Libyen

Rebellen halten Tobruk

16.03.2011

Weltsicherheitsrat diskutiert weiter über ein Flugverbot für Libyen.

Zur Vollversion des Artikels
© REUTERS/Ahmed Jadallah
Zur Vollversion des Artikels

Die Offensive der Gaddafi-Truppen gegen die Aufständischen in Libyen ist am Mittwoch offenbar etwas ins Stocken geraten. Auf den Websites der Aufständischen hieß es, eine Einheit der Regierungstruppen habe sich in der Stadt Tobruk an der Ostküste den Rebellen ergeben.

Fünf Tote bei Gaddafi-Offensive
Bei einer Offensive der Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi gegen die Küstenstadt Misrata (Misurata) kamen nach Angaben eines Arztes mindestens fünf Menschen ums Leben. Laut einem Sprecher der Aufständischen gelang es den Rebellen aber, die Offensive zunächst zurückzuschlagen. Der geplante Dreier-Gipfel der EU, der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga zu Libyen verzögert sich unterdessen.

Tobruk blieb in Rebellenhand

Die Regierungssoldaten in Tobruk hätten den Befehl gehabt, die libysch-ägyptische Grenze unter ihre Kontrolle zu bringen, so die Aufständischen. Aus der rund 200 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis gelegenen Stadt Misrata hieß es von einem Sprecher: "Die Stadt wurde von allen Seiten angegriffen. Die Rebellen kontrollieren weiter die Stadt und haben den Einheiten Gaddafis zwei Panzer abnehmen können, als diese von Süden angriffen." Unter den Toten seien zwei Zivilisten, deren Häuser durch Artilleriebeschuss beschädigt wurden. Zudem seien ein Dutzend Menschen verletzt worden. Inzwischen habe die Intensität des Beschusses mit Panzern und Artillerie abgenommen.

Regierungstruppen eroberten Öl-Anlagen zurück
In den vergangenen elf Tagen eroberte die Regierung fast alle Öl-Anlagen zurück und gewann die Kontrolle über eine Reihe von Küstenstädten. "Wir haben ihnen unsere Gewehre gegeben und sie sagten, wir sollen nun Gaddafi feiern", berichtete ein Aufständischer aus Ajddabiya unter Tränen. "Wir haben verloren, einfach verloren." Aus regierungsnahen Kreisen hieß es, die Revolutionäre kontrollierten im Osten nach wie vor auch die Stadt Al-Brega.

Der frühere libysche Innenminister Abdulfattah Younis, der sich den Rebellen angeschlossen hat, sagte wiederum im Nachrichtensender Al-Arabiya, die "Revolutionäre" hätten in der östlichen Stadt Ajdabiya am Vortag Dutzende von Soldaten getötet und mehrere Dutzend Soldaten gefangen genommen.

Rebellen-Hochburg bedroht
Allerdings rückten Gaddafi-Soldaten näher an die Rebellen-Bastion Benghazi (Bengasi) heran und rüsteten sich für den möglicherweise entscheidenden Kampf gegen die Aufständischen dort. Die Gaddafi-Gegner wurden aufgefordert, die Waffen niederzulegen. "In 48 Stunden wird alles vorbei sein", sagte der Sohn des autokratischen Machthabers, Saif al-Islam, dem französischen TV-Sender Euronews. Der Sturm auf die Stadt Benghazi, in der sich ein Nationalrat als politische Vertretung der Rebellen etabliert hatte, stehe bald bevor.

Gaddafi-Sohn nennt Sarkozy "Clown"
Mit Blick auf die Uneinigkeit der internationalen Gemeinschaft, eine Flugverbotszone zu schaffen oder nicht, sagte er: "Egal welche Entscheidung getroffen wird, es ist zu spät." Den Regimegegnern, die er "Verräter" nannte, riet Saif al-Islam, mit ihren Familien nach Ägypten auszuwandern: "Wir wollen niemanden töten, wir wollen keine Rache, sie sollen gehen." Der Gaddafi-Sohn schimpfte in dem Interview auch auf den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Er nannte ihn "einen Clown, dessen Wahlkampf Libyen finanziert hat". Die libysche Führung werde demnächst Beweise für diese Zahlungen vorlegen, fügte er hinzu.

Blutbad gefürchtet
In Benghazi schwankte die Stimmung vor dem erwarteten Angriff zwischen Trotz und Nervosität. Einige Einwohner fürchteten ein Blutbad, andere zeigten sich zuversichtlich, dass den Aufständischen doch noch der Sieg gegen die anrückenden Truppen gelingen könnte. Auf Flugblättern wurde Kämpfern Straffreiheit versprochen, sollten sie aufgeben. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zog ihre Mitarbeiter aus der Hafenstadt ab.

Gaddafi senior sagte in der Nacht vor Anhängern in Tripolis, er werde die libyschen Öl-Reserven gegen Frankreich, Großbritannien und die USA verteidigen. Diese Länder wollten Libyen ausbeuten, so wie einst die Kolonialmächte. Er sagte: "Wir sind entschlossen, dieses koloniale Abenteuer zu beenden und ihnen eine Niederlage beizubringen."

Weiter Hick-Hack um Flugverbotszone
Der Weltsicherheitsrat befasst sich am Mittwoch in New York weiter mit der Frage eines Flugverbots über Libyen. Am Dienstagabend hatte der Libanon einen Entwurf für eine weitere UNO-Resolution vorgelegt, der ein militärisches Eingreifen in Libyen ermöglichen soll. Den Entwurf hatten Frankreich und Großbritannien maßgeblich beeinflusst. Neben einer Flugverbotszone enthält der Entwurf weitere Maßnahmen wie Landeverbote für libysche Zivilflugzeuge und ein strikteres Handelsembargo. Vor allem aus Russland und China, aber auch von den USA wird Widerstand für Pläne einer militärischen Option für Libyen erwartet.

Unterdessen ist angesichts der Atomkatastrophe in Japan von der Dringlichkeit eines Dreier-Gipfels der EU mit der Afrikanischen Union (AU) und der Arabischen Liga zur Libyen-Krise keine Rede mehr. Beim EU-Sondergipfel vergangenen Freitag hatte es noch geheißen, es werde in den kommenden Tagen ein derartiges Treffen stattfinden, bei der auch allfällige Militäraktionen wie die Errichtung einer Flugverbotszone geprüft werden sollte. Am Mittwoch meinte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel allerdings, der Dreier-Gipfel werde "in den nächsten Wochen zustande kommen". Bis dahin könnte die Rebellion gegen Gaddafi allerdings endgültig gescheitert sein. Der Sprecher der Hohen Beauftragten und "EU-Außenministerin" Catherine Ashton, Michael Mann, erklärte, an der Haltung der EU habe dies aber nichts geändert: "Wir werden natürlich die Sache mit angemessener Aufmerksamkeit beobachten."

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel