Interview

Timoschenko-Tochter 
in Wien

23.02.2012

Tochter der Politikerin im Straflager klagt an: "Man will sie zerstören".

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© TZ Österreich/Christian Bruna
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Jewgenija Timoschenko (31) hat nur ein Ziel: Sie kämpft für ihre Mutter Julija (51). Julija Timoschenko war Symbolfigur der prowestlichen Orangen Revolution 2004 in der Ukraine. Seit August 2011 sitzt die Ex-Premierministerin im Straflager, verurteilt zu sieben Jahren verschärfter Haft und 137 Millionen Euro Strafe. Amtsmissbrauch wurde der Politikerin vorgeworfen. Sie soll Gaslieferverträge mit Russland zu ihren Gunsten manipuliert und der Ukraine dadurch Millionenschaden zugefügt haben.

ÖSTERREICH: Sie waren in Brüssel und Straßburg, jetzt sprachen Sie vor der OSZE in Wien über das Schicksal Ihrer Mutter – was erwarten Sie von Europa?
Jewgenija Timoschenko:
Politische Hilfe, öffentlichen Druck. Meine Mutter wurde in einem zynischen Schauprozess verurteilt, ein bewusstes Fehlurteil, um sie zu zerstören und die Galionsfigur der Opposition in der Ukraine zu vernichten. Das ist ein Rachefeldzug von Präsident Viktor Janukowitsch, er will sie zerstören. Ich kämpfe aber auch um das Leben meiner Mutter, denn es geht ihr sehr schlecht.

ÖSTERREICH: Wie schlecht?
Timoschenko:
Sie sitzt in der Frauenkolonie des Straflagers Katschaniwska in Charkiw, das ist 450 Kilometer von Kiew entfernt. Wie in Sibirien ist es dort. Ich habe sie im Lager besucht, schockierend – sie hat einen Bandscheibenvorfall, Rückenschmerzen, kann nur liegen, wird rund um die Uhr videoüberwacht, selbst wenn sie sich wäscht. Am Oberkörper und an den Armen quält sie ein Hautausschlag. Jetzt durften erstmals Ärzte der Berliner Charité zu ihr in die Zelle. Zwei Neurologen, ein Kardiologe aus Kanada und ein Gynäkologe konnten sie fünf Stunden lang untersuchen. Sie bestätigten, was wir schon immer wussten: Meine Mutter ist ernsthaft krank. Sie muss operiert werden. Ich habe Angst, dass sie in dem Straflager sterben könnte.

ÖSTERREICH: Gibt es Hoffnung auf Aufhebung des Urteils gegen Ihre Mutter?
Timoschenko:
Natürlich hoffe ich das, aber dazu bräuchte es wohl ein Wunder. In der Ukraine herrscht längst keine Demokratie mehr, sonst könnte es nicht geschehen, dass politische Gegner weggesperrt werden. Aber ich kämpfe weiter für sie, und die Unterstützung wird breiter.

ÖSTERREICH: Sie haben Politik studiert, werden Sie jetzt in die Fußstapfen Ihrer Mutter treten?
Timoschenko:
Mein Aufgabe ist es jetzt, meiner Mutter zu helfen.

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