Schluss mit Stress!

Die drei besten Wege aus der Stressfalle: So gelingt's!

14.08.2025

Welche Auswirkungen dauerhafter Stress auf unseren Körper hat und wie wir dem gezielt entgegenwirken können, erzählt Health-Coach Richard Staudner im Interview. 

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Zwischen Termindruck, ständiger Erreichbarkeit und dem Anspruch, alles unter einen Hut zu bringen, geraten Körper und Geist oft aus dem Gleichgewicht. Welche Rolle biochemische Prozesse bei Stress spielen und welche Wege es gibt, dem zu entkommen, verrät der Experte.

Warum macht Stress krank?
Richard Staudner:
Stress beeinflusst unsere Biochemie massiv. Der Hormonhaushalt gerät aus dem Gleichgewicht – insbesondere das Stresshormon Cortisol spielt dabei eine zentrale Rolle. Hoher, chronischer Stress kann zu einer Vielzahl körperlicher Probleme führen: etwa zu einer schlechteren Wundheilung, zu Schlafproblemen, Heißhungerattacken oder Stoffwechselstörungen. Ein gestörter Schlaf wiederum verschärft die Problematik: Die hormonelle Balance gerät weiter aus dem Takt, und das Risiko, etwa eine Insulinresistenz – die Vorstufe von Diabetes – zu entwickeln, steigt nachweislich an. Das ist wissenschaftlich gut belegt.

Stress begünstigt also auch Autoimmunerkrankungen?
Staudner:
Ja, das ist ein wichtiges Thema. Die Genetik spielt bei Autoimmunerkrankungen eine große Rolle, aber ebenso die sogenannte Epigenetik – also wie unser Lebensstil bestimmte Gene aktiviert oder deaktiviert. Stress kann hier wie ein Katalysator wirken. Zudem führt chronischer Stress häufig zu Nährstoffdefiziten – etwa bei Vitamin D, B-Vitaminen, Omega-3-Fettsäuren oder Magnesium. Das wiederum begünstigt fehlgeleitete Immunreaktionen. Die Folge: Autoimmunprozesse können verstärkt oder sogar ausgelöst werden.

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Wie hängen Entzündungen mit Stress zusammen?
Staudner:
Chronischer Stress begünstigt stille, also unterschwellige Entzündungen im gesamten Körper. Besonders relevant ist hier die sogenannte Darm-Hirn-Achse. Wer sagt „Das schlägt mir auf den Magen“, hat recht – Stress beeinflusst den Verdauungstrakt stark. Bei anhaltendem Stress kann die Darmbarriere durchlässig werden („Leaky Gut“), wodurch Giftstoffe in den Körper gelangen. Gleichzeitig entstehen stille Entzündungen im Darm und in anderen Organen, was langfristig zu Krankheiten wie Alzheimer oder Demenz beitragen kann. Ein dauerhaft erhöhter Blutdruck, ebenfalls eine häufige Folge von Stress, ist beispielsweise ein bekannter Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen im Alter. Man kann also sagen: Alzheimer mit 75 beginnt oft schon mit 35 – durch chronischen Stress im Alltag.

Was kann man tun, wenn man sich permanent gestresst fühlt? In Ihrem Buch führen Sie drei Wege zur Entschleunigung an.
Staudner:
Genau, es gibt nicht den einen Weg – jeder Mensch muss seinen eigenen Zugang zur Entspannung finden. Dennoch lassen sich drei große Strategien ableiten. Die erste ist „Natur erleben“. Der Mensch hat über 99 Prozent seiner Geschichte in der Natur verbracht. Wälder, Wiesen, Wasser – all das ist tief in unserem Nervensystem verankert. Studien zeigen: Schon 20 Minuten im Grünen senken das Stresshormon Cortisol und den Blutdruck und verbessern die Herzratenvariabilität – also die Fähigkeit des Körpers, zwischen Anspannung und Entspannung zu wechseln. Schon ein Blick auf Bäume aus dem Fenster oder eine Tapete mit Naturmotiven kann messbar beruhigend wirken.

