Das sagt Österreich

Die erste Bilanz von Kern: Wird er von ÖVP entzaubert ?

04.06.2016

Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Zur Vollversion des Artikels
 
Zur Vollversion des Artikels

Die erste Bilanz nach zwei Wochen Christian Kern fällt bei den meisten Kommentatoren nicht mehr ganz so begeistert aus wie die allererste Reaktion auf den Amtsantritt – man spürt: Der neue Kanzler hat ein Umsetzungsproblem: Den goldrichtigen Worten folgen keine Taten.

Die Ansagen: Alle richtig

Kerns Polit-Ansagen sind durchwegs richtig – und sprechen den Wählern aus der Seele. Ein „New Deal“ wäre samt Aufschwung wichtig für das Land, mehr Zusammenarbeit statt Streit will jeder – Kern hat Visionen, will die Zukunft gestalten.

Die Umsetzung: Matt

Von jeder Umsetzung seiner schönen Worte ist der neue Kanzler aber weit entfernt. Die ersten Versuche waren dilettantisch: Bei der Asyl-Obergrenze geriet dem Kanzler alles durcheinander.

Das Team: Enttäuschend

Mit ein Grund für die erste Enttäuschung ist das Team, mit dem Kern ins Kanzleramt eingezogen ist. Alle erwarteten ein Team der besten Köpfe – doch Kern kassierte fast nur Absagen. So sitzt er im Kanzleramt derzeit ziemlich alleine – und seine Minister sind Greenhorns.

Regierung: Abgemeldet

Die Folge dieser personellen Schwäche: Die Regierung wirkt auf SPÖ-Seite wie „abgemeldet“ – es regiert die VP: Schelling dominiert das Budget, Kurz ist weiter omnipräsent, Sobotka bestimmt die Asyl-Zahlen – die SPÖ ist nicht zu sehen: Leichtfried ist noch nicht aufgetaucht, Stöger still, Bildungsministerin Hammerschmid erfreut uns mit Sätzen wie: „Es geht ums Wohl der Kinder!“

Die ÖVP verstärkt Druck

Der Regierungspartner hat deshalb das Feuer auf Kern bereits eröffnet. Als Erster hat Wiens VP-Chef Blümel den Rücktritt des 14-Tage-Kanzlers gefordert – Blümel ist der engste Vertraute von Mitterlehner und Kurz.

Die wirklich Mächtigen in der ÖVP – Lopatka, Pröll, Kurz – wollen Neuwahlen, bevor Kern als Kanzler ansatzweise erfolgreich wird.

Die Nagelproben kommen

Vier Gelegenheiten gibt es schon in den nächsten Wochen, bei denen die ÖVP Kern entzaubern will:

Die Wahl des Rechnungshof-Präsidenten kann erstmals eine schwarz-blaue Mehrheit und FPÖ-Kandidatin Helga Berger bringen. Faymann hatte den SPÖ-Mann Steger bereits paktiert – wenn die ÖVP jetzt putscht, einen schwarz-blauen Kandidaten wählt, wäre das ein Bruch des Koalitionsabkommens und ein Fall für Neuwahlen.

Bei der ORF-Wahl könnte der nächste schwarz-blaue Putsch kommen: Grasl statt des roten Wrabetz.

In der Schulreform wird die ÖVP alle Hammerschmid-Vorhaben blockieren …

Und in der Asylfrage wird die ÖVP Ende August auf der Umsetzung der Obergrenze bestehen.

Die Entzauberung Kerns?

Die Frage ist: Wird es der ÖVP damit gelingen, Kern bis Ende August zu entzaubern? Oder schafft Kern die ersten Reformen bei Schule, Wohnen, Aufschwung?

Neuwahl: Wer traut sich?

Klar ist: Aus der Defensive und aus der ÖVP-Blockade kommt Kern nur mit Neuwahlen. Doch die traut sich derzeit weder Kern noch sein Vize Mitterlehner.

Bei Neuwahl: Wer gewinnt?

Im Moment wäre Kern wohl Neuwahlsieger. Strache ist persönlich zu unbeliebt, um als Kanzler voran zu sein.

Mittelfristig spricht alles für Sebastian Kurz – aber wenn Griss antritt, Kern Tritt fasst und die FPÖ Hofer gegen Strache tauscht, ist alles offen …

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel