Radsport

Cadel Evans gewinnt die Tour de France

24.07.2011

Der Australier ist ältester Tour-Sieger der Nachkriegszeit.

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© Reuters
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Cadel Evans hat am Sonntag die 98. Tour de France in Paris als Gesamtsieger beendet und damit nach zweiten Plätzen in den Jahren 2007 und 2008 sein großes Ziel erreicht. Der Rad-Straßen-Weltmeister von 2009, der erst am Vortag nach starker Leistung im Einzelzeitfahren ins Gelbe Trikot geschlüpft war, hatte nach 21 Etappen und mehr als 3.400 Kilometern in der Schlusswertung 1:34 Minuten Vorsprung auf den Luxemburger Andy Schleck, der damit zum dritten Mal in Folge auf dem Ehrenplatz landete, und 2:30 auf dessen Bruder Fränk Schleck.

Der letzte Abschnitt von Creteil nach Paris (95 km) wurde auf den Champs Elysees im Massensprint eine Beute des Briten Mark Cavendish, der zum dritten Mal in Folge auf der 21. und letzten Etappe triumphierte und sich erstmals das Grüne Trikot des Punktebesten sicherte. Sein HTC-Highroad-Team, in dem der Steirer Bernhard Eisel als Kapitän fungierte, fuhr insgesamt sechs Siege ein, fünf durch Cavendish und einen Erfolg durch den Deutschen Tony Martin im Zeitfahren.



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Vom "Zauderer" zum Tour-de-France-Sieger

Er galt als Zauderer, Pechvogel und "Ewiger Zweiter". Doch der nach dem Gewinn des Weltmeistertitels 2009 immens gewachsene Cadel Evans hat sich doch noch im bedeutendsten Radrennen der Welt durchgesetzt. Nach zweiten Plätzen 2007 und 2008 feierte der 34-Jährige seinen wichtigsten Erfolg: Evans durfte sich am Sonntag in Paris als erster australischer Gesamtsieger der Tour de France feiern lassen.

Zehn Jahre bis zum Sieg
Zehn Jahre lagen zwischen dem ersten Sieg des Ex-Mountainbikers in einem UCI-Straßenrennen und dem Triumph auf den Champs Elysees. Die Premiere gelang in Österreich, am 14. Juni 2001 ließ Evans auf dem Kitzbüheler Horn alle Rivalen hinter sich und gewann auch die Gesamtwertung der Rundfahrt. Am Sonntag war er nach vielen Rückschlägen am Ziel. Der "Clown mit dem traurigen Gesicht", wie ihn die Sportzeitung "L'Equipe" nannte, hatte allen Grund zu lachen.

Großer Jubel in Australien
Auch in seiner Heimat war der Jubel groß. "Ich bin sicher, die Einwohner von Victoria werden ihre Unterstützung für Cadel Evans zeigen wollen. Ich lade alle Einwohner von Victoria ein, ein bisschen Gelb zu tragen", sagte der Premier des Bundesstaates, Ted Ballieu. Victorias Sportminister Hugh Delahunty forderte Arbeitgeber zur Nachsicht auf, falls Angestellte wegen ihrer "Nachtschichten" beim Radsport vor dem TV-Gerät zu spät kommen sollten.

Individualist
Evans, am 14. Februar 1977 im Northern Territory geboren, gilt als "Individualist", der sich in relativ schwachen Mannschaften gegen Gegner mit viel stärkeren Helfern stets ein bisschen mehr ins Zeug legen musste. An Niederlagen hatte sich der während der Saison im Tessin lebende "Aussie" gewöhnt: Unter den vielen zweiten Plätzen ragen die Jahre 2007 und 2008 heraus, als er in der Tour - 2008 gegen den Spanier Carlos Sastre sogar als großer Favorit - jeweils den Ehrenplatz belegte. Evans hat zwar als einer von wenigen Fahrern Führungstrikots in allen drei großen Rundfahrten (Tour, Giro d'Italia, Vuelta a Espana) und das Regenbogentrikot des Weltmeisters getragen, zumindest ein schwacher Tag verhinderte aber in früheren Jahren immer einen Erfolg in einem dreiwöchigen Rennen.

Oft kritisiert
"Ich habe viel Kritik kassiert in den vergangenen Jahren", sagte Evans, der wegen seiner vorsichtigen Art schon als "Hinterradlutscher" verspottet worden war. Doch der Gewinn des WM-Titels in Mendrisio, nahe seiner Schweizer Wahlheimat, hat ihm viel Vertrauen in seine Stärke gegeben. Zudem hat er bei BMC nun ein stärkeres Team zur Seite. Bei seinem Coup von Grenoble im Zeitfahren am Samstag attackierte er die Brüder Schleck und bewahrte - wie in den Alpen, als er nach Attacken der Konkurrenz und eigenen Defekten ins Hintertreffen geraten war - zugleich die Nerven. "Diese Situation war ja nicht neu für mich", erklärte er.

Mit italienischer Pianistin verheiratet
Nach dem Zeitfahren vermochte der mit einer italienischen Pianistin verheiratete Evans seine Emotionen nicht mehr im Zaum zu halten. Bei der Siegerehrung hatte er ebenso Tränen in den Augen wie später im Gedenken an seinen italienischen Langzeit-Coach Aldo Sassi, der im Vorjahr gestorben war. "Er hat mir immer gesagt, dass ich die Tour gewinnen kann. Heute für ihn hier zu sein..."

Erst 1991 zum ersten Mal Tour im TV gesehen
Sassi hatte aus Evans einen Straßenradprofi geformt, nachdem dieser zuvor Erfolge im Mountainbike gefeierte hatte. Evans wuchs in dem Aborigines-Städtchen Katherine auf. "Wir hatten keinen Fernseher, also dauerte es bis 1991, bis ich zum ersten Mal Bilder der Tour de France gesehen habe", erzählte Evans. Heute engagiert er sich selbst für Projekte zugunsten der Aborigines und unterstützt die Bewegung "Free Tibet". Seine italienische Frau Chiara hat ihm eine Patenschaft für ein tibetanisches Kind geschenkt, das in Nepal aufwächst, und das Paar hat den Buben auch schon in Kathmandu besucht.

Ältester Tour-Sieger der Nachkriegszeit
Dass Evans selbst Hauptdarsteller in Frankreich sein würde und als ältester Tour-Sieger der Nachkriegszeit in die Historie eingeht, hatte lange niemand für möglich gehalten. Obwohl talentiert und fleißig, galt er als "Bruchpilot". 2004 strich sein Team Telekom ihn aus dem Tour-Kader, weil er nach Ansicht der Mannschaftsleitung wegen seines Fahrstils eine Gefahr für die Teamkollegen sei. Im Jahr zuvor hatte er sich bei Stürzen dreimal das Schlüsselbein gebrochen.

Kein Doping
Bei Dopingtests und den diversen Affären ist Evans nie aufgefallen. Doch auf eine Frage nach Doping und ob er Galionsfigur eines sauberen Sports sei, wiegelte er am Samstag entschieden und zur Überraschung der Reporter ab. "Ich bin der Falsche, darüber zu reden", meinte Evans.

Für BMC-Rennstall-Chef John Lelangue und Team-Besitzer Andy Rihs ist Evans' Erfolg der erste in der Tour de France - 2006 war ihrem damaligen Phonak-Teammitglied Foyd Landis (USA) nachträglich der Sieg wegen Dopings aberkannt worden.

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