Der zweite Weg ist der der Achtsamkeit. Atemübungen sind wissenschaftlich besonders gut untersucht. Sie aktivieren den Parasympathikus – also den Teil unseres Nervensystems, der für Ruhe, Verdauung und Regeneration zuständig ist. Wer regelmäßig atmet, meditiert oder betet, kann besser schlafen, hat weniger Verdauungsprobleme und erholt sich schneller. Stress lässt uns in einen Kampf-oder-Flucht-Modus verfallen, in dem Regeneration kaum möglich ist. Atemtechniken helfen, diesen Zustand bewusst zu verlassen.

Der dritte Zugang führt über die Technologie. Für technikaffine Menschen gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Gadgets: von Meditations-Headsets über Vagusnerv-Stimulatoren bis hin zu speziellen Audioprogrammen, die die Gehirnwellen in Richtung Entspannung beeinflussen („Binaural Beats“). Diese Methoden stammen teilweise aus dem Biohacking-Bereich und funktionieren hervorragend, wenn man sie individuell anpasst. Musik etwa wirkt ebenso beruhigend: ob Metallica in der Werkstatt oder Vivaldi im Konzertsaal – Hauptsache, sie berührt.

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Verraten Sie uns Ihre drei besten schnell umsetzbaren Tipps für Menschen, die dauerhaft unter Strom stehen, – wie finden sie zurück zur Gelassenheit?
Staudner:
Ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass wir wieder lernen müssen, uns im Alltag bewusst kleine Auszeiten zu nehmen. Unser Gehirn ist schlicht nicht dafür gemacht, über sechs, acht oder mehr Stunden dauerhaft belastet zu sein.

Mein erster Tipp ist deshalb: Planen Sie kurze Erholungspausen ein – am besten mit einem Erinnerungsalarm am Handy. Eine „Sitting Break“ oder „Screen Break“ reicht oft schon: Einfach 3 bis 5 Minuten aufstehen, sich bewegen, tief durchatmen – oder einfach nichts tun. Das gibt dem Gehirn dringend benötigte Ruhe. Idealerweise blicken Sie dabei in die Ferne – aus dem Fenster, hinaus über die Stadt oder in die Natur. Unsere Augen – wie auch unser Geist – profitieren enorm von dieser kurzen Distanz zur ständigen Bildschirmnähe.

Der zweite Tipp: Raus in die Natur – und das regelmäßig. Bereits 15 Minuten im Wald können laut Studien unser Stresslevel signifikant senken. Das ist nicht nur spürbar, sondern auch messbar: Menschen, die ihre Herzratenvariabilität (Anm. HRV: ein gesunder Körper zeigt eine hohe HRV – das bedeutet: der Abstand zwischen den Herzschlägen variiert stark, weil der Körper flexibel auf Reize reagiert) mit Fitness-Wearables wie der Apple Watch, dem Oura-Ring oder Whoop-Band tracken, sehen den Unterschied oft deutlich – etwa am Sonntag nach einem Spaziergang im Grünen. Eine meiner Klientinnen zum Beispiel hat über Wochen hinweg gemessen: Montag bis Freitag war ihre HRV im Keller, am Sonntag zwei Stunden im Schönbrunner Park – und am Montag stieg die HRV signifikant. Woche für Woche, verlässlich. Die Wirkung ist real.

Der dritte und vielleicht wichtigste Punkt: Qualitativ hochwertiger Schlaf. Er ist die Basis für körperliche und geistige Regeneration, denn in der Nacht wird unser Gehirn gereinigt. Daher lautet mein Tipp: Den Abend bewusst entschleunigen. Kein Blaulicht mehr bis spät in die Nacht, keine Bildschirmarbeit am Abend. Stattdessen: runterfahren, durchatmen, ankommen. Es sind oft die Basics – und gerade diese vernachlässigen wir leider.

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