Neue CD

Erwin Schrott bringt "Arias" heraus

30.05.2012

Nach zehn Jahren Vorbereitung rückt der Opernstar neue CD heraus.

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© Sony Music
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Seiner neuen CD hat Erwin Schrott einen schlichten Titel gegeben: "Arias" heißt die Sammlung klassischer Opernarien von Verdi über Boito bis Massenet, die am1. Juni erscheint. Aufgenommen wurde sie in Wien gemeinsam mit dem Radio Symphonieorchester, auf der Opernbühne seiner Wahlheimat steht der uruguayische Bassbariton das nächste Mal im Oktober in "L'elisir d'amore". Im Interview mit der APA sprach Schrott über seinen Traum, Schauspieler zu sein, über Macht und Ohnmacht der Oper in Krisenzeiten und über den wesentlichen Unterschied zwischen einem Marathon und einer Gesangskarriere. Mit der APA sprach der Bassbariton über seine Vorlieben und Pläne.

 APA: Von "Rojotango" zu klassischen "Arias" - ihre beiden jüngsten Alben machen eine große Spannbreite auf. Ist das für die Stimme nicht sehr belastend?

Erwin Schrott: Es war kein Zufall, dass ich ein Album mit südamerikanischer Musik gemacht habe. Dort komme ich her. Ich bin aber kein Tangosänger und versuche auch nicht, so zu tun, als wäre ich es. Die Verbindung zwischen den beiden CDs ist: Gute Musik. Ich bin sehr neugierig und liebe es, in der Musik Risiken einzugehen. Es gibt so viele Wege für eine Gesangslaufbahn wie Gerichte, die man kochen könnte. Für die Stimme belastend wäre ein zu großes klassisches Repertoire. Das habe ich nicht - im Gegenteil. Die Entscheidung für die "Arias"-CD habe ich vor zehn Jahren getroffen und mich seither darauf vorbereitet.

APA: So eine lange Vorlaufzeit ist auf dem aktuellen Musikmarkt doch eher ungewöhnlich...

Schrott: "Karriere" heißt zwar "Laufbahn", aber das bedeutet nicht, dass man an einem Marathon teilnimmt. Das ist mein Weg und ich renne nicht. Die Arien auf der CD waren auf der Bühne oder kommen auf die Bühne. Von Escamillo aus "Carmen" ist es ein Abschied - der Charakter ist langweilig und flach und die Partie ist schlecht für die Stimme. Alle anderen Charaktere auf der CD haben etwas gemeinsam, das mir erst nach der Aufnahme aufgefallen ist: Sie sind von etwas besessen. Bei allen ist es extrem interessant, sie schauspielerisch darzustellen.

APA: Fühlen Sie sich als Charakterdarsteller auf der Bühne wohler als im Konzertsaal?

Schrott: Absolut. Um ehrlich zu sein, habe ich viele Jahre vorgehabt, Schauspieler zu werden. Das ist immer noch ein Traum von mir. Denn das Schauspiel ist in der Oper sehr begrenzt. Durch die Musik läuft die Uhr, das Timing des Komponisten ist zu respektieren. Da ist die Freiheit am Theater viel größer.

APA: Gibt es konkrete Pläne?

Schrott: Nein. Ich weiß auch nicht, ob ich es wirklich könnte. Aber ich würde es sehr gern probieren. Wenn ich eine Partie einstudiere, dann spiele ich das zu Hause nach wie ein Kind. Nicht gerade mit Spielzeug, aber so ähnlich. Ich probiere verschiedene Versionen aus, den Charakter anzulegen - natürlich muss ich das dann daheimlassen, man kann ja nicht in die erste Probe kommen und dem Regisseur sagen: Ich weiß schon, wie es geht! (lacht)

APA: Lassen Opernregisseure Ihnen eher zu wenige oder eher zu viele Freiheiten?

Schrott:
Meistens findet man sich allein auf der Bühne und kann tun, was man will - aber das ist die falsche Konzeption von Freiheit. Ich liebe es, wenn ein Regisseur wirklich Ideen und ein Konzept für die Oper hat, an denen man gemeinsam arbeiten kann. Der Glanz der Oper beginnt, wenn man vom Regisseur wirklich geführt wird. Deswegen heißt es - auf Englisch - ja "director".

APA:
Gemeinsam mit ihrer Frau Anna Netrebko haben Sie eine Stiftung für Kinderhilfe gegründet. Als Opernsänger sind Sie Teil einer Kultur der Privilegierten. Ist das für Sie ein Thema, gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten?

Schrott:
Natürlich. Das tut weh. Man kann sich fragen, warum wird überhaupt soviel Geld in eine Kunstform gesteckt, die nur von so wenigen Menschen genutzt wird? Die andere Seite ist, dass es viel mehr musikalische Bildung an den Schulen geben muss, damit die Gruppe größer wird. Denn was klassische Musik leisten kann ist, uns als Menschen zu bereichern. Sie hat die Kraft, zu heilen. Wenn Du am Monatsende mit dem Geld kämpfst oder deine Kinder nicht medizinisch versorgen lassen kannst, wird Dir die Oper nicht helfen. Aber immerhin bekommst Du die Musik dazu. Die anderen Probleme müssen wir mit anderen Mitteln angehen...

 APA: Wie kam es zur eigenen Stiftung?

Schrott: Wenn ich früher gespendet, oder Benefizveranstaltungen gemacht habe, wollte ich immer auch bei der Verteilung des Geldes mitmachen. Denn wenn Menschen Hilfe brauchen, dann nie heute - sondern immer schon vor einer Woche. Heute ist meistens schon zu spät. Da habe ich die Administration und Bürokratie von Spendenorganisationen immer als große Behinderung gesehen. Wenn ich helfen wollte, wurde mir meistens gesagt, das geht nicht, du hast deine Aufgabe schon erfüllt. Also dachten wir, wir packen den Stier bei den Hörnern. Bei dieser Stiftung geht es zum zwei Dinge: Zu versuchen, dass das Geld schon gestern ankommt. Und darum, nicht einfach nur ein Kuvert zu schicken, sondern auch persönlich dort zu sein, und zu sagen: Es betrifft mich, es interessiert mich.

APA: Hat ihr Engagement einen persönlichen Hintergrund?

Schrott:
Durch meine Erziehung. Meine Eltern waren sehr großzügig. In den 70ern gab es eine große Wirtschaftskrise in Uruguay, in deren Folge das Militär die Macht übernahm. Meine Eltern, die eine Fabrik besaßen, haben viel verloren. Aber meine weiter entfernte Familie hat noch mehr verloren - bis hin zu ihren Häusern. Es war selbstverständlich, dass alle in das große Haus meiner Eltern ziehen und sich jeder um den anderen kümmert. Ich habe früh gelernt: Man hat nichts von Reichtum, wenn man einen goldenen Käfig braucht. Wenn man sich nicht um die Armut kümmert, werden die Reichen niemals ihr Leben genießen können.

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