Spanien
Madrids Bürgermeister rudert bei Boykott des Abtreibungsrechts zurück
24.10.2025
Madrids konservativer Bürgermeister José Luis Martínez-Almeidahat am Freitag eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben.
Vor wenigen Wochen unterstützte er eine Initiative der rechtspopulistischen Vox ,die indirekt dazu nützen sollte, das liberalisierte spanische Abtreibungsrecht zu untergraben. Die Konservativen und Vox verabschiedeten im Madrider Stadtrat gemeinsam einen Gesetzentwurf, der Gesundheitszentren in der von den Konservativen regierten Hauptstadtregion verpflichtet, abtreibungswillige Frauen vor dem Eingriff über ein angebliches "Post-Abtreibungstrauma" zu warnen. Dieses Post-Abtreibungssyndrom, das laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gar nicht existiert, gebe es nicht, weshalb die neue Gesetzesinitiative nicht angewendet wird, so der Bürgermeister.
Trotz des Rückziehers sehen sich die regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez in ihren Befürchtungen bestärkt, dass die Konservativen oder Rechtspopulisten bei einem möglichen Regierungswechsel alles tun werden, um das von den Sozialisten liberalisierte Abtreibungsrecht in Spanien wieder zu verschärfen.
"Grundrecht" auf Abtreibung angedacht
Aus diesem Grund wollen sie das Recht auf Abtreibung in der spanischen Verfassung verankern und es damit sichern. Die Regierung ist zuversichtlich, die Reform bereits im Jänner dem Kongress vorlegen zu können. Wollte man das Recht auf Abtreibung zunächst als "Grundrecht" verankern, entschloss man sich nun, es im Artikel 43 als "Recht auf Gesundheitsschutz" anzuerkennen.
Die Strategie dahinter sei klar, erklärt Francisco Valiente Martínez, Professor für Verfassungsrecht an der Madrider Pontificia Comillas Universität: Die Sozialisten und ihr linker Koalitionspartner Sumar bilden lediglich eine Minderheitsregierung und eine mögliche Verankerung des Abtreibungsrechts in der spanischen Verfassung müsste über das verschärfte Verfahren des Artikels 168 der Verfassung erfolgen, wenn es als Grundrecht gelten soll, dessen komplexes Verfahren bisher noch nie angewendet wurde, so Valiente Martínez.
Hätte sich die Regierung dafür entschieden, Abtreibung als Grundrecht anzuerkennen, hätte es sogar eine Mehrheit in beiden Kammern gebraucht, gefolgt von der sofortigen Auflösung des Parlaments und der Einberufung von Neuwahlen. Die gewählten Kammern hätten die Entscheidung bestätigen und danach den neuen Verfassungstext mit einer Zweidrittelmehrheit im Kongress und im Senat verabschieden müssen.
Fehlende Unterstützung für Reform
Doch auch die nun angestrebte vereinfachte Reform des Artikels 43 wird nicht leicht. Sowohl die PP als auch Vox haben angekündigt, dass sie diese Reform nicht unterstützen werden, womit bisher eine ausreichende Mehrheit fehlt.
In den vergangenen Jahren versuchten die Konservativen immer wieder, das 2010 von den damals ebenfalls regierenden Sozialisten liberalisierte Abtreibungsgesetz wieder zu verschärfen. Aktuell ist in Spanien eine Abtreibung bis zur 14. Woche ohne Angabe von Gründen möglich, wobei es Ausnahmen bis zur 22. Woche gibt, wenn die Gesundheit der Frau gefährdet ist oder der Fötus schwere Fehlbildungen aufweist. Eine weitere Reform senkte das Mindestalter für eine Abtreibung ohne elterliche Zustimmung auf 16 Jahre und schaffte die vorgeschriebene Bedenkzeit ab.
Die Konservativen zogen bereits 2010 gegen die liberalisierten Abtreibungsregeln vors Verfassungsgericht, versuchten das Gesetz während ihrer Regierungsperioden immer wieder rückgängig zu machen. Doch 2023 lehnte das Verfassungsgericht nach 13 Jahren die Beschwerde der Konservativen endgültig ab, womit die Fristenregelung für Schwangerschaftsabbrüche in Spanien rechtens ist.
Sollten die Sozialisten nun mit ihrem Versuch erfolgreich sein, das Recht auf Abtreibung in die spanische Verfassung aufzunehmen, wäre Spanien weltweit das zweite Land mit diesem Status nach Frankreich, das bereits 2024 das Abtreibungsrecht in seine Verfassung integrierte.