Interview

Berger: "Ein Red Bull wird Weltmeister"

20.10.2010


F1-Legende will sich nicht auf Vettel oder Webber festlegen.

Zur Vollversion des Artikels
© GEPA
Zur Vollversion des Artikels

Frage: Was wird im WM-Titelkampf den Ausschlag geben? Wer wird Weltmeister?
Berger: "Red Bull wird am Ende die Nase vorne haben. Es ist zwar nach den vielen Fehlern nun weniger eindeutig als ich zuvor prophezeit hatte, aber unter dem Strich ist das Auto nach wie vor eine Klasse für sich. Ich bin überzeugt, dass einer der beiden Red-Bull-Fahrer Weltmeister wird."

Frage: Ist es aus ihrer Sicht richtig, dass Red Bull keine interne Stallregie anwendet?
Berger: "Die Philosophie bei Red Bull war immer, die sportliche und nicht die wirtschaftliche Komponente in den Vordergrund zu stellen. Der höchste sportliche Wert in der Formel 1 ist die Fahrer-Weltmeisterschaft. Es würde also nicht zu Red Bull passen, da einzugreifen. Diese Vorgangsweise hat vielmehr sogar bewirkt, dass sie die einzigen sind, die noch zwei Fahrer im Rennen haben."

Frage: Die Konkurrenz, allen voran McLaren, mutmaßt seit Monaten, dass der RB6 nicht legal sein könnte. Ist das fair?
Berger: "Es war immer schon so, dass von den anderen versucht wurde ein überlegenes Auto als illegal hinzustellen. Es ist aber nicht gut wenn man so etwas in die Diskussion bringt, aber keine Fakten dazu liefert. Bewegliche Teile gibt es nun mal in der Formel 1. Aber es gibt auch eine Kontrolle und wer die besteht, ist korrekt. Alles andere ist billige Politik."

Frage: Hat Adrian Newey mit dem "Wunderauto" RB6 das Reglement also perfekt ausgereizt?
 Berger: "Newey ist mit Abstand der beste Mann in der Formel 1. Er hat die besten Aerodynamik-Kenntnisse und die Aerodynamik ist eben der dominierende Teil in diesem Geschäft. Deshalb ist dieses Auto ja eine Klasse für sich. Aber nicht weil sich irgendwo was verwindet, sondern wegen der Summe von Details, die er perfekt hingebracht hat. Die Flügel, der Unterboden, die Nutzung der Auspuffgase, dass der Wagen hinten sehr hoch und vorne sehr niedrig ist. Das Zusammenspiel macht es aus, dass das Auto fast eine Sekunde schneller ist. Dass Red Bull nicht noch weiter vorne ist, beruht lediglich auf gemachten Fehlern."

Frage: Ist es vielleicht sogar das überlegendste Auto der Formel-1-Geschichte?
Berger: "Nein. Aber in den letzten 20 Jahren hat die meisten überlegenen Autos sicher Newey gebaut."

Frage: Hat Newey das Reglement sogar überausgereizt?
Berger: "Das ist doch im ganzen Leben so. Auch bei der Steuererklärungen denkst du über jede vom Gesetzgeber vergessene Einschränkung nach. Es ist nun mal die Aufgabe der Techniker, neue Maßstäbe zu setzen. Genies setzen sie dorthin, wo die Natur oder die Physik bisher nicht genutzt worden ist."

Frage: Wie sind ihrer Meinung nach die WM-Chancen verteilt?
Berger: "Der einzige, der den beiden Red-Bull-Fahrern wirklich in die Suppe spucken kann, ist Fernando Alonso. Er ist fahrerisch sicher der Stärkste vor Lewis Hamilton, Vettel und Webber. Wie lustig, dass es vom WM-Punktestand und der Klasse des Materials her genau umgekehrt ist."

Frage: Was sollte Webber tun, um Weltmeister zu werden?
Berger: "Die Rollen sind ziemlich genau vergeben. Webber muss konservativ Punkte sammeln, Alonso und Hamilton voll auf Angriff fahren. Vettel ist genau dazwischen. Webber würden zweite Plätze reichen. Diese Taktik muss er erst ändern, wenn er einen Ausfall hat. Derzeit muss er nur das machen, was notwendig ist. Die anderen müssen gewinnen und gewinnen müssen, ist schwer."

Frage: Wäre Webber ein würdiger Weltmeister?
Berger: "Absolut. Er war war schon immer ein sensationeller Qualifyer, auch in schlechten Autos. Zudem ist er sehr gereift. Er wittert nun seine Chance und hat die Ellbogen ausgefahren."

Frage: Und Vettel? Warum hat er zwischendurch so viele Fehler gemacht?
Berger: "Sebastians Ansprüche sind sehr hoch. Er will gewinnen und Weltmeister werden. Er hat halt ein bissl übersehen, dass er nun in einer Liga mit Piloten fährt, die extrem stark sind, die bei jedem Fehler zurückbeißen und jede Situation für sich nützen. Dazu kommt sein persönlicher Erwartungsdruck und der von außen. Da war er zwischendurch halt irritiert. Aber wenn er einmal Weltmeister wird, ist er so viel entspannter, dass er danach um einiges stärker sein wird. Er hat das Zeug für einen Mehrfach-Weltmeister.

Frage: Ist Vettel also ihr WM-Favorit?
Berger: "Er ist fast mein Favorit. Er hat das beste Auto und fährt schneller als Webber."

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel