Orte vor Kollaps

Spanien: Erboste Einwohner greifen Touristen an

03.08.2017

Bürgermeister: "Der Abschaum, der uns geschickt wird, ist nicht angenehm"

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Bei einer neuen gewalttätigen Protestaktion gegen Massentourismus sind in Barcelona zahlreiche Leihfahrräder beschädigt worden. Mehrere Aktivisten der linken Organisation Arran hätten zu Wochenbeginn in der spanischen Metropole unter anderem die Reifen der vor allem bei Touristen sehr beliebten städtischen Räder zerstochen, berichteten spanische Zeitungen.

Arran-Sprecherin Laura Flores wies Kritik zurück und sagte am Dienstagabend im Interview des TV-Senders La Sexta, es ginge nicht um kriminelle Handlungen: "Solche Aktionen sind genauso legitim wie Kundgebungen." Gewalt werde vor allem "von diesem Modell des Massentourismus erzeugt", betonte sie. Ein von der Gruppe auf Twitter gestelltes Video zeigt Szenen der Aktion. "Wir haben die Besetzung des öffentlichen Raumes durch Tourismus-Unternehmen in unserem Viertel satt!", heißt es.

Erst am vergangenen Donnerstag hatten vier vermummte Mitglieder von Arran in Barcelona einen Touristenbus zum Halten gezwungen. Vor den Augen der erschrockenen Fahrzeuginsassen, darunter vieler Kinder, zerstachen die Aktivisten dann alle Reifen. Außerdem sprühten sie mit Farbdosen Parolen auf die Windschutzscheibe wie "Der Tourismus tötet die Stadtviertel".

Landesweite Proteste
Seit einigen Wochen nehmen in ganz Spanien die Demonstrationen und Proteste von linken Organisationen und Bürgerinitiativen gegen die Auswüchse des Tourismus zu. Die meisten und spektakulärsten Aktionen finden vor allem in Barcelona und auf Mallorca statt.

Mitglieder der von besorgten Bürgern gebildeten Initiative "Ciutat per qui l'habita" (Die Stadt für die Bewohner) sperrten in Palma auf Mallorca symbolisch das Tourismusministerium. Sie klebten Zettel mit der Aufschrift "geschlossen" an die Eingangstür des Gebäudes. Eine Sprecherin der Vereinigung sagte dabei, was der größte Dorn im Auge der Gegner des Massentourismus ist: die Ferienvermietung in Mehrfamilienhäusern, die auf Portalen wie Airbnb angeboten wird. Diese verursacht nicht nur auf Mallorca oder in Barcelona eine Explosion der Immobilienpreise, die Senkung des Angebots an Mietwohnungen und eine Gentrifizierung der Innenstädte.

Daneben sorgen randalierende und prügelnde Deutsche und Briten sowie Besucher, die auch tagsüber splitternackt und stockbetrunken herumlaufen, die in der Öffentlichkeit Sex haben oder sich erleichtern, für zunehmenden Unmut. Hinzu kamen zuletzt Neonazi-Gruppen, die am Ballermann ihr Unwesen trieben. "Der Abschaum, der uns geschickt wird, ist nicht angenehm", schimpfte Palma-Bürgermeister Antoni Noguera, bevor er sich mit der deutschen Konsulin jüngst zur Besprechung des Problems traf.

Am Ballermann protestieren Anrainer gegen "Sauftourismus", indem sie an Fenster oder auf Balkone schwarze Fahnen hängen. In Palma tauchten dieser Tage wie vor einem Jahr erneut Protest-Graffiti und -Plakate auf: "Tourism kills the city" (Tourismus tötet die Stadt), "Stop Airbnb" oder "Palma no se vende" (Palma wird nicht verkauft) ist unter anderem zu lesen. Und auch "Tourist go home!" und "Tourists=Terrorists".

Die Touristenzahlen brechen in Spanien indes weiterhin alle Rekorde. Im ersten Halbjahr reisten 36,3 Millionen Ausländer ein. So viele wie nie zuvor. 11,6 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Hotels sind nahezu ausgebucht. Die Arbeitslosenquote - nach der Krise von 2008 immer noch eine der höchsten der Eurozone - fiel im zweiten Quartal vor allem dank neuer Stellen im Tourismussektor auf den niedrigsten Stand seit neun Jahren.
 

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