Vertragsverletzungsverfahren

Roma-Abschiebung: EU macht Ernst

29.09.2010


Frankreich soll sich bis 15. Oktober erklären. Sonst droht Verfahren.

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Die EU-Kommission hat grundsätzlich beschlossen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich wegen der massenhaften Abschiebung von Roma einzuleiten. Dies gab Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde am Mittwoch nach einer zweistündigen Debatte der EU-Kommission bekannt.

Klage vor Europäischen Gerichtshof möglich
Frankreich soll bis zum 15. Oktober Zeit bekommen, einen detaillierten Plan vorzulegen, um die Schutzbestimmungen zur EU-Freizügigkeitsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Ansonsten werde Frankreich ein formelles Mahnschreiben der EU-Kommission erhalten.

EU-Justizkommissarin Viviane Reding hatte, unterstützt von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Frankreich wegen der massenhaften Abschiebungen von Roma ein EU-Vertragsverletzungsverfahren angedroht, das bis zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gehen kann. Sie hatte Frankreich vorgeworfen, gegen die EU-Grundrechtecharta zu verstoßen und verschiedene Schutzbestimmungen der EU-Freizügigkeitsrichtlinie nicht umgesetzt zu haben. Außerdem hatte die EU-Kommission ein mittlerweile zurückgezogenes Rundschreiben der französischen Behörden kritisiert, der speziell auf die Räumung von Roma-Lagern Bezug nahm.

Auch andere Staaten im Visier
"Zu diesem Zeitpunkt ist die EU-Kommission der Ansicht, dass Frankreich die EU-Freizügigkeitsrichtlinie, die diese Rechte voll wirksam und transparent macht, noch nicht in nationales Recht umgesetzt hat", teilte die Brüsseler EU-Behörde mit. "Deshalb hat die Kommission heute entschieden, dass sie ein Mahnschreiben an Frankreich richten wird, mit der Aufforderung zur vollen Umsetzung der Richtlinie, wenn nicht Entwürfe für die Umsetzungsmaßnahmen und ein detaillierter Zeitplan bis zum 15. Oktober vorgelegt werden. Das Mahnschreiben würde dann im Zuge des Pakets von Vertragsverletzungsverfahren im Oktober 2010 geschickt werden."

Gleichzeitig will die EU-Kommission prüfen, ob weitere Vertragsverletzungsverfahren auch gegen ander Staaten im Zusammenhang mit der Freizügigkeitsrichtlinie eingeleitet werden. Die Kommission würde dann auch in den nächsten Runden von EU-Verfahren entsprechende Mahnschreiben schicken, Länder nannte sie aber keine.

"Rahmen für nationale Roma-Integrationsstrategien"
Die EU-Richtlinie sieht unter anderem vor, dass die Betroffenen Rechtsmittel im Aufnahmestaat einlegen können. Vor einer Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit muss der Staat eine Reihe von Punkten berücksichtigen, etwa die Dauer des Aufenthalts, Alter, Gesundheitszustand, familiäre und wirtschaftliche Lage des Betroffenen, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

Zudem kündigte die EU-Kommission an, sie werde im April nächsten Jahres einen "Rahmen für nationale Roma-Integrationsstrategien" vorlegen. Dabei soll die Verwendung von nationalen und europäischen Mittel und eine effizientere Nutzung der EU-Fonds zur Roma-Integration geprüft werden. Die EU-Staaten sollen eigenen Strategien im Rahmen der EU-Wirtschaftsstrategie "Europa 2020" in nationalen Reformprogrammen darlegen. Die in Wien ansässige EU-Grundrechteagentur soll in die Arbeiten mit einbezogen werden, teilte die EU-Kommission mit.

Der Roma-Streit zwischen Frankreich und der EU-Kommission war beim EU-Gipfel Mitte September eskaliert. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Kommissionspräsident Barroso waren während des Gipfels heftig aneinandergeraten. Sarkozy hatte Reding scharf attackiert, nachdem die Kommissarin erklärt hatte, dass sie eine Situation wie in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg für unmöglich gehalten hätte.
 

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