Terror

So tickten die Boston-Bomber

20.04.2013



Was hat die beiden Studenten Tamerlan (26) und Dschochar Zarnajew (19) zu radikalen Killern gemacht? Psychogramm der Boston-Bomber.

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© Reuters / AP
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Für das FBI war Tamerlan Zarnajew (26) seit zwei Jahren kein Unbekannter: Im Jänner 2011 erhielten die Ziel-Fahnder einen Hinweis, vermutlich vom russischen Geheimdienst: „Tamerlan Zarnajew ist Anhänger des radikalen Islam“, hieß es. Und: „Er will sich einer radikalen Untergrundorganisation anschließen.“

Tamerlan Zarnajew wohnte damals auf dem Campus der MIT-Universität in Boston. In einem kleinen Appartement. Mit seinem jüngeren Bruder Dschochar (19).

FBI verhörte sie, nahm die Hinweise aber nicht ernst
Tamerlan studierte Technik. Sein Bruder (Highschool) wollte später Zahnarzt werden. Beide waren begeisterte Sportler: Dschochar im Ringerteam. Tamerlan trainierte Boxen. Er schaffte es sogar bis zum nationalen Golden-Gloves-Turnier in Salt Lake City: „Er war groß, zäh und aggressiv.“

Die FBI-Agenten überprüften die Brüder, sie fanden nichts Verdächtiges.
Tamerlan war aber schon damals fanatisch: „Ich rauche nicht, trinke nicht.“ Über Amerika schimpfte er: „Hier zählen keine Werte.“

Er war auch mit einer Amerikanerin verheiratet: Die 23-jährige Katherine Russell aus Rhode Island, soll er regelmäßig geschlagen haben: „Sie musste sogar ein Kopftuch tragen“, sagt ihre Familie. Mit Katherine hat Tamerlan eine dreijährige Tochter: „Wir haben den wahren Tamerlan nie gekannt“, sagt die Familie der Frau heute.

Die beiden Brüder stammen aus Tschetschenien. 2002 wanderten sie mit der Mutter und ihren beiden Schwestern in die USA aus.

Im August 2012 legte Tamerlan ein YouTube-Profil an. In der Favoriten-Liste: Hasspredigten. Cousin Zaur Zarnajew bemerkte das, nahm es ernst: „Ich habe Dschochar immer gewarnt, dass sein älterer Bruder nichts Gutes im Schilde führt. Er hat aber nicht auf mich gehört, er folgte ihm blind....“



25.000 Tschetschenen in Österreich

25.000 tschetschenische Kriegsflüchtlinge leben bei uns – größte Gruppe in EU.

Zwei grausame Kriege (1995, 1999), Zehntausende Tote, zerstörtes Land: Bis heute kommt Tschetschenien nicht zur Ruhe, der Kampf um Unabhängigkeit von Moskau geht im Untergrund mit großer Brutalität weiter.

Die Folge: Zehntausende flüchteten nach Europa, 25.000 davon landeten in Österreich. Das ist die größte Gruppe innerhalb der EU. Viele von ihnen sind schwer traumatisiert, die Kriegsbilder lassen sie nicht mehr los.

Dementsprechend hoch auch das Aggressionspotenzial: 3,5 Prozent aller Tatverdächtigen in Österreich stammen aus den Kriegsgebieten der Russischen Föderation, so der aktuellste Kriminalbericht.

Mord in Wien
Spätestens seit dem brutalen Mord an dem Tschetschenen Umar Israilov 2009 auf offener Straße in Wien-Floridsdorf ist klar, dass der Krieg vom Kaukasus auch bis nach Österreich reicht. Israilov wurde mit mehreren Kugeln regelrecht hingerichtet.

Der Tschetschene war ursprünglich Leibwächter des jetzigen Präsidenten Ramzan Kadyrow. Er flüchtete mit seiner Familie, zeigte den Präsidenten wegen Folter beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an. Aus Rache schickte Präsident Kadyrow das Killerkommando nach Wien, so die heimische Justiz.

K. Wendl / (prj)

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