Flugzeug-Crash im Iran

176 Tote: Jet-Drama wird zum Polit-Krimi

08.01.2020

Die Ukraine spricht nicht mehr länger von einem Triebwerksversagen als Absturzursache – Alle Infos zur Flugzeug-Tragödie und zum Iran-US-Konflikt gibt es HIER im oe24-Live-Ticker.

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Teheran/Kiew. Nach dem Flugzeugabsturz einer ukrainischen Passagiermaschine im Iran mit 176 Toten distanziert sich die Ukraine von ihrer anfänglichen Erklärung zur Absturzursache, einem Triebwerksdefekt. Die ukrainische Botschaft im Iran zog am Mittwoch eine erste Stellungnahme dazu zurück und veröffentlichte eine zweite. Darin hieß es, die Ursachen des Absturzes seien nicht ermittelt.
 

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Frühere Einschätzungen dazu seien nicht offiziell gewesen. In der ersten Stellungnahme war noch von Triebwerksversagen die Rede gewesen und "Terrorismus" als Ursache ausgeschlossen worden. Als der ukrainische Ministerpräsident Oleksij Hontscharuk in Kiew von Journalisten gefragt wurde, ob das Flugzeug von einer Rakete abgeschossen worden sein könnte, warnte dieser daraufhin vor Spekulationen, bevor die Ergebnisse einer Untersuchung bekannt seien. Hontscharuk sagte zudem, Flüge ukrainischer Maschinen durch den iranischen Luftraum seien ab Donnerstag verboten.

 
 
Iranischen Medien zufolge stürzte die Maschine des US-Herstellers Boeing kurz nach dem Start am internationalen Flughafen von Teheran auf einem Feld nahe der Stadt Parand ab. Die Maschine sei nach dem Aufprall in Flammen aufgegangen. Vom Staatsfernsehen verbreitete Aufnahmen zeigten allerdings das bereits brennende Flugzeug während des Absturzes.
 

Iran will Blackbox nicht aushändigen

Iranische Experten der Luftfahrtbehörde untersuchen inzwischen die zwei Black Boxes der am Mittwoch bei Teheran abgestürzten ukrainischen Passagiermaschine. Nachdem die beiden Flugschreiber gefunden wurden, könnten die Experten nun die Absturzursache effektiver untersuchen, so die Nachrichtenagentur ISNA. Die Staatsanwaltschaft in Teheran bestätigte, dass sich die Überreste der Opfer mittlerweile in der Gerichtsmedizin befinden. Iranischen Staatsmedien zufolge waren 15 der Passagiere Kinder.
 
Laut "Bild"-Informationen soll sich das Mullah-Regime jedoch weigern  die Blackbox der abgestürzten Maschine an Boeing auszuhändigen. Es soll auch nur ein einziger ukrainischer Experte an den Untersuchungen beteiligt sein.
 
© AFP
 
Die Fluggesellschaft Ukraine International Airlines machte inzwischen erste Angaben zur Maschine. "Es war eines unserer besten Flugzeuge, mit einer ausgezeichneten zuverlässigen Mannschaft", betonte der Präsident des Unternehmens, Jewgeni Dychne, sichtlich bewegt am Mittwoch in Kiew. Spekulationen, wonach ein Zusammenhang zwischen dem Flugzeugabsturz und den iranischen Raketenangriffen auf Militärstützpunkte im Irak wenige Stunden vor dem Vorfall bestehen könnte, wollte Dychne nicht kommentieren. Zu Nachfragen zu Berichten über einen angeblichen Defekt des Motors sagte Dychne, er werde sich nicht an der Diskussion "reiner Hypothesen" beteiligen.
 

Iran spricht von "technischen Schwierigkeiten"

Ein Sprecher des internationalen Flughafens in Teheran hatte kurz nach dem Unglück erklärt, mutmaßlich "technische Schwierigkeiten" hätten zu dem Absturz geführt. Auch die ukrainische Botschaft in Teheran hatte auf ihrer Website zunächst von einem technischen Defekt geschrieben und einen "Terrorakt" nach ersten Erkenntnissen ausgeschlossen. Danach hieß es, alle Informationen würden zu einem späteren Zeitpunkt durch eine offizielle Kommission veröffentlicht.
 
Den Angaben nach hatte die Maschine nach dem Start bereits eine Höhe von 2.400 Metern erreicht. "Die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler der Besatzung ist minimal", betonte der Vizepräsident der Fluggesellschaft Igor Sosnowski. "Wir ziehen das schlichtweg nicht in Betracht", sagte er. Die Boeing des Typs 737-800 NG sei 2016 neu an die Ukrainer ausgeliefert worden. Erst am Montag hätte das Flugzeug eine reguläre technische Überprüfung ohne Probleme absolviert.
 
Der Luftverkehrsexperte Stephen Wright von der Universität Tampere in Finnland sagte, er halte einen Abschuss der Boeing-Maschine für unwahrscheinlich. Das Flugzeug sei nach oben und in die richtige Richtung geflogen. Dies bedeute, "dass etwas Katastrophales geschehen sein muss". Wright zufolge könne eine "Bombe" an Bord oder "eine katastrophale Panne im Flugzeug" ursächlich für den Absturz gewesen sein.
 
Der ukrainische Außenminister Vadym Prystaiko berichtete am Mittwoch, er habe mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammed Javad Zarif gesprochen. "Wir haben uns darauf geeinigt, die weiteren Aktionen unserer Ermittlungsgruppen eng zu koordinieren, um die Ursache für den schrecklichen Flugzeugabsturz zu ermitteln", schrieb er auf Twitter.
 
Russlands Präsident Wladimir Putin sprach den Angehörigen sein Beileid aus. In einem Beileidstelegramm an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinen iranischen Kollegen Hassan Rouhani habe Putin sein Mitgefühl ausgedrückt, teilte der Kreml am Mittwoch in Moskau mit. "Russland teilt die Trauer", hieß es darin. Auch der Papst kondolierte, in einem Beileidstelegramm schrieb Franziskus, er habe "mit tiefer Trauer" von dem Unglück gehört. Er denke an die Familien und Freunde, hieß es in der Mitteilung des Vatikans am Mittwoch. Der Papst wünschte allen Betroffenen Stärke und den Segen Gottes.
 
In der Ukraine weckte der Absturz Erinnerungen an den Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 2014 über der Ostukraine. Damals wurden 298 Menschen unter bis heute nicht völlig geklärten Umständen durch eine Luftabwehrrakete plötzlich in den Tod gerissen.
 
 

US-Truppen auch in Syrien in erhöhter Alarmbereitschaft

Die in Syrien stationierten US-Soldaten und ihre kurdischen Verbündeten sind nach dem Raketenangriff im benachbarten Irak nach Angaben von Aktivisten in erhöhter Alarmbereitschaft. US-Soldaten würden verstärkt in der syrischen Provinz Deir ez-Zor im Osten des Landes patrouillieren, die an den Irak grenzt, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch mit.
 
© APA
 
Auch Kämpfer der von Kurdenmilizen angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) seien dort mit gepanzerten Fahrzeugen unterwegs und mit Raketenwerfern bewaffnet, hieß es. Am Himmel seien in der Gegend zudem durchgehend Drohnen der USA sichtbar.
 
Die USA hatten Anfang Oktober überraschend den Abzug der in Nordsyrien stationierten Truppen angekündigt. Über die genaue Zahl der im Land verbleibenden US-Soldaten macht das Pentagon keine Angaben. Im ganzen Land sind es nach Schätzungen der Beobachtungsstelle für Menschenrechte derzeit "einige Hundert".
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