Nazi-Kunstfund

Mysteriöser Sammler Gurlitt untergetaucht

05.11.2013

Nach Millionen-Fund: Sammler Gurlitt wie vom Erdboden verschluckt.

Zur Vollversion des Artikels
© APA
Zur Vollversion des Artikels

Nach dem Bekanntwerden des Sensations-Fundes vom Frühjahr 2012 in einer Münchner Wohnung - in der insgesamt 1.406 Bilder, darunter bisher auch unbekannte Werke entdeckt worden waren - blieb bisher ein Rätsel ungelöst: Wo ist Sammler Cornelius Gurlitt (79).

Die Behörden wissen nicht, wo sich der Österreicher derzeit aufhält. Es gebe keinen Kontakt zu ihm, ein Haftbefehl liege jedenfalls nicht vor, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz. Die Behörde gibt sich geheimnisvoll. "Aus gutem Grund möchte ich nichts zur Person des Beschuldigten sagen", so Nemetz. Das unterliege dem Persönlichkeitsrecht. Auch die Frage, ob Gurlitt überhaupt noch lebe, kann oder will der Oberstaatsanwalt nicht beantworten. Der Sammler habe sich noch nicht einmal einen Anwalt genommen. "Aktiv unternimmt er derzeit nichts, um die Bilder zurückzubekommen," sagte Nemetz.

Wie vom Erdboden verschwunden
Der mysteriöse Sammler, an sich sich sogar langjährige Münchner Nachbarn kaum erinnern können, ist wie vom Erdboden verschwunden. Seit mehr als 40 Jahren besitzt Gurlitt ein Haus im Salzburger Stadtteil Aigen. Das Gebäude macht von außen einen verwahrlosten und verlassenen Eindruck.

Die Nachbarn zeigen sich besorgt. Man wisse nicht, was sich in dem mysteriösen Haus alles befinde. Verdächtiges sei ihnen nichts aufgefallen, außer vor Jahren ein mysteriöses Licht in der Nacht. Warum kümmert sich keiner um das Anwesen, warum lässt der Besitzer das Haus zu einer "Ruine" und den Garten zu einer Wildnis verkommen? Liegt der Mann etwa gar tot im Haus?

Anrainer beschreiben Gurlitt als Sonderling. "Er wollte mit niemanden reden und hat niemanden ins Haus gelassen", erzählen sie. Ansonsten habe er sich unauffällig verhalten.

Als die Stadtgemeinde Salzburg vor etwa fünf Jahren Kanal-Hausanschlüsse vorbereitet hatte, habe sich Gurlitt geweigert mitzumachen und lieber eine Strafe bezahlt. "Dadurch haben wir erfahren, dass er noch lebt. Wir dachten schon, er sei gestorben. Vor zwei Jahren habe ich ihn das letzte Mal gesehen und angesprochen. Ich wollte wissen, ob er der Hausbesitzer ist. Er sagte, 'ich gebe keine Antwort'", schildert ein Nachbar.

Die Ermittler glauben jedenfalls nicht an ein zweites Lager des Sammlers - auch wenn das Haus in Aigen noch nicht durchsucht worden sei. "Von den deutschen Behörden hat sich noch niemand bei uns gemeldet", sagte Staatsanwalts-Sprecher Marcus Neher. "Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg liegt nichts gegen den Mann vor."



Cornelius Gurlitt ist der Sohn von Hildebrand Gurlitt (1895-1956).  Der aus Dresden stammende Hildebrand Gurlitt gehörte einer Familie von Künstlern und Galeristen an. Nach dem Studium übernahm er 1925 die Leitung der Kunstsammlung in Zwickau und engagierte sich vor allem für zeitgenössische Kunst. Auf Druck der Nationalsozialisten wurde er 1930 abgesetzt - auch wegen seiner jüdischen Wurzeln.

Dennoch wurde Gurlitt später damit beauftragt, Werke für die von Hitler angestrebte Kunstsammlung in Linz aufzukaufen. Nach der Münchner Ausstellung verkaufte er im Auftrag des Reichspropagandaministeriums zusammen mit seinem Cousin Wolfgang Gurlitt (1888-1965), Galerist in Berlin, die Werke "entarteter Kunst" im Ausland. So gelangten Hunderte Schätze in die Schweiz, Frankreich und Norwegen. Wolfgang Gurlitt gründete in Linz nach dem Krieg mit seiner teils in der NS-Zeit zusammengetragenen Sammlung die Neue Galerie der Stadt. Seine Sammlung wurde 1953 angekauft.

Nach Darstellung der Forschungsstelle "Entartete Kunst" an der Freien Universität Berlin, gehörten Hildebrand und Wolfgang Gurlitt zusammen mit Ferdinand Möller, Karl Buchholz und Bernhard A. Böhmer zu den zentralen Figuren des NS-Kunsthandels.

 

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel