ÖSTERREICH-Interview

Mikl-Leitner: "Wir sind nicht alle Gauner"

31.03.2012

Politiker geraten immer mehr in ein schlechteres Bild. Wie sie aus der Krise kommen wollen.

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© TZ ÖSTERREICH, ÖSTERREICH-Redakteurin Isabelle Daniel und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
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Große Fische
Die Umfragen sind fatal, die Stimmung in den Parteizentralen dementsprechend mies: 83 % der Befragten halten Politiker in der aktuellen Gallup-Umfrage für ÖSTERREICH für prinzipiell „korrupt“.

Der Korruptionsuntersuchungsausschuss scheint täglich neue Skandälchen oder echte Malversationen ans Tageslicht zu bringen. Jagdeinladungen für Landeshauptleute, Steuerhinterziehungsvorwürfe für Ex-Finanzminister und immer wieder Zuwendungen „ohne Leistung“. Das Bild sei „schrecklich“, gibt ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner auch zu.

Im ÖSTERREICH-Interview stellt sich Mikl-Leitner als erste Spitzenpolitikerin aber auch mutig hinter ihre Kollegen. „Ja, es gibt einige schwarze Schafe, aber nicht alle sind Gauner. Mit diesen Vermischungen läuft man Gefahr, dass die großen Diebe davonkommen“, sagt die Polizeiministerin.

Dass in den vergangenen Tagen auch eine Debatte über neue Dienstautos für Bundespräsident und Regierung entbrannt ist, stößt Mikl-Leitner übel auf: „Soll ich per Autostopp nach Tirol fahren?“

Die Oppositionsparteien – FPÖ, Grüne und BZÖ – zelebrieren freilich die Kalamitäten, in denen sich vor allem Ex-Politiker befinden. Dabei sind es überproportional viele ehemalige FPÖ- und BZÖ-Politiker, gegen die die Justiz ermittelt.

Krisenstrategien
Rot und Schwarz ist freilich dennoch klar, dass sich nun etwas ändern muss:

  • Die Regierung will sich auf ein neues Parteifinanzierungsgesetz und mehr Transparenz einigen.
  • Die ÖVP arbeitet zudem, wie berichtet, an einem eigenen Verhaltenskodex für die eigenen Mitglieder.
  •  Künftig sollen auch tatsächliche oder vermeintliche Privilegien für Politiker unmissverständlich geregelt werden.
  • Diverse Einladungen – zu Festspielen oder Konzerten – werden in Zukunft klar als Repräsentationsaufgaben definiert werden.

Debatten, die es freilich auch in anderen Ländern gibt: Großbritanniens Premier David Cameron musste ebenso wie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy unangenehme Fragen über Parteispenden und Einladungen über sich ergehen lassen.

Politikwissenschafter Hubert Sickinger setzt sich daher bereits seit Jahren dafür ein, dass die Spenden für Parteien offengelegt würden. Das sei viel wich­tiger als Debatten über Dienstautos....

 

Mikl-Leitner:" Soll ich per Autostopp nach Tirol fahren?"

ÖSTERREICH: Laut einer Gallup-Umfrage halten bereits ganze 83 Prozent der Befragten Politiker für „korrupt“. Wie erklären Sie sich als Politikerin und Polizeiministerin dieses verheerende Image?

Johanna Mikl-Leitner: Aufgrund der derzeitigen Diskussionen wundert es mich nicht, dass sich die Menschen von der Politik abwenden. Deswegen müssen wir alle Kraftanstrengungen unternehmen, um das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Die Menschen setzen bei Politikern zu Recht höhere Maßstäbe.

ÖSTERREICH: Müssen Politiker die „besseren“ Menschen sein und sind Politiker aber „schlechter“?

Mikl-Leitner: Politiker müssen Vorbild sein. Also müssen wir uns mehr anstrengen. Aber es ist mir auch wichtig, eines klar zu sagen: Nicht alle Politiker sind schlecht …

ÖSTERREICH: … Sie meinen, nicht alle Politiker sind Gauner?

Mikl-Leitner: Ganz genau! Dieses Bild, dass alle Politiker Gauner seien, ist entstanden – zu Unrecht. Es gibt die schwarzen Schafe, aber die Mehrheit ist sicher nicht korrupt. Es ist wichtig, dass man aufhört, alles in einen Topf zu werfen. Korruption wird plötzlich mit Sponsoring vermischt. Dadurch läuft man Gefahr, dass man Großkriminelle bagatellisiert und Vereine kriminalisiert. Als Vereinsministerin muss ich sagen: Sportvereine, Musikvereine leben teilweise von Sponsoring. Wenn man jetzt nicht differenziert, ist die Gefahr groß, dass die großen Diebe davonkommen.

ÖSTERREICH: Wer sind die großen Diebe?

Mikl-Leitner: Mutmaßlich jene, die für Millionen-Kursmanipulationen oder mutmaßliche Untreue bei Privatisierungen verantwortlich sind. Wir sollten jene erwischen, die sich persönlich die Taschen vollgestopft haben.

ÖSTERREICH: Sind Sie auch Jägerin?

Mikl-Leitner: (lacht) Nein!

ÖSTERREICH: Hätten Sie sich wie manche Politiker auf Jagden, etwa von Mensdorff-Pouilly, einladen lassen?

Mikl-Leitner: Jagden sind nichts Schlechtes. Jeder muss das für sich selbst entscheiden. Aber ich hätte mich nicht einladen lassen.

ÖSTERREICH: Es soll jetzt neue Regelungen für das „Anfütterungsverbot“ von Politikern geben. Was soll verboten werden?

Mikl-Leitner: Es ist wichtig, dass es klare Regeln gibt, an die sich dann alle halten. Aber es ist auch ­nötig, klar zu sagen, dass Politiker auch Repräsentationsaufgaben haben.

ÖSTERREICH: Sie meinen, wenn Politiker zu Festspielen eingeladen werden?

Mikl-Leitner: Ganz ehrlich: Ich würde lieber mit meinen Kindern im Wohnzimmer sitzen. Aber aufgrund meines Amtes ist es wichtig, auch Festspiele zu besuchen und Staatsgäste einzuladen, um Kontakte zu intensivieren. Wenn ich privat mit meinem Mann ausgehe, zahle ich selbst. Aber wenn ich dienstlich etwa die Salzburger Festspiele besuche, muss es möglich sein, von den Festspielen eingeladen zu werden. Oder man verrechnet das über ­Repräsentationsausgaben des Ministeriums.

ÖSTERREICH: Welche Variante – eingeladen werden oder Spesen verrechnen – wäre besser?

Mikl-leitner: Beide Varianten sind mir recht. Aber es sollte klar geregelt sein, damit es nicht immer wieder zu Unklarheiten kommt. Man braucht Richtlinien, was zur Repräsentation gehört. Das gilt auch für den Bundespräsidenten, der plötzlich wegen eines Dienstautos kritisiert wird. Da gerät jemand in Misskredit aufgrund von Fehlinformationen.

ÖSTERREICH: Sie meinen, weil es o. k. ist, wenn Spitzenpolitiker neue Dienst­autos erhalten?

Mikl-Leitner: Die Bundesbeschaffungsagentur hat die für die Steuerzahler günstigste Variante gefunden. Und eines muss man schon auch klar sagen: Für den Bundespräsidenten oder Regierungsmitglieder ist ein Auto ein fahrbares Büro.

ÖSTERREICH: Aber warum sagen das nicht auch andere Politiker klar? Derzeit sagen doch alle: „Nein, wir bestellen kein neues Auto“ …

Mikl-Leitner: Ich bin der Meinung, dass wir klar dazu stehen sollten: Autos sind kein Privatvergnügen, sie dienen zum Arbeiten und müssen auch sicher sein. Und wenn Herr Peter Pilz meint, er würde uns zeigen, wie U-Bahn-Fahren gehe, dann soll er mir bitte sagen, wie ich damit nach Tirol komme? Soll ich per Autostopp fahren? Mir ist es wichtig, effizient im ganzen Land unterwegs zu sein. Durch diesen Kontakt mit den Menschen bewahrt man auch die Bodenhaftung.

ÖSTERREICH: Bekommen Ihre Kinder die Debatten über angeblich korrupte Politiker mit? Stellen Ihre Kinder Ihnen dazu Fragen?

Mikl-Leitner: Meine Kinder sind sieben und zehn Jahre alt. Die Zehnjährige nimmt das sehr wohl wahr. Und dann fragt sie mich auch: „Mama, was ist da los?“

ÖSTERREICH: Und was antworten Sie ihr dann? Was ist da los?

Mikl-Leitner: Dann versuche ich ihr die Fälle zu erklären. Aber das Wichtigste ist für mich, ein Vorbild für meine Kinder zu sein. Dann gibt es auch kein Problem. Und ich bin ja auch viel mit meinen Kindern unterwegs, und dabei spüren sie, dass die Menschen mir gegenüber offen sind.

ÖSTERREICH: Aber die Menschen sprechen Sie doch sicher auch auf das schlechte Image der Politiker an, oder?

Mikl-leitner: Natürlich werde ich darauf angesprochen. Und dann nütze ich auch immer die Gelegenheit, um klar zu differenzieren. Die Menschen vertragen die Wahrheit. Und als Politikerin habe ich auch die Aufgabe, den Menschen nicht nur nach dem Mund zu reden.

ÖSTERREICH: Die FPÖ alteriert sich besonders über die „korrupten“ Politiker …

Mikl-Leitner: Die FPÖ soll vor ihrer eigenen Tür kehren.

ÖSTERREICH: Sie sind seit einem Jahr Ministerin. Wie war Ihr erstes Jahr?

Mikl-Leitner: Es war ein herausforderndes und spannendes Jahr: Wir haben die größte Behördenreform auf den Weg gebracht. Und sind dabei, Reformen bei Fremdenwesen und Cyberkriminalität auf den Weg zu bringen. Wir haben noch viel vor.

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