Parlamentsbeschluss

Polen: Verbot für rituelle Schächtungen

13.07.2013

WJC-Präsident: "Juden müssen sich fragen, ob sie noch willkommen sind"

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© AFP
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Das polnische Parlament (Sejm) hat am gestrigen Freitagabend das seit Jahresanfang geltende Schächtungsverbot bestätigt. Eine Regierungsvorlage, die eine rituelle Schlachtung von Tieren für religiöse Zwecke erlaubt hätte, wurde mit 222 zu 178 Stimmen abgelehnt, meldete die polnische Nachrichtenagentur PAP. Die Vorlage scheiterte, weil auch zahlreiche Abgeordnete der regierenden Bürgerplattform (PO) dagegen stimmten. Selbst Ministerpräsident Donald Tusk zeigte sich "erleichtert" vom Nein zur Regierungsvorlage.

Die Schächtung von Tieren ist in Polen seit Jahresanfang verboten. Das polnische Verfassungsgericht hatte im November 2012 die Tötung von Tieren ohne Betäubung als verfassungswidrig eingestuft, weil es sich um Tierquälerei handle.

Die mitregierende Bauernpartei (PSL) machte sich jedoch für eine Wiedereinführung der Schächtung stark, weil sie um islamische und jüdische Absatzmärkte für die polnische Fleischindustrie fürchtete. Ihren Angaben zufolge bringt das Schächtungsverbot 6.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Bis zum Verbot sei nämlich 30 Prozent des von Polen exportierten Rindfleisches rituell geschlachtet worden. Tierschützer wiesen jedoch darauf hin, dass die polnischen Fleischexporte infolge des Schächtungsverbots nicht eingebrochen seien.

Die Regierungsvorlage wurde von einer ungewöhnlichen Allianz von Parteien - von der antiklerikalen Palikot-Bewegung (RP) bis zur national-katholischen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) - zu Fall gebracht. "Das ist ein Sieg für alle anständigen Menschen. Gute Menschen lehnen solche Praktiken ab", kommentierte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski das Abstimmungsergebnis. Auch der Fraktionschef des Linksbündnisses SLD, Leszek Miller, zeigte sich "sehr erfreut, dass der Sejm diese barbarische Art der Tiertötung abgelehnt hat".

Scharf auf das Parlamentsvotum reagierten Vertreter der jüdischen Gemeinde. Oberrabiner Michael Schudrich attestierte den Abgeordneten "böswillige Scheinheiligkeit". Sie hätten nämlich die Schächtung verboten, fänden aber zugleich nichts an der Jagd, bei der es sich um "eine Tötung von Tieren zur Belustigung" handle. Das Schächtungsverbot sei ein Angriff auf die "Grundrechte der jüdischen und muslimischen Gemeinde".

Der Präsident des World Jewish Congress (JWC), Ronald Lauder, zeigte sich am Samstag in einer Aussendung "zitiefst enttäuscht" von der Sejm-Entscheidung. "Diese Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht von Juden und Muslimen", kritisierte er. "Juden, die den Kashrut (die jüdischen Speisegesetze, Anm.) beachten, müssen sich fragen, ob sie noch willkommen in Polen sind." Einst das Land mit der größten jüdischen Gemeinde weltweit, sei Polen nun der erste europäische Staat seit dem Zweiten Weltkrieg, der die rituelle jüdische Schlachtung verbiete.


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