Volksanwaltschaft

Beschwerden zum Fremdenrecht explodieren

28.04.2011

Die Zahl der Beschwerden hat sich 2010 insgesamt um 8,5 Prozent erhöht.

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Die Zahl der Beschwerden von Bürgern bei der Volksanwaltschaft über Missstände in der Verwaltung hat im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf 11.200 Fälle zugenommen. Hauptverantwortlich dafür war der Bereich der Vollziehung des Fremden- und Asylrechts, in dem sich die Beschwerden über lange eine Verfahrensdauer häufen. Dies geht aus dem Bericht der Volksanwaltschaft hervor, den die drei Volksanwälte Peter Kostelka, Gertrude Brinek und Terezija Stoisits am Donnerstag präsentierten.

"Wahre Explosion"
Die Zahl der Beschwerden aus dem Bereich der inneren Sicherheit hat um 60 Prozent auf 781 Fälle zugenommen, hauptverantwortlich dafür waren die fremden- und asylrechtlichen Beschwerden. Eine "wahre Explosion" an Beschwerden musste die Volksanwaltschaft über den Asylgerichtshof feststellen, diese haben sich nahezu verzehnfacht. Die Beschwerden betrafen dabei nicht nur Altverfahren, die der Asylgerichtshof vom früheren Unabhängigen Bundesasylsenat geerbt hat, sondern in gleichem Maße auch Neuverfahren. Und in den ersten vier Monaten des heurigen Jahres wurden bereits 330 Beschwerden registriert - mehr als im gesamten Jahr 2010.

Lange Verfahrensdauer
Hauptkritikpunkt ist die oft lange Verfahrensdauer. Vielfach werde ein Jahr lang kein einziger Verfahrensschritt gesetzt, erläuterte Stoisits. Als Beispiel schilderte sie den Fall eines minderjährigen somalischen Asylwerbers, dessen Verfahren mangels eines Sprachsachverständigen schon eineinhalb Jahre dauert. Die von der Politik versprochene Verbesserung mit der Einrichtung des Asylgerichtshofes sei nicht eingetreten. Aufgrund des neuen Fremdenrechts, das am Freitag vom Nationalrat beschlossen werden soll, erwartet die Volksanwältin ein weiteres Ansteigen der Beschwerden, weil dies in der Vergangenheit noch bei jeder Novelle so gewesen sei.

Als ein Beispiel, "wo sich der Föderalismus gegen Bürger richtet", kritisiert Stoisits einen Fall, in dem der eigentlich gesetzlich verankerte Gratiskindergarten nicht gewährt wird. Wenn nämlich die Eltern in Niederösterreich wohnen und in Wien arbeiten und ihr Kind in der Nähe der Arbeitsstelle in den Kindergarten schicken wollen, "schauen sie durch die Finger". Trotz zahlreicher Beschwerden der Volksanwaltschaft habe man bisher keine Lösung finden können.

Die meisten der insgesamt 4.125 Prüfverfahren in der Bundesverwaltung betrafen wie auch in den vergangenen Jahren den Sozialbereich (1.241 Fälle). Ein zentrales Problem dabei ist das Thema Pflege, jährlich führt die Volksanwaltschaft etwa 250 Prüfverfahren bezüglich Pflegegeldeinstufungen durch. Angesichts der Fülle an verschiedenen Angeboten forderte Kostelka eine Sozialberatung. Das derzeit in Begutachtung befindliche Gesetz, das eine Konzentration des Pflegegeldes beim Bund und eine Reduzierung der auszahlenden Stellen vorsieht, bezeichnete der derzeitige Vorsitzende der Volksanwaltschaft als "kleinen Schritt in die richtige Richtung", es seien aber noch viele Schritte nötig.

Heftige Kritik übte Kostelka an der Vollziehung des Tabakgesetzes, weil dessen Einhaltung von der Verwaltung nicht kontrolliert wird. Verfahren würden nur nach Anzeigen von "Rauch-Sherrifs" eingeleitet, die Behörden selbst nehmen keine Kontrollen vor. "Wenn die Politik ein Gesetz macht, hat sie auch die Verpflichtung für dessen Einhaltung zu sorgen", verlangte Kostelka, dass auch Polizisten und die Gesundheitsbehörden die Einhaltung kontrollieren. Bei der Rezeptgebühren-Obergrenze von zwei Prozent des Einkommens kritisierte Kostelka, dass die Betroffenen zuerst das Geld auslegen müssen und es dann erst Monate später zurückbekommen.

Die für die Justizverwaltung zuständige Volksanwältin Brinek beklagte, dass vor allem Obsorge- und Unterhaltsverfahren oft zu lange dauern. Wenn ein solches Verfahren zwei bis drei Jahre dauere, sei das "absolut problematisch", das Kindeswohl werde dabei außer Acht gelassen. Verantwortlich dafür sei oft ein Gutachter- bzw. Sachverständigenmangel, vor allem im Nordosten Österreichs.

Dass eine schlechter arbeitende Verwaltung die Ursache für die steigende Zahl an Beschwerde sein könnte, glauben die drei Volksanwälte nicht. Sie verwiesen darauf, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in den Beschwerden widerspiegeln und sich nun auch Menschen beschweren würden, die dies früher nicht getan hätten - vielleicht auch, weil mehr Menschen von der Möglichkeit der Beschwerde bei der Volksanwaltschaft Kenntnis haben. Kostelka gestand aber doch zu, dass die Verwaltung aufgrund des Sparkurses und der in den letzten Jahren gesunkenen Zahl an Mitarbeitern "zeitlich unter Druck" komme. Dadurch könnte sie auch fehleranfälliger geworden sein.

Insgesamt 15.265 Menschen wandten sich 2010 an die Volksanwaltschaft (2009: 14.853). Die Zahl jener Fälle, in denen sich Personen von einer Behörde schlecht behandelt fühlten stieg um mehr als acht Prozent auf 11.198. Die Volksanwaltschaft leitete 6.613 Prüfverfahren ein, in 17,3 Prozent davon wurde ein Missstand in der Verwaltung festgestellt.

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