Kriegstagebuch

Tausende fliehen vor Schlacht um Mosul

24.10.2016

Der Sturm auf Mosul. ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl war vor Ort. Sein Kriegstagebuch.

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© Tageszeitung Österreich
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Der Angriff stockt. Nach mehr als einer Woche Krieg um die 1,5-Millionen-Stadt im Nordirak haben die Truppen der Allianz die Stadtgrenze noch immer nicht erreicht. Die IS-Miliz schickt täglich Dutzende Selbstmordattentäter. Die größte Erfolgsmeldung der ersten Kriegswoche: Etwa 4.000 Zivilisten konnten inzwischen aus den Vororten fliehen. Sind in Sicherheit.

30.000 Mann marschieren gegen 5.000 IS-Killer

Dienstag, 18. Oktober: 80 Kilometer sind es von Erbil bis Mosul. Flache Wüste. Ich fahre mit der 17. Division der Peshmerga. Einfach anhängen, im Abstand von fünf Kilometern folgen, heißt es. Mein Fahrer nimmt 300 Euro pro Tag. Im Kofferraum liegt eine M16, das US-Sturmgewehr. 20 Dörfer erobern die Peshmerga innerhalb von Stunden. Euphorie.

Mittwoch. 19 Oktober: Nur mehr 15 Kilometer bis Mosul. Vor uns der Ort Bartella. Immer wieder Luftschläge. Heftiger Gefechtslärm ist zu hören. Je näher wir an Mosul herankommen, umso stärker wird der Widerstand. Dumpfes Grollen der Granatwerfer, Knattern von Kalaschnikow. Beißender Rauch steigt auf. IS-Milizen haben Schützengräben mit Diesel gefüllt, angezündet.

Samstag, 22. Oktober: IS schickt Selbstmordattentäter. 37 an einem Tag. Ich seh die grellen Blitze, wenn die Suizidbomber zünden. Die gepanzerten Scheiben der Humvees schützen. Aber: 10 Tote gibt es in unserer Truppe. Trotzdem rücken die Peshmerga vor. Zuerst kommen die US-Jets. Dann Einsatz von Milan-Raketen. Ein Krachen, Pfeifen, Donnern. Ich fahre an einem Dutzend Dörfer vorbei. Alle menschenleer. Jedes zweite Haus zerbombt. Kein Strom, kein Wasser.

Sonntag, 23. Oktober: Erstmals Rückschläge. IS-Milizen zünden eine Schwefelmine an. Beißender gelber Rauch. Angst vor Giftgas. Auch die Stadt Bartella, die zwei Tage zuvor von den Peshmerga erobert wurde, ist wieder heftig umkämpft. Die Kurden zeigen mir Tunnel. Hunderte dieser Maulwurfshöhlen haben die IS-Killer gegraben, ein Labyrinth rund um Mosul. Straßen wurden mit Sprengfallen versehen, mit Minen zugepflastert: „Das Problem ist, Stellungen zu erkennen. Selbst den Erdaushub ihrer Tunnel haben sie in Häusern versteckt.“

Montag. 24. Oktober: Die Kämpfe gehen unvermindert weiter: „ISIS hat keine Chance“, so die Peshmerga. Aber: Von einem Blitzsieg in Mosul kann keine Rede mehr sein.

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