Interview
Verena Altenberger: "Marie-Antoinette war das leichteste Bauernopfer"
13.12.2025„Mozart/Mozart“ erzählt den Mythos neu und rückt seine Schwester ins Rampenlicht. Mit dabei ist Verena Altenberger als herrlich schräge und clevere Marie-Antoinette.
Historisch nicht ganz korrekt, aber mit modernen Beats, opulenten Bildern und aus einer weiblichen Perspektive erzählt die deutsch-vietnamesische Regisseurin Clara Zoë My-Linh von Arnim den Mythos Mozart neu. Sie rückt Wolfgang Amadeus‘ Schwester Maria Anna ins Zentrum der Serie „Mozart/Mozart“ (ab 15. Dezember, 20.15 Uhr, ORF 1 und ab 14. Dezember auf ORF ON). Sie erzählt von einer vielschichtigen Geschwisterbeziehung und von einer jungen Frau, die ihrem Bruder an Talent um nichts nachsteht.
Königlicher Spaß
Neben den Jungstars Havana Joy und Eren M. Güvercin sind Verena Altenberger als Marie-Antoinette und Philipp Hochmair als Kaiser Joseph II. zu sehen. Ihre Rolle bezeichnet Altenberger als „den königlichen Part“ der Serie und erzählt, was für eine Freude es war, vor der Kamera auf den Putz zu hauen. Gleichzeitig denkt die 38-jährige Schauspielerin im MADONNA-Interview über männliche Geschichtsschreibung nach und beschreibt Marie-Antoinette als eine kluge Geschäftsfrau, der die Überlieferung Unrecht tut.
Was hat Ihnen an dieser Rolle besonders Spaß gemacht?
Verena Altenberger: Jede Rolle in diesem Drehbuch ist toll. Aber ich hatte schon beim ersten Lesen das Gefühl, wenn diese Royals auftreten – vor allem Marie-Antoinette mit ihrer Gräfin von Greiner – zieht es nochmal mehr an. Dieser erste Instinkt, den ich beim Lesen hatte, hat sich am Set bestätigt. Die anderen spielen auch viel Drama, aber ich habe den königlichen Part und kann einfach lustig auf den Putz hauen.
Wie war die Zusammenarbeit mit Regisseurin Clara Zoë My-Linh von Arnim?
Altenberger: Sie hat uns so viel Spaß geschenkt, indem sie gesagt hat: „Macht, was ihr wollt!“ Es konnte nicht zu groß, nicht zu schräg, nicht zu übertrieben sein. Wir hatten alle Freiheiten – auch im Blödeln.
Vor einem Jahr haben wir über Bachs Weihnachtsoratorium gesprochen, jetzt „Mozart/Mozart“.
Machen Ihnen historische Verfilmungen besonders viel Spaß?
Altenberger: Das macht mir nicht mehr Spaß als etwas anderes. Auch nicht weniger. Im Vergleich hatte „Bach – Ein Weihnachtswunder“ den Anspruch historischer Korrektheit. Das haben wir bei „Mozart/Mozart“ nicht. Es gibt ein paar historische Ankerpunkte, die stimmen. Der Rest ist frei. Die Serie erzählt, wie es hätte sein können. Vielleicht stimmt aber gerade dadurch vieles davon. Die Geschichtsschreibung stellt nie die Frauen in den Mittelpunkt. Wir wissen gar nicht, wie deren Leben wirklich war.
Welchen Einfluss hatte das historische Vorbild auf Ihre Darstellung?
Altenberger: Ich habe viele Biografien und Briefwechsel von und über Marie Antoinette gelesen und hatte den Anspruch, ihr Genüge zu tun. Sie war sehr klug, konnte gut mit Geld umgehen und hat ihr Privatvermögen fantastisch verwaltet. Diesen Satz, „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen“, hat sie angeblich gar nicht gesagt. Ich glaube, ihr wurde in der Geschichtsschreibung viel Unrecht getan. Sie war einfach das leichteste Bauernopfer. Klar ist die Frau schuld am Verprassen... Das stimmt, nach allem, was man liest, so nicht. Natürlich war sie verwöhnt, sie war die Tochter einer Kaiserin. Aber sie hatte keine Standesdünkel. Wenn sie Feiern veranstaltet hat, hat sie andere Royals, Künstler:innen, aber auch Drogensüchtige willkommen geheißen. Sie hatte keine Berührungsängste und war viel „volksnäher“ als andere. Und gerade sie wird als Abgehobenste von allen bezeichnet? Das macht keinen Sinn.
Im Vordergrund stehen Maria Anna und Wolfgang Amadeus Mozart. Aber man kann auch etwas über die Geschwisterbeziehung von Marie-Antoinette und Josef II. sehen. Wie ist das?
Altenberger: Ich kann vor allem über das historische Verhältnis sprechen. Er muss wirklich ekelhaft gewesen sein. Sie hat recht lange keinen Thronfolger geboren. Natürlich hat man so getan, als wäre das ihre Schuld. Es war aber medizinisch die Schuld ihres Mannes! In diesen Jahren, in denen sie noch Teenagerin war, gab es eine andauernde Korrespondenz, auch mit Josef II., der ihr Tipps zum Sex gegeben hat. Da wird man mit 13 nach Frankreich verheiratet und dann redet halb Europa fünf Jahre darüber, dass man unfähig ist, seine Aufgabe im Leben zu erfüllen, die im Beischlaf besteht. Bis in die intimsten Details. Wie grausam! Geschwisterliebe liest man da nicht heraus.
Diese Dekadenz, gerade bei Marie-Antoinette, macht viel Spaß beim Zuschauen. War das auch beim Spielen so?
Altenberger: Es macht wahnsinnigen Spaß. Ein Champagnerbad im Innenhof des Schlosses hat man nicht jeden Tag. Es gibt so viele absurde, lustige Situationen. Während der Bruder den Adel vernachlässigt, weil er meint, dem Volk zu dienen, sieht sie im Adel politische Verbündete und sagt, die musst du an uns binden – durch Vorteile, durch Abhängigkeiten. Die Verschwendung hat einen für ihre Zeit sinnvollen Boden.
Wie aufwändig ist es, in diesen historischen Kostümen zu arbeiten?
Altenberger: Man muss vor allem erwähnen, was für ein irrer Aufwand es war, diese Kostüme zu machen. Jedes Kleid wurde mir auf den Leib geschneidert. Das war schon ein bisschen Mädchentraum – man spielt die Königin und hat hundert schöne Kleider. Beim Tragen waren sie halbwegs angenehm, weil die Mieder zu der Zeit ein bisschen locker waren. Aber sie bringen eine starke Einschränkung mit sich – man kann nicht aufs Klo gehen. Das An- und Ausziehen dauert gute 30 Minuten. Man teilt sich das gut ein.
Früher wurden Frauen in Mieder geschnürt, heute herrscht ein anderer Druck. Wie sehen Sie das?
Altenberger: Ich weiß nicht, was besser ist – eine Frau so eng zu schnüren, dass sie ohnmächtig wird, oder ihr Medikamente zu geben, damit sie nicht mehr als ein Hungerhaken ist und alles, was an Kilogramm über „fast verhungert“ liegt, zu sanktionieren und zu beschämen. Die repressive Miedermode ist perdu, aber ich glaube nicht, dass wir Frauen jetzt freier sind, was unser Körper- oder Schönheitsbild angeht.