Story der Woche

Barack Obama: Das Geheimnis des Siegers

09.11.2012


Warum es Präsident Obama vom Tief zum Triumph schaffte. Das Geheimnis seines Erfolges.

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Da standen sie wieder in Chicago vor einem Meer US-Fähnchen schwingender, jubelnder Menschen. Wie vor vier Jahren. Er ist freilich grau geworden, die Töchter einen Kopf größer, nur sie sieht aus wie damals, wenn nicht noch schöner. Wieder verliebte sich die Welt in die Obamas, die „Fantastischen 4“, die mit dem Einzug als erste schwarze Familie ins White House 2008 Geschichte schrieben. Und deren Ringen nach dem versprochenen Wandel nun vier Jahre lang weitergehen darf.

US-Präsident Barack Obama (51) schaffte nach einem Herzschlagfinale im US-Wahlkampf mit über 100 Wahlmännerstimmen Vorsprung doch souverän die Wiederwahl. Der Sieg ist umso erstaunlicher, als Obama fast unüberwindliche Hürden nahm: Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast acht Prozent, die Einkommen der Mittelklasse sinken, die meisten seiner Wahlversprechen wurden in der Rezession und den Mühlen des härtesten Politjobs der Erde zerrieben. Vom latenten Rassismus ganz zu schwiegen.

Wie schaffte es Obama dennoch? Was ist sein Erfolgsrezept? Neben dem cleversten und schlagkräftigsten Wahlkampfteam aller Zeiten bezweifelt kaum wer, dass er die meiste Kraft aus seiner Traumfamilie schöpft: Gattin Michelle Obama (48) ist Amerikas beliebteste First Lady seit Jackie Kennedy. Obama huldigte ihr mit einer Liebeserklärung vor einem Weltpublikum: „Ich liebe dich mehr als jemals zuvor.“ Seine Augen waren feucht. Sie stand am Rand in einem magentafarbenen Kleid von Modeschöpfer Michael Kors. Auch typisch für die bescheidene Michelle: Sie hatte das Kleid einfach aus dem Kasten geholt, sie hatte es bereits früher bei zwei Auftritten getragen.

„Michelle ist der Fels in unserer Familie“, sagt er. Die Harvard-Anwältin verzichtete, anders als einst Hillary Clinton, auf eine politische Rolle, bemüht sich lieber um Biokost in US-Schulen. In den Privatgemächern ist sie freilich seine wichtigste Einflüsterin. Der Stab fürchtet die resolute Powerfrau: Vorstöße versanden, wenn sie nicht „an Bord ist“, heißt es. Legendär sind ihre Wutausbrüche, als sie ihren Mann beim Verkaufen der Gesundheitsreform im Stich gelassen sah.

Und natürlich: Mit einer Popularität von 66 Prozent half sie ihm als Geheimwaffe effektiv im Wahlkampf. Viele denken sich, ob sie nicht selbst einmal kandidieren könnte.

Obama selbst legt großen Wert – egal wie brenzlig die Lage im „Oval Office“ ist – auf ein stabiles Familienleben. Das lenkt vom Dauerstress ab, verleiht Perspektive. Dinner ist jeden Abend um 18:30 Uhr, auch wenn Staatsgäste warten. Den Töchtern Malia (14) und Sasha (11) hilft er bei den Hausaufgaben, vor einer letzten Abendschicht den langen Gang runter in den „West Wing“. Am Wochenende feuert er sie beim Sport an.

Bewundert werden auch die „Obama-Girls“: Vor den Augen der Nation, schwärmte der stolze Vater bei seiner Siegesrede, würden sie zu „starken, schönen jungen Frauen heranwachsen“. Michelles „oberstes Ziel“ sei aber, wie sie sagte, den Kindern trotz Isolation und strenger Bewachung durch den „Secret Service“ eine „halbwegs normale Jugend zu ermöglichen“. Doch während sich vor allem Malias Freunde in der Elite-Schule Sidwell Friends über Facebook oder Twitter austauschen, bleiben die Präsidenten-Töchter offline: Zu groß ist die Gefahr von peinlichen Postings oder Bildern im Internet. Insider staunen, welch ausgewogene, höfliche und liebenswerte Mädchen – zur Freude Amerikas – an der Seite des wiederauferstandenen Präsidenten heranwachsen.

Neben der Erdung im Privatflügel des White House ermöglichte Obama auch seine gefürchtete Wahlkampfmaschine den Weg zur Spitze. „Sie sind einfach die Besten“, bedankte sich Obama in Chicago. Angeführt von Manager-Genie David Plouffe und dem gewieften Politberater David Axelrod gewann das Obama-Team fast alle Schaukelstaaten. Die überzogen sie mit einem Netz aus Wahlbüros, mobilisierten Armeen an freiwilligen Wahlkampfhelfern, nahmen präzise die Zielgruppen der „Obama-Koalition“ – Junge, Schwarze, Latinos und Frauen – ins Visier.

