"Was runtergekommen"
Apfel-Panne im ORF bei Gewessler-Sommergespräch
11.08.2025"Da ist gerade was runtergekommen", erklärt ORF-Innenpolitik-Chef Klaus Webhofer. Im Hintergrund war zu hören, wie ein Apfel von einem Baum flog.
Am Montagabend war die neue Grünen-Chefin Leonore Gewessler im Sommergespräch bei ORF-Innenpolitik-Chef Klaus Webhofer zu Gast. Sie machte den Auftakt der Gesprächsreihe der Parteichefs. Aufgenommen wurde die Sendung im ORF-Mediencampus – genauer gesagt die Terrasse der Info-Sendung "Studio 2" – am Küniglberg.
Seit sechs Wochen an der Parteispitze betonte Leonore Gewessler ihre Überzeugung für die neue Rolle, trotz Machtverlusts nach der Regierungszeit. Nach fünf Jahren Regierungsbeteiligung müssen sich die Grünen nun wieder in der Opposition einfinden.
Apfel-Panne im Interview
Nach gut einer halben Stunde im Interview kam es zu einem kleinen Hoppala. Plötzlich war ein Geräusch zu hören. Überrascht blickte Grünen-Chefin Gewessler nach rechts. "Da ist gerade was runtergekommen", erklärt Webhofer. "Genau", sagt Gewessler und fügt hinzu: "Äpfel, wenn ich nicht falsch bin. Aber Entschuldigung. Wieder zurück zur Frage", sagt die Grünen-Chefin und fährt mit ihren Ausführungen fort.
Von der Ministerin zur Partei-Chefin
Doch eins nach dem anderen - zum Einstieg wurde Gewessler gefragt, inwiefern sich ihr Berufsalltag zu ihrer Zeit als Ministerin geändert habe. Sie versicherte dem Publikum, dass sie als neue Bundessprecherin der Grünen mit derselben Energie auftrete wie in den vergangenen fünf Jahren in der Bundesregierung.
"Einen Schritt in die erste Reihe zu gehen, den überlegt man sich gut. Das ist nichts, was man leichtfertig macht. Das ist eine große Aufgabe. Ja, ich war Ministerin, ich habe viele schwierige Entscheidungen getroffen." Ihre Priorität bleibe, Österreich für kommende Generationen lebenswert zu gestalten.
Bundesregierung ohne Grüne
Weiter ging es mit der Frage, wie das Verhältnis zur ÖVP sei. Gewessler sieht die Regierungsbildung ohne Grüne nicht als persönliches Scheitern, sondern vielmehr als strategische Entscheidung der ÖVP, ihr Programm leichter mit SPÖ und NEOS umsetzen zu können. Trotz politischer Differenzen betont sie die nach wie vor gute Zusammenarbeit mit ÖVP-Vertretern. Künftig wolle sie als Oppositionschefin stärker zuhören, Vorurteile abbauen und grüne Politik nah an den Anliegen der Menschen ausrichten, ohne Kompromissfähigkeit aufzugeben.
Themensetzung als Partei-Chefin
Gewessler will als Partei-Chefin deutlich breiter auftreten als in ihrer Zeit als Klima- und Umweltministerin. Ein Schwerpunkt wird die Frauenpolitik – besonders die hohe Teilzeitquote. Sie fordert 50.000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze, einen Rechtsanspruch ab dem ersten Geburtstag und ein Recht auf Arbeitszeitaufstockung. Ziel sei es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Frauen Vollzeit arbeiten können, statt sie für Teilzeit zu kritisieren.
Wirtschaftslage nach ÖVP-Grüne
Kaufkraft stärken war Fokus der türkis-grünen Regierung, ebenso wie Energie. Gewessler verteidigt ihre damalige Politik, die in der Energiekrise Kaufkraft und leistbare Energie gesichert habe. Programme wie der Heizkesseltausch seien sehr erfolgreich gewesen. Sie räumt aber auch ein, dass Maßnahmen wie die Mietpreisbremse früher nötig gewesen wären. Günstige Energie sieht sie als Schlüssel zur Wirtschaftserholung.
