Ungarn
Trotz Verbots durch Orbán-Regierung: Pride-Parade in Budapest
28.06.2025Trotz Verbots findet am Samstag in Ungarns Hauptstadt Budapest die alljährliche Pride-Parade statt.
Sie steht diesmal im Zeichen einer Kraftprobe zwischen der Regierung des extremen Rechtspopulisten Viktor Orbán und dem links-grün-liberalen Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony. Tausende Menschen schlossen sich bei sonnigem Wetter der Parade an, viele schwenkten Regenbogenfahnen.
Die von Orbáns Leuten kontrollierte Polizei hatte die Veranstaltung untersagt, weil sie nach ihrer Auffassung gegen das jüngst novellierte Versammlungsgesetz verstößt. Dieses ermöglicht nun das Verbot von Kundgebungen, wenn sie sich gegen den "Kinderschutzes" richten. Karácsony sieht das anders und hat die Pride, eine Demonstration für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, Trans- und queeren Menschen (LGBTQ), zu einer offiziellen Feier der Hauptstadt Budapest erklärt. Eine solche unterliegt nach Lesart der Hauptstadt nicht dem Versammlungsgesetz.
Die Polizei machte am Samstagnachmittag keine Anstalten, die verbotene Demonstration aufzulösen oder einzuschränken. Lediglich die Route wurde von den Behörden noch während des Zuges kurzfristig geändert, da die rechtsradikale Partei Mi Hazánk (Unsere Heimat) eine Gegendemonstration an der ursprünglichen Route abhielt, berichtete das Onlinemedium "Partizán" in seinem Livestream. Daher zogen die Pride-Teilnehmer über eine andere Brücke auf die Budaer Seite der Hauptstadt.
Gesichtserkennungs-Software könnte zum Einsatz kommen
Es wird davon ausgegangen, dass die Polizei möglichst viele Teilnehmer der aus ihrer Sicht illegalen Kundgebung anzeigen wird. Dabei könnte auch Gesichtserkennungs-Software zum Einsatz gelangen. Den Angezeigten drohen hohe Geldstrafen, gegen die allerdings von Gericht berufen werden kann.
Zu dem Umzug wurden dennoch zehntausende Teilnehmer erwartet. Angekündigt haben sich auch rund 70 Europaabgeordnete, zahlreiche Diplomaten sowie die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung, Hadja Lahbib.
Österreichisches Außenamt informierte über Verbot
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die ungarischen Behörden im Vorfeld aufgefordert, das Verbot der Budapest Pride aufzuheben und auf die Grundwerte der Union verwiesen. Das österreichische Außenministerium wies am Samstagvormittag auf seiner Homepage auf eine Erklärung der ungarischen Regierung hin, wonach die für Nachmittag als Veranstaltung der Budapester Stadtverwaltung geplante Budapest Pride als illegal betrachtet werde. Das Ministerium riet gleichzeitig nicht explizit von einer Teilnahme ab.
Das Außenministerium kommentierte das Verbot auf Social Media mit den Worten: "Friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung sind Grundrechte und zentrale europäische Werte. Die Regierungen müssen sie respektieren und schützen - für alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig davon, wen sie lieben. AT (Österreich, Anm.) steht an der Seite aller, die ihre Stimme für Gleichheit und Würde erheben."
Mehr als 70 Europaabgeordnete aus verschiedenen Ländern haben ihre Teilnahme angekündigt. Auch mehrere Nationalrats- und Europaabgeordnete von SPÖ, Grünen und NEOS wollen dabei sein.
Delegationen aus Österreich
Im Vorfeld des Marsches, der um 15.00 Uhr begann, hielten Fraktionen des EU-Parlaments am Samstag Treffen ihrer Gruppen ab, in denen jeweils von Solidarität mit der ungarischen Bevölkerung die Rede war und zur Verteidigung der Grundrechte aufgerufen wurde. Es gab aber auch Aufrufe zu einer härteren EU-Gangart gegenüber der Regierung Orbán.
Nachdem sich Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in einem Budapester Innenstadthotel trafen, hielten die europäischen Grünen ein Treffen im Gebäude der Central European University (CEU) ab, die vor einigen Jahren durch ein neues Universitätsgesetz der Regierung Orbán mehrheitlich nach Wien hatte übersiedeln müssen. Die Grünen in der CEU begrüßten dabei vor allem ihren Parteifreund Karácsony. "Jede Nation muss selbst für ihre Freiheit kämpfen, aber es bedeutet mir und den Bürgerinnen und Bürgern von Budapest sehr viel, dass ihr heute alle da seid und eure Unterstützung und Solidarität zeigt", sagte der Bürgermeister.
"Und ich bin deshalb hier, um für Bürger- und Bürgerinnenrechte einzustehen, und zwar für gleiche Bürgerinnenrechte in ganz Europa", erklärte der Grüne Europaabgeordnete Thomas Waitz der APA. Er selbst sei zwar kein Mitglied der LGBTQ-Community, aber hier gehe es um bürgerliche Freiheit wie das Versammlungsrecht.
Lindner mit Zugpanne
Präsent waren am frühen Nachmittag auch die NEOS, deren etwa zehnköpfige Delegation von Klubchef Yannick Shetty angeführt wird. "Heute geht es um etwas Grundsätzliches. Nicht nur die Rechte von LGBTQ-Personen sind unter Beschuss, sondern die von allen", sagte Shetty der APA. In Bezug auf das kolportierte Fehlen von ÖVP-Politikern bei der Veranstaltung erklärte der liberale Politiker, keine diesbezüglichen Gespräche mit konservativen Kollegen geführt zu haben. Die Teilnahme am Pride-Marsch in Budapest sei zudem kein Pflichtprogramm, sondern dies hänge davon ab, ob man es für wichtig erachte, für diese Rechte auf die Straße zu gehen oder nicht.
Mit deutlicher Verspätung, aber gerade noch rechtzeitig für den Marsch traf am frühen Nachmittag auch der SPÖ-Parlamentarier Mario Lindner in Budapest ein. Nach einem Oberleitungsschaden und zweistündiger Wartezeit hatten sich Lindner und seine Mitstreiter über eine Böschung auf eine Straße durchgeschlagen und reisten schließlich per Taxi weiter. "Heute geht es um die Grundwerte der Europäischen Union und es deshalb wichtig, dass man ein Zeichen setzt", begründete er seine Präsenz in Budapest.
Keinen Zweifel an ihrer Teilnahme am Marsch ließ im Vorfeld auch die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ). "Wir gehen morgen gemeinsam mit vielen internationalen Gästen auf die Pride, weil wir auch zeigen wollen, dass man die Pride nicht verbieten kann", erklärte Kaup-Hasler am Freitagabend in einer Instagram-Videobotschaft aus Budapest. Orbán habe zwar ein Verbot erlassen, man gehe aber trotzdem hin und freue sich darauf, sagte sie.
Verständnis für das Verbot der Behörden zeigte hingegen die FPÖ. Europaabgeordnete Petra Steger betonte im Onlinedienst X: "Es geht um den Schutz von Kindern, da findet die persönliche Freiheit üblicherweise ihre Grenzen."
Meinl-Reisinger: Abhaltung der Pride "legal"
"Wir gehen davon aus, dass es legal ist", sagte Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) über die Abhaltung der Pride am Rande ihres Arbeitsbesuchs in Zypern. Das Außenministerium würde die Veranstaltung über die Botschaft in Ungarn unterstützen. Die Argumentation der ungarischen Regierung in dem Fall sei "schwierig".
Meinl-Reisinger hatte bereits im April mit ihrem ungarischen Amtskollegen Péter Szijjártó über die Frage des Pride-Verbots gesprochen. Die Rede sei hier von europäischen Grundwerten und von Fragen, die über den konkreten Anlass hinausgingen, erläuterte ein Sprecher des österreichischen Außenministeriums. "Ungarn kann nicht immer nur die positiven Seiten der EU genießen, während es gleichzeitig klare Positionen der EU nicht mittragen möchte", betonte er. Mit diesem Vorgehen schwäche Ungarn zudem die EU als Ganzes.