Friedensnobelpreis

Medaille auf leeren Stuhl gelegt

10.12.2010

Ein leerer Stuhl symbolisierte die Abwesenheit des Preisträger Liu Xiaobo.

Zur Vollversion des Artikels
© EPA
Zur Vollversion des Artikels

Der Vorsitzende des Nobelpreis-Komitees, Thorbjörn Jagland, hat die Friedensnobelpreis-Medaille 2010 bei der Verleihungszeremonie in Oslo am Freitag auf den leeren Stuhl des Preisträgers, des chinesischen Demokratieverfechters Liu Xiaobo gelegt. Jagland sagte nach einem darauffolgenden langen stehenden Applaus der Anwesenden wohl als Seitenhieb auf den chinesischen Boykott und die Inhaftierung des Preisträgers, alle wüssten, dass weder Liu Xiaobo noch seine nahen Anverwandten einen "Grund" gehabt hätten, nach Oslo zu kommen. "An diesem Punkt der Zeremonie, wo wir normalerweise die Medaille und das Diplom überreichen, lege ich beides für Liu Xiaobo auf den leeren Stuhl."

Weder Liu, der in China inhaftiert ist, noch seine unter Hausarrest stehende Ehefrau Liu Xia konnten an der Zeremonie in der norwegischen Hauptstadt teilnehmen. Die Dotierung von umgerechnet 1,1 Millionen Euro sowie das Nobeldiplom sollen in Oslo verbleiben, bis Liu Xiaobo selbst oder eine Person seines Vertrauens darüber verfügen kann.

Nobelpreise 2010
Die weiteren Nobelpreise: Den Medizinnobelpreis für die Technik der künstlichen Befruchtung konnte der Brite Robert G. Edwards nicht persönlich entgegennehmen - er musste krankheitsbedingt absagen.

Den Physiknobelpreis teilen sich die beiden in Russland geborenen Entdecker des "Wundermaterials" Graphen, Andre Geim und Konstantin Novoselov. Graphen ist eine Art superstabiler atomarer Kaninchendraht aus Kohlenstoff.

Der Nobelpreis für Chemie ging zu gleichen Teilen an drei Wissenschafter, die natürliche Wirkstoffe gegen Krebs und andere Leiden nachgebaut haben. Mit den chemischen Reaktionen des US-Amerikaners Richard Heck (79) sowie der Japaner Ei-ichi Negishi (75) und Akira Suzuki (80) lassen sich komplexe Substanzen aus Kohlenstoff herstellen.

Bei der Feier im Stockholmer Konzerthaus erhielt außerdem der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa den Literaturnobelpreis. Er ist der sechste lateinamerikanische Autor mit dieser Auszeichnung.

Den erst nachträglich gestifteten Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften teilten sich ebenfalls drei Forscher. Die US-Ökonomen Peter Diamond (70) und Dale Mortensen (71) sowie der britisch-zypriotische Forscher Christopher A. Pissarides (62) wurden für ihre Untersuchungen der Mechanismen des Arbeitsmarkts ausgezeichnet.

20 Staaten nicht bei Verleihung
Ewa 20 Staaten hatten Norwegens Einladung zur Teilnahme an der Verleihung des Friedensnobelpreises abgelehnt. Die meisten unterhalten enge wirtschaftliche oder militärische Verbindungen zur Volksrepublik, wollen Peking nicht verärgern oder verfolgen selbst einen harten Kurs gegen Regimekritiker. Eingeladen werden traditionell die 65 Länder, die in Oslo residierende Botschafter akkreditiert haben. Abgesagt haben neben China die Staaten Afghanistan, Ägypten, Algerien, Irak, Iran, Kasachstan, Kolumbien, Kuba, Marokko, Pakistan, die Philippinen, Russland, Saudi-Arabien, Sri Lanka, Sudan, Tunesien, Venezuela und Vietnam. Die Ukraine lehnte eine Teilnahme zunächst ab, sagte nach Angaben des Direktors des Nobelinstituts, Geir Lundestad, dann aber doch zu. Auch Serbien kündigte an, doch bei der Zeremonie in Oslo durch seinen Menschenrechtsbeauftragten vertreten zu sein. Die Europäische Union hatte Serbien wegen dessen ursprünglicher Boykottankündigung heftig kritisiert.

China blockiert Übertragung
Die chinesischen Behörden haben am Freitag die Live-Übertragung der Friedensnobelpreis-Zeremonie aus Olso blockiert. Der Bildschirm war sowohl beim amerikanischen TV-Nachrichtensender CNN, bei der britischen BBC als auch beim französischen Satellitenprogramm TV5 schwarz. Auch die Webseite des norwegischen Nobelkomitees mit der Übertragung im Internet war gesperrt. Die chinesische Zensur hatte zuvor schon die ohnehin weitreichenden Internetsperren weiter verschärft.

Liu seit 2009 in Haft
Liu wurde 2009 in China wegen Untergrabung der Staatsgewalt zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Regierung in Peking bezeichnet den Mitverfasser der Charta 08, die das Ende der KP-Diktatur fordert, als "Kriminellen". In einer Stellungnahme Lius hatte es geheißen: "Ob zugelassen wird, dass die Diktatur der Kommunistischen Partei, die mehr als eine Milliarde Menschen zu Geiseln genommen hat, weiter die menschliche Zivilisation schwächt, oder ob die größte Geiselgruppe der Welt von der Versklavung befreit wird, ist nicht nur eine dringliche Frage für das chinesische Volk selbst, sondern für alle freien Nationen. Würde China ein freies Land, wäre sein Wert für die menschliche Zivilisation unschätzbar. Nach dem Kollaps der totalitären Imperien der Sowjetunion und des Ostblocks würde es eine neue Lawine unter den noch bestehenden diktatorischen Systemen auslösen."

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel