Causa Ibiza

Tag 4 im U-Ausschuss: Entschlagungen und Verwirrung um Zuständigkeiten

10.06.2020

Am vierten Tag des Ibiza-U-Ausschusses wurden der ehemalige FPÖ-Nationalratsabgeordnete Markus Tschank und der Leiter der ''SoKo Tape'' vernommen.

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© APA/HELMUT FOHRINGER
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Wien. Der Ibiza-U-Ausschuss ist am Mittwoch in seinen vierten Tag gestartet. Die Abgeordneten gehen dabei den FPÖ-nahen Vereinen nach. Geladen ist dazu der Ex-FPÖ-Mandatar Markus Tschank. Danach wird der Novomatic-Mananger Alexander Merwald befragt, dessen Befragung verschoben worden war. Beide werden von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigte geführt.

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Als dritte Auskunftsperson ist am Nachmittag der Leiter der SoKo Tape, Andreas Holzer, eingeplant. Man habe von Oberstaatsanwalt Matthias Purkart von der WKStA von einer "nicht funktionierenden Zusammenarbeit" zwischen Soko und WKStA erfahren, nun "werden wir uns die andere Seite anhören", sagte SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer vor Beginn der Sitzung. Für NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper lassen die Ermittlungspannen nur zwei Schlüsse zu: Inkompetenz oder Absicht. Besonders ärgerte die Abgeordneten, dass ausgerechnet der Satz "Pröll redet mit Kurz" nicht leserlich war.
 
FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker erwartet von beiden ersten Auskunftspersonen Tschank und Merwald keine ausgiebigen Antworten, sondern erneut Entschlagungen. ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl dachte am Mittwoch nach den reihenweisen Antwortsverweigerungen von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann laut über eine Reform der U-Ausschuss-Geschäftsordnung nach. "Zuerst machen wir aber mal den", so Gerstl. Dilemma für die parlamentarischen Untersucher ist, dass Beschuldigte ein Aussageverweigerungsrecht haben.
 
 

Tschank entschlug sich exzessiv

Auch der Ex-FPÖ-Abgeordnete Markus Tschank hat bei seiner Befragung im U-Ausschuss am Mittwoch wie Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann tags zuvor exzessiv von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht. Immer wieder berief er sich zudem auf seine anwaltliche Verschwiegenheit, von der er von den Vereinen nicht entbunden worden sei.
 
In seinem Eingangsstatement war Tschank noch gesprächiger und verwies darauf, dass er bei den in den Fokus der WKStA geratenen Vereinen wie "Patria Austria", "Austria in Motion" und "Wirtschaft für Österreich" bis August 2017 Funktionen ausgeübt habe. Einzig beim "Institut für Sicherheitspolitik" (ISP) sei er nach wie vor als Vereinsobmann tätig. Jeder dieser Vereine sei im Juni 2019 einer Sonderprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer unterzogen worden. Dabei sei festgestellt worden, dass niemals Zahlungen an politische Parteien oder Vorfeldorganisationen geflossen seien, auch seien keine Kosten von Wahlveranstaltungen übernommen worden. Dies wäre mit den Statuten unvereinbar gewesen, so Tschank.
 
Interessant war, dass Tschank später bei der Frage der grünen Abgeordneten Nina Tomaselli, ob eventuell Spenden an einzelne FPÖ-Funktionäre geflossen seien, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte. Das sei Teil eines laufenden Ermittlungsverfahren, wiederholte Tschank mehrfach.
 
Zuvor hatte er zu Beginn der Befragung durch den stellvertretenden Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl unter anderem zu Fragen zum ISP entweder mit dem Verweis auf sein Entschlagungsrecht oder seine anwaltliche Verschwiegenheit abgeblockt. Weder wollte er beantworten, ob über 3.000 Euro pauschal monatlich als Miete von dem Verein an seine Rechtsanwaltskanzlei bezahlt wurde, noch Fragen nach Honoraren. Diese beantwortete Tschank nur allgemein damit, dass sämtliche Honorare und Tätigkeiten auf "ordnungsgemäßen Beschlüssen" der Vereine basierten. Auch zum Kooperationsvertrag des ISP mit Novomatic, die seit 2017 laufend pro Jahr 200.000 Euro an das Institut zahlt, wollte er nicht näher eingehen. Auch das sei Gegenstand von Ermittlungen.
 
Genau dieser Punkt führte dann bei der Befragung durch NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper zu einer ausgiebigen Geschäftsordnungsdiskussion. Krisper wollte nämlich wissen, wie es zur Kooperationsvereinbarung mit der Novomatic kam. Die pauschale Verweigerung Tschanks, weil dies in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren gegen ihn stehe, war Krisper zu wenig. In dieser Tonart ging es weiter. Weder wollte Tschank Auskunft darüber geben, woher er Neumann kenne, noch wann er ihn kennengelernt habe. Dies könnte für das laufende Verfahren relevant sein, bzw. könne nicht ausgeschlossen werden, lautete seine Rechtfertigung. Keine Wahrnehmung habe er darüber, ob Neumann Kontakte in die ÖVP unterhielt.
 
Auch ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl erhielt auf die Mehrheit seiner Fragen entweder eine Rechtfertigung für sein Aussageverweigerungsrecht bzw. den Satz: "Dazu habe ich keine Wahrnehmung."
 
Ebenso biss sich die SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits mehr oder weniger die Zähne an Tschank aus. Einer der wenigen Punkte, zu denen er Stellung nahm, waren die 1.250 Euro netto monatlich für seine "Managementleistungen" für das ISP. Diese seien in den entsprechenden Generalversammlungen beschlossen worden und eine angemessene Abgeltung für die geleistete Arbeit, meinte Tschank, der zudem generell festhielt, dass "wenn jemand an einen Verein spenden will, dann spendet er an einen Verein, wenn jemand an eine Partei spenden will, spendet er an eine Partei".
 
Ganz zu Beginn hatte der FPÖ-Abgeordnete Philipp Schrangl Tschank die Möglichkeit gegeben, Antworten zu liefern. Etwa sei die Parteizugehörigkeit bei Organfunktionen in den Vereinen "irrelevant" gewesen, so Tschank auf eine entsprechende Frage: "Ich halte fest, es sind keine Parteivereine". Auch unterhalte das Verteidigungsministerium mehre Kooperationsverträge mit privaten Instituten. Diese seien zum Teil SPÖ-nah bzw. ÖVP-nah. Diese existierten alle schon viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, so Tschank.
 
Der Rahmenvertrag des ISP wurde unter dem ehemaligen Verteidigungsminister und nunmehrigen burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) erstellt, sagte Tschank.
 
Ein Aus für den Kooperationsvertrag des Verteidigungsministeriums mit dem ISP verlangte am Mittwoch der grüne Wehrsprecher David Stögmüller, der auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss sitzt. Zudem müsse der gesamte Bereich der Kooperationen mit sicherheitspolitischen Vereinen und Instituten aller Parteien evaluiert werden, nahm Stögmüller Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in die Pflicht.
 
 

Merwald-Befragung wegen Böhmdorfer erneut verschoben

 Die Befragung des Novomatic-Managers Alexander Merwald im Ibiza-U-Ausschuss ist am Mittwoch erneut verschoben worden. Grund dafür war, dass Merwald als Vertrauensperson den Anwalt und Ex-Minister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) mitgenommen hatte. Die Abgeordneten lehnten Böhmdorfer als Vertrauensperson ab, weil Böhmdorfer selbst eine potenzielle Auskunftsperson für den Untersuchungsausschuss ist.
 
Merwald, Geschäftsführer der Novomatic-Schwesterfirma Novo Equity, war ursprünglich für Dienstag geladen gewesen, wurde wegen der fortgeschrittenen Zeit aber um einen Tag verschoben. Merwald, einer der Beschuldigten in der Causa Casinos, muss sich nun eine neue Vertrauensperson suchen. Einen neuen Termin für Merwalds Befragung gab es noch nicht.
 
 

Soko-Chef Holzer: Tomac am 12. Mai über Video informiert 

 
Der Generalsekretär des Innenministeriums, Helmut Tomac, ist am 12. Mai von der Sicherstellung des Ibiza-Videos durch die Soko Tape informiert worden. Tags darauf sei im Kabinett darüber gesprochen worden, erklärte SoKo-Leiter Andreas Holzer im Ibiza-U-Ausschuss. Die WKStA sei nicht informiert worden, weil es eine Anordnung gab, Details aus Verschlussakten anderen Behörden nicht zu übermitteln.
 
Mehrfach erging die Anordnung seitens der WKStA an die Soko, Details aus Verschlussakten nicht den anderen Anklagebehörden weiterzugeben, betonte Holzer. Daher habe man nur der Staatsanwaltschaft Wien berichtete und sei davon ausgegangen, dass justizintern informiert werde. SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer gab sich damit nicht zufrieden. Schließlich hätte die Soko die gesetzliche Pflicht gehabt, die WKStA, die ebenfalls eine Anordnung auf Sicherstellung des Videos erteilt hat, binnen 14 Tagen über den Fund zu informieren, betonte Krainer.
 
Die Information der Öffentlichkeit über den Video-Fund am 27. Mai sei deshalb erfolgt, da die Staatsanwaltschaft Wien die Veröffentlichung der Lichtbilder des Lockvogels angeordnet habe. Daher habe man sich entschieden auch die Sicherstellung des Videos bekannt zu geben. Die Pressestellen hätten dann das Prozedere der Öffentlichkeitsarbeit vorbereitet.
 
