auch im nächsten Europäischen Parlament ein starkes Team bereitstellen wird", sagte der CSU-Politiker. Karas sei eine "starke Führungskraft" und ein "starker Pro-Europäer". Explizit für eine neuerliche Spitzenkandidatur aussprechen wollte sich Weber aber nicht. "Die Entscheidungen fallen hier in Wien, da bitte ich um Verständnis", sagte er auf Nachfrage.
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