Obama und seine beliebte Familie haben nun mehr Zeit, dem Land ihren Stempel aufzudrücken. Sogar von einer „Obama-Ära“ ist in US-Medien die Rede. Sie verkörpern eine Nation, wo wirklich alles möglich ist. Ein cooles Amerika, mit einer coolen „First Family“.

Faymann: "Obama hat das Herz auf richtiger Seite"

ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler, wie haben Sie die US- Wahlnacht verbracht?
Werner Faymann: Ich bin gegen eins ins Bett gegangen und um sechs habe ich dann das Ergebnis erfahren.

ÖSTERREICH: Sie konnten ruhig schlafen?
Faymann: Ich war mir sicher, dass Präsident Obama die allerbesten Chancen hat und habe mich sehr gefreut, als ich gesehen habe, wie es steht. Ich bin froh, dass die Wahl so ausgegangen ist. Das ist ein Präsident, der das Herz auf der richtigen Seite hat und der im Gegensatz zu seinem Mitbewerber nicht die Millionäre entlasten, sondern die Arbeitslosigkeit bekämpfen möchte. Das wird hart genug, denn nach wie vor gibt es keine strengen Regeln für die Finanzmärkte …

ÖSTERREICH: Aber dazu hatte er ja bereits vier Jahre Zeit …

Faymann: Wir wissen aber beide, dass Obama bisher in vielen wesentlichen Fragen blockiert wurde. Ich glaube, dass ihn die Wiederwahl jetzt stärkt. Und diese Stärke dazu führt, dass er jetzt das, was er sich für das Land wünscht, besser durchsetzen kann: nämlich Wachstum, Beschäftigung, Chancengleichheit zu fördern und die wachsende Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Ich wünsche ihm das sehr und ich wünsche es vor allem uns allen, weil Europa diese interne Diskussion und diesen Richtungsstreit auch hat. Wenn Obama sich durchsetzt, wäre das für Europa und die USA gemeinsam wichtig.

ÖSTERREICH: Was bedeutet der Sieg für Europa?

Faymann: Für uns ist es wichtig, dass es jemanden gibt, der sich bei weltpolitischen Konflikten zwar aktiv einbringt, aber in erster Linie friedliche Lösungen sucht. Ich habe selbst bei Begegnungen mit ihm erlebt, dass er Europa respektiert und versteht. Das ist ja wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass die Europäer, hätten sie mitwählen dürfen, sein Ergebnis noch einmal verbessert hätten.

ÖSTERREICH: Was sind die schwierigsten Aufgaben, die auf Obama zukommen?
Faymann: Ich befürchte für uns alle, dass es das Ankurbeln des Wirtschaftswachstums sein wird und zwar des nachhaltigen. Es geht ja nicht darum, dass die Finanzmärkte ein Produkt erfinden und eine neue Blase erzeugen. Das wäre nur kurzfristiges spekulatives Wachstum, das wir nicht brauchen. Es geht darum, die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, aber auch Verteilungsfragen anzusprechen, und die Kaufkraft der Bevölkerung zu heben. Und da bin ich froh, dass da jemand gewählt wurde, der auf der richtigen Seite steht.

ÖSTERREICH: Kann ihm das gelingen? Obama regiert schließlich ein gespaltenes Land …
Faymann: Es waren ja die Republikaner, die in den vergangen Monaten mit ihren Blockaden so viel verhindert haben. Ich hoffe, dass Obama mit dem Bonus einer zweiten Amtszeit an Stärke zulegen und mehr durchsetzen kann. Auch, weil er in Sachen Konfliktbewältigung viel dazugelernt hat. Ich wünsche ihm, dass die Republikaner jetzt gelernt haben, dass eine Blockade nicht automatisch einen Wahlerfolg garantiert. Die haben ja auf das einfache, aber schlechte Konzept gesetzt, jemanden, der viel versprochen hat, möglichst oft ausrutschen zu lassen. Dieser Plan ist nicht aufgegangen und das ist gut so.

ÖSTERREICH: Liegt nicht eine Tragik in Obamas Wiederwahl? Er geht als Präsident in die Geschichte ein, den ein Hurrikan im Amt gehalten hat?

Faymann: Das wurde medial überschätzt. Er hätte auch ohne Hurrikan gewonnen. Natürlich war die Wiederwahl keine ausgemachte Sache, aber so schlecht, wie er angeblich in Umfragen gelegen ist, war seine Situation dann doch nicht. Er musste freilich mit der Enttäuschung umgehen, die er bei vielen verursacht hat, weil er bei seiner ersten Wahl große Hoffnungen geweckt hatte. Aber es ist ihm gelungen, glaubwürdig zu vermitteln, dass er mit diesem Land noch viel vorhat.

H. Bauernebel / Interview: W. Schima




 
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