Achterbahnfahrt

Gregoritsch: "So etwas brauche ich nicht noch einmal"

28.03.2023

Dem Steirer drohte vor dem Siegestor gegen Estland die Sündenbock-Rolle.

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Das EM-Qualifikationsspiel gegen Estland kommt Michael Gregoritsch teuer zu stehen. Der Stürmer kündigte nach dem 2:1 am Montag in Linz an, die gesamte österreichische Fußball-Nationalmannschaft im kommenden Lehrgang im Juni zum Essen einzuladen, als Wiedergutmachung für seinen vergebenen Elfmeter.

Als Elferschütze sei Gregoritsch auch schon gegen Aserbaidschan gemeinsam mit Sabitzer vorgesehen gewesen, verriet Teamchef Rangnick. "Klar gilt die alte Faustregel: Der Gefoulte soll nicht schießen." Gregoritsch hätte nach Spielende aber noch einmal zur Mannschaft gesprochen und dieser versprochen, sie bei der nächsten Zusammenkunft zum Essen einzuladen. "David (Alaba) hat gesagt, das wird teuer." 

Dass Gregoritsch in der 88. Minute das Siegestor erzielte, hatte keine positiven Auswirkungen auf seine Geldbörse, aber zumindest auf seine mentale Verfassung. "Ich bin emotional sehr ausgelaugt, doch überglücklich. Mir ist sehr viel vom Herzen gefallen", sagte Gregoritsch. Der Treffer gegen die Balten sei für ihn "einer der besten Momente in meiner Karriere" und "fast auf eine Ebene mit meinem Tor bei der EM zu stellen". Bei der Endrunde im Jahr 2021 hatte der 28-Jährige beim 3:1 gegen Nordmazedonien zum zwischenzeitlichen 2:1 gescort.

"Vergraben kann ich mich nicht" 

Am Montag aber schien alles gegen den Sohn von U21-Teamchef Werner Gregoritsch zu laufen. In der 17. Minute setzte er den von ihm selbst herausgeholten Strafstoß an die Latte, acht Minuten später geriet das ÖFB-Team in Rückstand - und spätestens ab diesem Zeitpunkt schwante dem Freiburg-Legionär Böses. "Während des Spiels hatte ich schon den einen oder anderen Gedanken, dass es für mich sehr schwer werden könnte, wenn ich das nicht drehe. Das hat mich angetrieben, und Gott sei Dank ist es mir noch gelungen."

Zuvor hatte Gregoritsch all seine acht Elfer in Pflichtspielen verwertet. Der Fehlschuss von Linz hätte beinahe wichtige Punkte auf dem Weg zur EM-Teilnahme gekostet. "Vergraben kann ich mich nicht, aber heute hätte ich es am liebsten gemacht, vor allem nach dem 0:1", gestand der Angreifer, der bereits am Freitag beim 4:1 gegen Aserbaidschan eine ähnliche Erfahrung gemacht hatte. Auch in dieser Partie ließ er beim Stand von 0:0 einen Sitzer aus, schoss dann aber das zwischenzeitliche 2:0.

Ab sofort würde sich Gregoritsch derartige Gefühls-Wechselbäder gerne ersparen. "So etwas brauche ich nicht noch einmal", schnaufte der Deutschland-Legionär und bedankte sich bei Teamchef Ralf Rangnick. "Dass er mich so lange drin gelassen hat, ist keine Selbstverständlichkeit." Gregoritsch sieht seine Comeback-Qualitäten auch als Beleg für einen Reifeprozess. "Vielleicht habe ich mich früher in so einer Situation auch einmal aufgegeben, aber heute war das keine Sekunde ein Thema."

Erleichterung groß

Nicht nur bei Gregoritsch, auch bei seinen Mitspielern war der Erleichterung groß - so etwa bei Assistgeber Christoph Baumgartner. Der Hoffenheim-Profi bezeichnete Gregoritsch als "einen meiner besten Freunde im gesamten Fußball-Geschäft" und meinte über den ÖFB-Siegestorschützen: "Er hat gearbeitet wie ein Schwein. Er straft viele Lügen, die ihn schon oft abgeschrieben haben."

Laut Baumgartner bedeutet der Sieg über die Esten nicht nur für Gregoritsch eine Moralinjektion. "Oftmals sind solche Spiele für eine Mannschaft mehr Wert als ein klarer Sieg. Das Feeling, das man bei einem Torjubel in der 90. Minute hat, ist unbeschreiblich."

Auch der zur Pause eingewechselte David Alaba, der seine erste Partie seit 21. Februar absolvierte, hob den Teambuilding-Gedanken hervor. "Der Sieg hat gezeigt, welchen Charakter, Ehrgeiz und Willen wir haben. So ein Spiel ist sehr wichtig für unsere Weiterentwicklung. Wie wir das Spiel gedreht haben, schweißt uns als Mannschaft noch mehr zusammen", meinte der Kapitän.

Seine Truppe hat die geplanten sechs Punkte aus den ersten beiden Partien eingefahren. Bis zu einer Teilnahme an der EM in Deutschland sei es aber noch ein weiter Weg, betonte Goalie Heinz Lindner. "Wir haben erst zwei Spiele gespielt und müssen die Kirche im Dorf lassen." Der Sion-Legionär stand in beiden Matches im Tor und dürfte sich damit im Rennen um die Entscheidung über die langfristige Nummer eins eine gute Ausgangsposition erarbeitet haben. "Jetzt bin ich vielleicht eine Nasenlänge vorne, aber alle anderen Tormänner sind auch sehr gut", erklärte Lindner.

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