Salzburger Festspiele

Le nozze di Figaro: Mehr Sex als Erotik

28.07.2011

Schrott & Partner singen herrlich. Aber: Claus Guths Inszenierung ist ärgerlich.

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© ÂPA/Gindl
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Als in der Pause Erwin Schrott und seine prominenteste Zuschauerin, Anna Netrebko , an der Straßenfront des Festspielhauses posierten, fanden Kameraleute, Fotografen, Publikum ihr Festspielereignis. Schrott hatte sich dafür sogar ein T-Shirt mit Champion-Aufdruck besorgt. Auch beim Schlussbeifall zeigte er es genüsslich. Mit Recht. Er war tatsächlich der Champion dieser ersten Festspiel-Premiere , die mit großem Vergnügen anzuhören und daher auch erfolgreich war. Doch das Hinsehen war oft ärgerlich.

Die Almavivas 
scheinen verarmt
Denn die Almavivas scheinen verarmt. Familienleben und Dispute finden im Stiegenhaus ihres Schlosses statt. Garten und Möbel gibt’s nicht. Man sitzt und liegt auf dem Boden, auf Stufen. Zusätzlich zum bekannten Personal der Oper Le Nozze di Figaro agiert ein amouröser Engel, Krähen flattern durchs Fenster herein, es regnet Federn auf die handelnden Personen. Zweifellos von Vögeln. Darum geht’s auch dem Regisseur. Claus Guth weiß es besser als Beaumarchais, da Ponte und Mozart. Deren geniale, sensible Collage aus Menschenkenntnis und Standeszweifel, Komödie und erotischer Labilität handelt in Salzburg nur noch vom plumpen Begehren.

Musikalisch realisieren Robin Ticciati und das Londoner Orchestra of the Age of Enlightenment keinen geschönten, sondern einen zuweilen recht aggressiven Mozart im historisch orientierten Klangbild. Die Besetzung ist ausgezeichnet. Genia Kühmeier (Gräfin), Marlis Petersen (Susanne), Simon Keenlyside (Graf) gestalten vokal Erregung, Wehmut, Triebhaftigkeit auch dort, wo der Regisseur die Handlung eher verwirrt als erzählt.

Erwin Schrott: Der weltweit beste Figaro
Erwin Schrott ist stimmlich und schauspielerisch, vor allem auch im Parlando der Rezitative, wohl der heute weltbeste Figaro. In London, in McVicars herrlich präziser Covent-Garden-Inszenierung, darf er auch komödiantisch aufbegehren. In Salzburg bleibt ihm das leider verwehrt.

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