Zwölf der 20 Angeklagten droht lebenslange Haft

Terrorprozess um islamistische Anschläge von 2015 beginnt in Paris

08.09.2021

Fast sechs Jahre nach der verheerenden Anschlagserie in Paris mit 130 Toten beginnt am Mittwoch unter großen Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen 20 Verdächtige.  

Zur Vollversion des Artikels

This browser does not support the video element.

Zur Vollversion des Artikels

Unter ihnen ist Salah Abdeslam, der mutmaßlich einzige überlebende Angehörige einer radikal-islamischen Gruppe, die in konzertierter Aktion die Attentate verübte. In der Nacht vom 13. auf den 14. November 2015 hatten Extremisten 130 Menschen getötet und Hunderte verletzt.

In der Konzerthalle Bataclan richteten sie ein Massaker an. Sie feuerten zudem auf Gäste in sechs Bars und Restaurants. Vor dem Fußballstadion, in dem gerade Frankreich gegen Deutschland spielte, sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft. In der Seele der französischen Nation haben diese Anschläge tiefe Narben hinterlassen.

"Die terroristische Bedrohung in Frankreich ist hoch, besonders in Zeiten wie dem Prozess um die Anschläge", sagte Innenminister Gérald Darmanin dem Sender Radio France Inter. Er habe alle Präfekturen aufgerufen, wachsam zu sein. Insgesamt seien mehr als 1.000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz, um die Gerichtsverhandlung im Justizpalast im Zentrum der Hauptstadt zu sichern. Wem eine Teilnahme am Prozess erlaubt ist, muss sich an mehreren Kontrollpunkten strengen Sicherheitsüberprüfungen unterziehen. Erst dann dürfen der Gerichtssaal und andere Räume betreten werden, in denen die Verhandlung übertragen wird.

Der Prozess ist auf neun Monate angesetzt. Rund 1.800 Nebenklägerinnen und -kläger nehmen teil, dazu 330 Anwälte. In den ersten Wochen sollen Fachleute und die Polizei den Verlauf der Anschläge schildern. Ende September werden die Opfer gehört. Ab Anfang November sind die Vernehmungen der Angeklagten geplant. Im Mai 2022 sind die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung vorgesehen. Die Urteile des Prozesses, den Justizminister Eric Dupond-Moretti als beispiellosen Justizmarathon bezeichnete, werden Ende Mai erwartet.

Den meisten Angeklagten droht lebenslange Haft, so auch dem 31-jährigen Abdeslam, einem Franzosen marokkanischer Abstammung, der 2016 in Belgien verhaftet worden war. Den anderen Angeklagten wird Beihilfe zu den Attentaten vorgeworfen. Sie sollen Waffen und Autos besorgt haben oder die Angriffe mit organisiert haben. Darunter sind sechs Verdächtige, denen in Abwesenheit der Prozess gemacht wird.

Seinerzeit hatte die radikal-islamische IS-Miliz die Anschläge für sich reklamiert. Der sogenannte "Islamische Staat" hatte erklärt, er habe seine Anhänger in Frankreich aufgerufen, Vergeltung zu üben für Frankreichs Beteiligung am Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak.

Überlebende und Angehörige der Opfer erhoffen sich von dem Prozess, dass sie über das Entsetzen hinwegkommen und das Geschehen besser begreifen können. Und sie haben die Hoffnung, dass es solche Attentate nicht wieder geben wird.

"Was mir bei dem Prozess wichtig ist, das sind die Aussagen anderer Überlebender", sagte Jérôme Barthélémy. "Wie sind die anderen in den letzten sechs Jahren damit fertig geworden?" Der 48-Jährige hat den Angriff auf den Bataclan überlebt und an Depressionen und Angstzuständen gelitten. Jetzt gehe es ihm wieder gut, sagte Barthélémy. "Was die Angeklagten betrifft, da erwarte ich nicht einmal, dass sie eine Aussage machen." "Die gesamte Welt beobachtet uns", sagte Dupond-Moretti französischen TV-Sendern.

"Der Prozess soll es den Familien ermöglichen, zu verstehen, was passiert ist", sagte der ehemalige Staatsanwalt François Molins dem Sender RTL. Es gehe auch darum, eine kollektive Erinnerung zu schaffen.
 

Zur Vollversion des Artikels