Klimaförderung ab 2025
Gewessler kritisiert die Kürzungen bei Klimaförderungen ab 2025, etwa beim Heizkesseltausch, während Milliarden weiter in Autobahnbau fließen. Sie betont, Klimaschutz müsse sozial gestaffelt bleiben, um auch einkommensschwachen Familien die Teilnahme zu ermöglichen. Zu Tempo 100 meint sie: "Wenn ÖVP und SPÖ sagen 'Tempo 100', dann fress ich einen Besen."
Migration und Demokratie
Gewessler betont, Österreich habe viel geholfen, könne aber allein nicht alle Migrationslasten alleine tragen. Sie fordert einen EU-weiten Ansatz mit Kontrolle der Außengrenzen, besseren Deutschförderungen und faire Verteilung in Schulen. Familiennachzug aussetzen sei falsche Politik. "Orban ist europäischer Pseudo-Trump", schießt Gewessler scharf in Richtung Ungarn. Abschiebungen sollen laut ihr nach Gerichtsurteil erfolgen.
"Wenn ein Gericht sagt, diese Abschiebung ist in Ordnung und nicht mehr dagegen Einspruch erhebt, und das war in dem von Ihnen angesprochenen Fall so, dass sie Terroristen ist, dann kann man diese Abschiebung durchführen und dann soll sie auch durchgeführt werden. Wenn ein Gericht sagt, das geht nicht, dann geht es nicht. Es ist eigentlich recht einfach", so Gewessler.
Verfassungsgesetze mit Zweidrittelmehrheit
Gewessler lehnt das aktuelle Elektrizitätswirtschaftsgesetz ab, weil es Klimaschützer belaste. Sie fordert stattdessen einen parteiübergreifenden Plan für 100 Prozent erneuerbaren Strom bis 2030, Netzausbau und einen Netzinfrastrukturfonds. Dieser soll aus Übergewinnen der Landesenergieversorger und abgeschriebenen Großkraftwerken finanziert werden, um Verbraucher zu entlasten.
Überwachung, Israel und Sicherheit
Sie warnt vor am Ende des Interviews eindringlich Missbrauch beim Bundestrojaner und will dahingehend rechtliche Schritte prüfen. Im Gaza-Krieg betont sie Israels Selbstverteidigungsrecht, fordert aber ungehinderten humanitären Zugang und kritisiert Netanjahus Regierung. Als Friedenspartei sieht sie Verteidigungsfähigkeit, Schutz der Neutralität und Einsatz für Demokratie als zentrale Sicherheitsziele - die Zeiten seien andere, als noch vor einigen Jahrzehnten, bedauert sie.
Dialekt als Teil eines Image-Wechsels?
Abschließend stellte Webhofer die Frage, ob sie nun absichtlich vermehrt in Dialekt rede. "Ich habe die Frage schon einmal gestellt bekommen. Ich habe dann darüber nachgedacht. Ich glaube, wenn ich Geschichten erzähle, die mich persönlich berühren oder von meiner Natur erzähle oder das, was mich persönlich antreibt, dann verfalle ich leichter in den Dialekt. Und ich glaube, das mache ich jetzt schlicht und ergreifend in einer neuen Rolle mehr als früher. Also ist nicht sozusagen Teil des Imagewechsels und ganz bewusst eingesetzt. Nein, dazu bin ich hervorragend untalentiert. Und ich glaube, meine steirischen Verwandten würden auch nicht sagen, dass ich noch wahnsinnig steirisch klinge", so die Antwort der Grünen-Chefin.
Die kommenden Wochen
In den kommenden Wochen folgen Interviews mit Beate Meinl-Reisinger (NEOS), Andreas Babler (SPÖ), Christian Stocker (ÖVP) und Herbert Kickl (FPÖ). Gastgeber wird abermals ORF-Innenpolitik-Chef Klaus Webhofer sein, die Gespräche finden allesamt am ORF-Mediencampus in Wien statt.