Oppositionspolitikerin verschwunden

Wo ist Kolesnikowa? Familie bringt Vermisstenanzeige ein

07.09.2020

Die 37-Jährige verschwand nur einen Tag nach einer neuen Großdemonstration gegen Lukaschenko, den Kritiker "Europas letzten Diktator" nennen. 

Zur Vollversion des Artikels

This browser does not support the video element.

Zur Vollversion des Artikels
Minsk. Auch Stunden nach ihrem Verschwinden herrscht weiter Unklarheit über das Schicksal der Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa in Weißrussland (Belarus). Familienangehörige gaben eine Vermisstenanzeige bei der Polizei auf, wie das Team des Ex-Bankenchefs Viktor Babariko am Montagabend mitteilte.
 
Die 38-Jährige arbeitet für den inhaftierten Oppositionellen, der gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko kandidieren wollte. Seit Montagvormittag gab es nach Angaben der Opposition zunächst kein Lebenszeichen von ihr. Nach Einschätzung des Koordinierungsrates der Demokratiebewegung, dem sie angehört, ist Kolesnikowa zusammen mit ihrem Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihrem Sprecher Anton Rodnenkow im Zentrum der Hauptstadt Minsk von Unbekannten entführt worden. Das Innenministerium teilte mit, es habe Kolesnikowa nicht festgenommen. Der Rat forderte die sofortige Freilassung.
 
Lukaschenko geht seit Tagen gegen den Koordinierungsrat vor und ließ mehrere Mitglieder festnehmen. Der Rat will einen friedlichen Machtübergang durch Dialog erreichen. Kolesnikowa ist eine der wichtigsten Oppositionellen, die sich gegen Lukaschenko stellen.
 
Die 37-Jährige verschwand nur einen Tag nach einer neuen Großdemonstration gegen den Präsidenten, den Kritiker "Europas letzten Diktator" nennen. Dabei gingen Beobachtern zufolge rund 100.000 Menschen auf die Straße - darunter die Oppositionspolitikerin. Sie lebte viele Jahre in Stuttgart und managte dort Kulturprojekte.
 
Die EU reagierte besorgt auf den Vorfall. Litauens Außenminister Linas Linkevicius forderte von der Staatsführung in Minsk die sofortige Freilassung von Kolesnikowa. Die Oppositionelle Swetlana Tichanowaskaja sprach von einem Versuch der weißrussischen Behörden, die Arbeit des Koordinierungsrats zu behindern.
 
Seit mehr als vier Wochen kommt es in Weißrussland zu Protesten gegen Lukaschenko. Hintergrund ist die Präsidentenwahl, bei der er sich mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären ließ. Die Opposition hält dagegen Tichanowskaja für die wahre Siegerin. Die Abstimmung steht international als grob gefälscht in der Kritik.
Zur Vollversion des Artikels