Nach Auslieferung

Den Haag: Anklage gegen Mladic liegt vor

31.05.2011

Am Freitag muss der mutmaßliche Kriegsverbrecher erstmals vor das Tribunal.

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Der vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal angeklagte frühere Militärführer der bosnischen Serben, Ratko Mladic, hat eine erste Nacht in einem Gefängnis in Den Haag verbracht. Die serbischen Behörden hatten den 69-Jährigen am Dienstag ausgeliefert. Eine Sondermaschine der Regierung brachte ihn am Abend nach Rotterdam. Von dort wurde der Ex-General, der sich für die schwersten nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa begangenen Kriegsverbrechen verantworten soll, unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in das Gefängnis von Scheveningen gebracht. Am Freitag um 10 Uhr wird er erstmals den Richtern vorgeführt werden.

Mladic sei nach seiner Ankunft von einem Arzt untersucht worden, sagte eine Sprecherin des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien. Zum Zustand des 69-Jährigen wollte sie jedoch keine Angaben machen. Unklar war auch, ob der mutmaßliche Kriegsverbrecher bereits mit einem Anwalt sprechen konnte. Mladic könne sich von einer Liste beim Tribunal akkreditierter Anwälte einen Verteidiger aussuchen, sagte die Sprecherin.

Überarbeitete Anklage liegt nun vor

Der Chefankläger des Haager Tribunals für das ehemalige Jugoslawien hat eine überarbeitete Anklageschrift gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic vorgelegt. Statt 15 würden nun elf Anklagepunkte gegen den bosnisch-serbischen Ex-General vorgebracht, sagte UN-Chefankläger Serge Brammertz am Mittwoch in Den Haag. So werde ihm nunmehr zweifacher Völkermord zur Last gelegt, für das Massaker von Srebrenica sowie für Verbrechen an verschiedenen Orten zu Beginn des Bosnienkrieges (1992-1995). Die bisherige Anklageschrift hatte ihm Völkermord und Beihilfe zum Völkermord vorgeworfen.

Insgesamt umfasse die Anklage neben den Vorwürfen des Völkermords fünf mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und vier Kriegsverbrechen, sagte Brammertz. Der 69-jährige Mladic soll am Freitag erstmals vor dem UN-Tribunal erscheinen. Er war am Dienstag von Belgrad nach Den Haag überstellt worden. Der Ex-General wird vor allem für das Massaker von Srebrenica mit bis zu 8.000 Toten und die 44 Monate dauernde Belagerung Sarajevos verantwortlich gemacht.

Erster Auftritt vor Tribunal am Freitag

Am Freitag soll Mladic erstmals vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag erscheinen. 16 Jahre nach dem Bosnienkrieg müsse er sich nun seiner Verantwortung stellen, sagte Chefankläger Serge Brammertz am Mittwoch vor Journalisten. "Mladic war der ranghöchste militärische Führer der bosnischen Serben während der Kriege in Bosnien", sagte er. "Seine Verbrechen führten dazu, dass Gemeinschaften zerbrachen und eine Nation auseinandergerissen wurde." 16 Jahre seien eine lange Zeit, um auf die Gerechtigkeit zu warten, vor allem wenn man wisse, dass ein Verantwortlicher für dieses Trauma auf freiem Fuß sei. Jetzt müsse er sich für diese schweren Verbrechen verantworten.

Mladic verhielt sich bei Festnahme kooperativ
Ratko Mladic hat sich bei der Überstellung an das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien (ICTY) "sehr kooperativ" gezeigt. Dies berichtete die serbische staatliche Presseagentur Tanjug unter Berufung auf den Tribunalssekretär Jochn Hocking.

Hocking erklärte, dass er zusammen mit einem Übersetzer und dem Gefängnisarzt am Dienstagabend auf dem Flughafen in Rotterdam gewesen sei, als Mladic eingetroffen sei. "Wir haben im Laufe des Abendessens und auf dem Flughafen und im Gefängnis mit Hilfe von Übersetzern gesprochen und haben keine Probleme  gehabt, uns zu verständigen. Er war sehr kooperativ", wurde Hocking von Tanjug zitiert. Er habe Mladic seine Rechte erklärt, Gefängnisregeln erläutert und die administrative Prozedur bei der Aufnahme ins Tribunalsgefängnis in Scheveningen erläutert, präzisierte er.

Der Tribunalssekretär versicherte, dass Mladic im Tribunalsgefängnis die best mögliche ärztliche Behandlung erhalten werde. Zur Gesundheit des Angeklagten wollte er sich nicht äußern.

Mladic muss Gerichtskosten selber zahlen

Die serbischen Behörden sind nach Worten des Arbeitsministers Rasim Ljajic nicht verpflichtet, die Verteidigungskosten für den einstigen Militärchef der bosnischen Serben Ratko Mladic zu übernehmen. Mladic habe sich nicht freiwillig gestellt, argumentierte der Minister gegenüber der privaten Presseagentur Beta. Die serbischen Behörden wären allerdings verpflichtet, der Verteidigung des Haager Angeklagten oder der Anklage die beantragten Unterlagen zuzustellen.

Sollte die Familie Mladic´ allerdings beweisen, dass sie sich in einer schlechtern finanziellen Lage befinde, könnten die Behörden über die finanzielle Hilfe aus "humanitären Gründen" entscheiden, präzisierte Ljajic. Dafür müssten den Behörden allerdings entsprechende Beweise über die Finanzsituation der Familie von Mladic zugestellt werden.

EU-Außenbeauftragte Ashton begrüßt Auslieferung Mladics

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton begrüßte die die Überstellung Mladics an das UNO-Kriegsverbrechertribunal. Dies sei ein "bedeutender Moment" für die Versöhnung in den Balkanländern und die internationale Justiz, erklärte Ashton am Dienstagabend in Brüssel. Der Prozess gegen den früheren bosnisch-serbischen Armeechef vor dem UNO-Tribunal werde dazu beitragen, die Wahrheit aufzudecken und für Gerechtigkeit sorgen, und damit eine "Verpflichtung" gegenüber den Opfern und ihren Familien erfüllen.

Deutschlands Außenminister Westerwelle: "Starkes Signal"
Ähnlich äußerte sich der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. "Es ist ein starkes Signal für die gewachsene Kraft des internationalen Rechts, dass sich dieser mutmaßliche Kriegsverbrecher jetzt vor Gericht verantworten muss", sagte er am Mittwoch bei einem Besuch in der australischen Hauptstadt Canberra. Es sei auch eine, "wenn auch späte Genugtuung für die Opfer der Untaten, die Mladic zu verantworten hat."

Belgrader Gericht bestätigte Auslieferung
Wenige Stunden vor der Auslieferung hatte ein Gericht in Belgrad einen Einspruch der Verteidigung gegen die Überstellung nach Den Haag abgelehnt. Justizministerin Snezana Malovic unterzeichnete daraufhin die Auslieferungspapiere. Mladic war am vergangenen Donnerstag nach fast 16-jähriger Flucht verhaftet worden.

Verwirrspiel der serbischen Polizei
Vor seinem Abflug aus Belgrad hatte die Polizei aus Sicherheitsgründen ein Verwirrspiel organisiert. Insgesamt drei Kolonnen mit Polizei-Jeeps hatten im Abstand von einer Stunde das Gericht in Belgrad verlassen, in dem Mladic seit seiner Verhaftung in einer Zelle saß. Die Autobahn von der Innenstadt in Richtung Flughafen wurde von der Polizei blockiert.

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