Neben den Szenen des Treffens auf Ibiza sei auch Filmmaterial von Vor- und Nachtreffen sichergestellt worden, "im Wesentlichen" seien darauf die gleichen Protagonisten zu finden, schilderte der Soko-Leiter. Vom Abend auf Ibiza habe man über 20 Stunden vorliegen, aus sieben verschiedenen Kameraperspektiven, mit einer großen Audioschleife. Daher dauere es auch eine "gewisse Zeit, um ein überprüfbares Ergebnis zu liefern".
 
NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper befragte Holzer über die ihrer Meinung nach begangenen "Fehler bei der Sicherstellung rund um die Hausdurchsuchung im Schredder-Fall", bei der die Sicherstellung des Handys und des Laptops eines Verdächtigen unterblieb. Holzer begründete das damit, dass "alle Ermittlungshandlungen in der Schredder-Affäre in direkter Abstimmung mit der WKStA getroffen wurden". Man habe sich immer mit der zuständigen Oberstaatsanwältin abgestimmt, zur Sicherheit immer rückgefragt, so Holzer: "Das ist in diesem Verfahren mehrfach gemacht worden." Die Oberstaatsanwältin habe dafür auch "ausdrücklich" gedankt.
 
Thema waren auch die Hausdurchsuchungen im August 2019: Die Einsätze mit 17 Hausdurchsuchungen seien in der Nachbesprechung aus Sicht der Polizei und der WKStA als sehr gut bewertet worden. Angesprochen darauf, dass sich das Handy von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nach der Sicherstellung wieder versperrt habe, rechtfertigte Holzer damit, dass die Anordnung der Staatsanwaltschaft war, das Handy sicherzustellen und in den Flugmodus zu setzen, damit die Daten gesichert werden können. Das Handy habe sich wieder versperrt, weil der Bildschirm in den Sperrmodus ging. Straches Handy habe letztlich nur ausgewertet werden können, weil er den Ermittlern entgegengekommen sei und das Passwort preisgegeben habe.
 
 Angesprochen auf die Nachrichten zwischen Strache und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), und warum diese nicht im Akt zu finden seien, meinte Holzer, dass er gerne Auskunft über strafrechtlich relevante Akteninhalte gebe. Zudem sei dies "nicht alleine" im Wirkungskreis des Bundeskriminalamtes. Die Auswertung passiere vorrangig durch die WKStA, so Holzer: "Ich kenne sie nicht, vielleicht sollten sie die WKStA dazu fragen."
 

Zuvor: Wirbel um Schatten auf SoKo-Unterlagen

Ein Detail hat am Dienstag im U-Ausschuss einen Ausschnitt der in dem Fall nicht besten Zusammenarbeit zwischen der WKStA und der Soko Tape in den Ibiza-Ermittlungen gezeigt. So war ein Scan, den die Soko an die Staatsanwälte übermittelt hat, von miserabler Qualität. Später hat die WKStA das volle Dokument eingesehen und gelesen. Unter anderem kommt Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) darin vor.
 
"Da hat es uns die Augen raus gehaut", sagte der Ibiza-Ermittler, Oberstaatsanwalt und IT-Experte Matthias Purkart von der WKStA zur Qualität des übermittelten Scans. Schatten hätten Teile der Unterlage unleserlich gemacht. Auf der Unterlage - dem Terminkalender von Novomatic-Eigentümer Johann Graf - geht es um ein Treffen zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner und den früheren ÖVP-Chef und -Vizekanzler sowie Casinos-Aufsichtsrat Josef Pröll.
 
"Im Original war das aber sehr wohl lesbar", sagte Purkart. Demnach ging es beim Treffen offenbar um eine womöglich angedachte, im Verlauf des Ausschusses aber nicht näher erläuterte Holdinglösung für die Casinos Austria und eine Vorstandsbestellung ohne Ausschreibung.
 
Die NEOS-Politikerin Stefanie Krisper thematisierte weitere unleserliche Unterlagen. Eine "Mappe Sazka" (Sazka ist Haupteigentümer der Casinos) sei gar nicht eingescannt worden von der Soko. Auch bei Unterlagen zu Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus seien Passwörter auf dem von der Soko übermittelten Einscannung nicht lesbar gewesen - im Original sei das aber möglich gewesen, hieß es im Ausschuss.
 
Die Frage, wann und ob der U-Auschuss das komplette Ibiza-Video bekommt, blieb auch am Dienstag offen. Die Entscheidung, welche Unterlagen die WKStA dem Ausschuss vorlegt, sei Aufgabe der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien. Sie erteile den Auftrag, was vorzulegen ist, sagte Purkart.
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