Regierung
Klima, Gust & Geld: Hier kracht es in der Koalition
03.11.2025In der Koalition verhärten sich die Fronten. Vom Kopftuchverbot für Mädchen in der Verfassung bis zur Causa Wöginger, dem Klimaschutz und der Überstundenregelung: Worüber in der Regierung aktuell gestritten wird.
Die Ampel muss zum Jahresende liefern. Das hat sich die Regierung durch Dutzende Ankündigungen im Frühjahr und Sommer selbst auferlegt. Lösungen sind bei Streitthemen zum Teil noch nicht in Sicht - und neue Vorstöße streuen zusätzlichen Sand ins Getriebe. Vor allem zwischen Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) zeigten sich zuletzt die politischen Gräben.
- Knaller: Staatsanwalt beruft gegen Wögingers Diversion
- Ampel streitet um Überstunden und Klimagesetz
Hattmannsdorfer - er war vor seinem Wechsel in die Bundespolitik noch kurzzeitig Generalsekretär der Wirtschaftskammer - preschte erst unlängst beim Thema Überstundenbesteuerung vor. Im kommenden Jahr werden - wie im Regierungsprogramm vorgesehen - nur mehr 10 Überstunden bzw. 120 Euro steuerfrei sein. Bisher waren es 200 Euro für 18 Stunden.
Marterbauer erteilt prompt Absage
Finanzminister Marterbauer - ein dezidiert linker Ökonom, der zuvor Arbeiterkammer-Experte war - erteilte via oe24 prompt eine Absage. Die Steuerbegünstigung würde 150 Millionen Euro kosten - Geld, das aktuell nicht da ist. Für 2027 ist allerdings erneut eine Begünstigung vorgesehen, wenn auch unter Budgetvorbehalt.
Auch bei der Einordnung des Status quo werden sich Marterbauer und Hattmannsdorfer offenbar nicht einig. Während der Wirtschaftsminister regelmäßig vor einer "schleichenden Deindustrialisierung" in Österreich und Europa spricht, erklärte Marterbauer bereits mehrmals, von so einer Überdramatisierung nichts zu halten.
Investitionsfreibetrag
Ein weiterer Streitpunkt - auch wieder zwischen den Oberösterreichern Hattmannsdorfer und Marterbauer - ist der Investitionsfreibetrag, der erhöht wurde. Das Wirtschaftsministerium erklärt, dass das Finanzministerium für die Aufstellung der Geldmittel zuständig ist, das Finanzministerium verweist auf das Wirtschaftsministerium. Klar ist nur: Die 220 Millionen Euro sollen durch Umschichtungen aufgestellt werden. "Neue Mittel" werde es aber keine geben, wie das Finanzministerium auch auf oe24-Nachfrage festhält.
Neuen Zündstoff zwischen den beiden Ministern könnte dann die Teilzeit-Debatte bringen. Das Wirtschaftsressort kündigte bekanntlich für Herbst konkrete Maßnahmen gegen "Lifestyle-Teilzeit" an. Die SPÖ will hingegen die Arbeitgeber stärker in die Pflicht nehmen, etwa mit einem Recht auf Vollzeit.
Klimagesetz: Streit um Totschnig-Entwurf
Hattmannsdorfer und Marterbauer bilden allerdings nicht die einzigen Reibflächen in der Koalition. Auch beim Thema Klimaschutz wird heftig diskutiert. Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) legte im Sommer einen Entwurf für das Klimaschutzgesetz vor. Wie von oe24 berichtet, sind die darin vorgesehenen Maßnahmen für die Koalitionspartner SPÖ und NEOS zu zahnlos. „Der Entwurf schreibt weder das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 noch geeignete Maßnahmen fest, die geeignet sind, dieses Ziel auch zu erreichen“, so NEOS-Verhandler Michael Bernhard. Totschnigs Büro verwies hingegen auf eine laufende "Abstimmung" innerhalb der Regierung.
Causa Wöginger
Auch bei der Amtsmissbrauch-Causa rund um ÖVP-Klubobmann August "Gust" Wöginger (ÖVP) gibt es Ungemach. Für Wöginger gab es eigentlich eine Diversion (44.000 Euro Strafe). Doch nun hat die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Weisung erteilt, Beschwerde gegen die verhängte Diversion einzulegen. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) akzeptierte damit die Empfehlung des Weisungsrates. Für die ÖVP ein Affront, die die Causa bereits als "erledigt" bezeichnete.
Vor allem bei den NEOS ist die Postenschacher-Causa um Wöginger schwer verdaulich. Immerhin trat die Partei stets vehement gegen Freunderlwirtschaft ein.
Kopftuchverbot in Verfassung?
Ein weiterer Streitpunkt der Koalition betrifft das Kopftuchverbot für Mädchen. Zwar ist man sich einig, dass eines beschlossen werden soll. Beim Thema Verfassungskonformität ist man aber uneins. Denn die zuständige Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) brachte erst unlängst eine Zweidrittel-Regelung ins Spiel. Also ein Kopftuchverbot im Verfassungsrang. Der letzte Versuch, ein Kopftuchverbot umzusetzen, wurde bekanntlich vom Verfassungsgerichtshof gekippt.
Von der SPÖ gab es rasch eine Abfuhr. Im Regierungsprogramm heißt es, dass eine "verfassungskonforme" Lösung gefunden werden müsse. Der pinke Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) verwies in der Debatte auf die SPÖ. Nachdem diese bereits angekündigt hätten, dem nicht zuzustimmen, sei der Fall erledigt. Denn im Regierungsprogramm ist auch vorgesehen, dass die Parteien im Parlament immer einstimmig abstimmen. Ein Alleingang der ÖVP - etwa mit FPÖ und NEOS - wäre damit ein Koalitionsbruch.
"Flat Tax": Arbeiten im Alter
Auch bei den Verhandlungen für eine "Flat Tax" in der Pension - also eine Endbesteuerung von 25 Prozent für Zuverdienste - stocken die Verhandlungen. Die Maßnahme soll laut Regierungsprogramm bereits am 1. Jänner kommen, 300 Millionen Euro sind dafür budgetiert.
Noch völlig unklar ist unter anderem, wer davon profitieren soll. Finanzminister Marterbauer will mit der Regelung etwa nur Pensionisten umfassen, die nebenbei unselbstständig arbeiten. Die ÖVP will allerdings auch Selbstständige miteinbeziehen.