Bewegende Trauerrede

Merkel dankte Kohl: "Ich verneige mich vor Ihnen"

01.07.2017

CDU-Spendenaffäre beeinträchtigte ihr Verhältnis zum politischen Ziehvater.

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© APA/AFP/PATRICK HERTZOG
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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Helmut Kohl in einer bewegenden Trauerrede als großen Brückenbauer zwischen Ländern und Menschen gewürdigt. "Er war ein den Menschen zugewandter Weltpolitiker", sagte Merkel am Samstag beim europäischen Trauerakt für den am 16. Juni verstorbenen Altkanzler am Samstag im EU-Parlament in Straßburg.

Jetzt müssten die nächsten Generationen sein Vermächtnis bewahren. Das sei der engagierte, unermüdliche Einsatz für Frieden, Freiheit und Einheit.

Bewegende Rede

Merkel dankte Kohl auch ganz persönlich. "Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke für die Chancen, die Sie mir gegeben haben. (...) Ich verneige mich vor Ihnen und Ihrem Angedenken in Dankbarkeit und Demut", sagte Merkel, die dabei ihren Blick auf den Sarg richtete und später Tränen in den Augen hatte. Sie schilderte ihn als einen Mann der absoluten Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und unerschütterlichen Überzeugung. Und auch als einen Politiker, an dem sich viele Menschen gerieben haben und der Gegenargumente scharf abwehren konnte.

Merkel erinnerte auch an Kohls erste Ehefrau Hannelore, die sich 2001 das Leben genommen hat. "Wir gedenken auch ihrer in Dankbarkeit." Über Kohls Witwe Maike Kohl-Richter sagte Merkel, sie habe den Altkanzler "voller Hingebung und Liebe begleitet bis zuletzt". Ihr Mitgefühl gelte Maike Kohl-Richter und "allen, die in Helmut Kohls Familie um ihn trauen". Mit seinen Söhnen Peter und Walter hatte sich Kohl nicht mehr versöhnt.

Politischer Ziehvater

Kohl war Merkels politischer Ziehvater und holte die in der DDR aufgewachsene Pfarrerstochter nach dem Mauerfall in sein Bundeskabinett. 1999 rief Merkel als CDU-Generalsekretärin die Partei aber auf, sich von Kohl wegen der von ihm mitzuverantwortenden Affäre um nicht deklarierte Spenden und schwarze Parteikassen zu emanzipieren. Kohl gab seinen CDU-Ehrenvorsitz zurück. Zu einer richtigen Versöhnung Kohls mit seiner Nachfolgerin an der Spitze der CDU und im Bundeskanzleramt kam es nicht mehr.

Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte Kohl in Straßburg als großen Freund Frankreichs. "Helmut Kohl reichte uns die Hand", sagte Macron bei dem Trauerakt. Er erinnerte an die Annäherung beider Länder in den 1980er-Jahren und die Nähe Kohls zum damaligen französischen Präsidenten Francois Mitterrand. "Für meine Generation ist Helmut Kohl schon Teil der europäischen Geschichte", sagte der 39-Jährige. Er bekräftigte in Straßburg auch erneut seinen Willen zur Zusammenarbeit mit Deutschland und mit Merkel. Macron, der seine Rede auf Französisch hielt, sprach am Ende auch Deutsch: "Wir haben heute überhaupt keinen Anlass zur Resignation. Wir haben vielmehr Grund zu realistischem Optimismus."

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