Kernschmelze

AKWs um Österreich nicht sicher

28.03.2011

Alarm um Sicherheitssysteme bei grenznahen Reaktoren.

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© Reuters
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Umweltschützer schlagen jetzt Alarm. 16 der insgesamt 24 grenznahen Reaktoren sind für eine Kernschmelze nicht ausreichend gerüstet.

"Zwei Drittel der Reaktoren um Österreich herum würden eine Kernschmelze nicht aushalten." Mit dieser Aussage schockt "Global 2000"-Sprecher Reinhard Urig.

In Europa stehen 146 Atom-Reaktoren, 24 davon im Radius von 180 Kilometern Entfernung zu Österreichs Grenze entfernt. Fakt ist: 14 dieser Atom-Reaktoren haben gar keinen Sicherheitsbehälter ("Containment" ), der im Falle einer Kernschmelze die hochgiftige Masse von der Umwelt abschirmen würde. Zwei der Reaktoren verfügen über ein – nicht ausreichendes – Containment. Und zwei Reaktoren werden gerade gebaut – ebenfalls ohne Auffangbecken.

Das sind die grenznahen Hochrisikoreaktoren:

  • Paks. Entfernung: 150 km, 4 Risiko-Reaktoren.
  • Dukovany. Entfernung: 100 km, 4 Risiko-Reaktoren.
  • Krsko. Entfernung: 90 km, 1 Risiko-Reaktor.
  • Isar 1. Entfernung: 100 km, 1 Risiko-Reaktor.
  • Philipsburg. Entfernung: 180 km, 1 Risiko-Reaktor.
  • Neckarwestheim. Entfernung: 190 km, 1 Risiko-Reaktor.
  • Bohunice. Entfernung 120 km, 2 Risikoreaktoren.
  • Mochovce. Enfernung 200 km, 2 Risikoreaktoren.Zwei weitere Reaktoren, ebenfalls ohne Containment, sind in Bau.

In einem 4-Punkte-Plan fordern nun die Grünen die Stilllegung jener grenznahen AKWs, die durch Erdbeben oder fehlendes Containment besonders gefährdet sind. Bereits im April findet in Wien eine Anti-Atom-Konferenz statt, bei der die nächsten Schritte beschlossen werden sollen.
 

Das passiert bei einer Kernschmelze

Der Ausfall der Reaktorkühlung in Fukushima hat verheerende Konsequenzen für Umwelt und Menschen.

Super-GAU
Zu einer Kernschmelze kommt es, wenn die Brennstäbe im Reaktorkern nicht mehr genügend gekühlt werden können. Bei Temperaturen um die 3.000 Grad frisst sich die geschmolzene Masse durch den Reaktorboden nach außen.

Strahlende Partikel und radioaktiver Dampf kontaminieren Erdreich, Wasser und Luft. Vor allem Jod, Plutonium, Cäsium und Strontium vergiften Mensch und Umwelt über Jahrhunderte.

Mehr zur gefährlichen Situation in Fukushima lesen sie auf der nächsten Seite.

Kernschmelze in Reaktor 2 & 3

Japan gibt eine Kernschmelze im AKW Fukushima zu. Die Krise wird mit immer extremeren Strahlendosen unbewältigbar.

Die Lage in Japans Fukushima-AKW wird immer brenzliger: Erstmals gab die Regierung zu, dass es im Reaktor zwei zu einer Kernschmelze kam. Im Wasser rund um den außer Kontrolle geratenen Reaktor wurde 100.000-fach überhöhte Radioaktivität gemessen. Es ist die höchste registrierte Dosis in dem nun fast zweieinhalb Wochen andauernden Drama.

Die gemessenen Werte von 1.000 Millisievert pro Stunde liegen 50-mal über der für Kraftwerksarbeiter zulässigen Jahresdosis (!). Unter diesen extremen Bedingungen können die Fukushima-Helden bloß wenige Minuten nahe den GAU-Meilern verbringen. Dabei ist Reaktor 2 der einzige der vier Havarie-Blöcke, bei dem das Gebäude durch Explosionen bisher nicht zerstört wurde. Internationale Experten sind sich sicher: Es gibt Teilschmelzen der Kernbrennstäbe in den Reaktoren 1 bis 3 sowie bei ausgelagerten Brennelementen in Nr. 4. "Die Lage ist sehr ernst", räumt Risikoforscher Roman Lahodynsky im Gespräch mit ÖSTERREICH ein.

Bei Reaktor 3 hoch­giftiges Plutonium entdeckt
Am Montagabend kam die nächste Horrornachricht: In der Nähe des Reaktors 3 wurde im Erdreich Plutonium an mindestens fünf Stellen nachgewiesen. Das könnte eine weitere Kernschmelze beweisen.

Immer planloser agiert der Kraftwerksbetreiber Tepco: Manager mussten zugeben, dass sie keinen Plan hätten, wie die Lage unter Kontrolle zu bringen sei, die GAU-Meiler könnten "für Jahre weiterstrahlen". Selbst den stoischen Japanern reißt der Geduldsfaden: Atomgegner protestierten in Tokio gegen den Murks. Japan alleine könne die Katastrophe "nicht bewältigen", warnte US-Uni-Professor Najmedin Meshkati: "Die UNO muss eingeschaltet werden – dieser Fall ist ernster als Libyen."

Die Behörden warnten Anrainer, die illegal in die 19-km-Evakuierungszone zurückkehrten, vor "extrem hohen Gesundheitsrisiken". Alarmierend auch neue Messungen des Meerwassers vor der Küste: Radioaktives Jod-131 erreichte nahe den weiteren Reaktorblöcken 5 und 6 1.150-mal überhöhte Werte. Das neue Horrorszenario: Tritt auch aus diesen, bisher als stabil beschriebenen Blöcken verseuchtes Wasser aus?

Auch der Skandal im Vorfeld der Katastrophe weitet sich aus: Tepco hatte jahrzehntelang die Gefahren durch Flutwellen ignoriert, bis 2006 kam das Wort Tsunami in Studien nicht einmal vor. Zuletzt war von einem Worst-Case-Szenario einer 5,4 Meter hohen Flutwelle die Rede, tatsächlich prallte ein 13 m hoher Tsunami am 11. März gegen das AKW. Vergeblich hatte ein Geologe vor zwei Jahren gewarnt, dass im Jahr 869 ein ähnlich verheerender Tsunami die Fukushima-Region heimsuchte.
 

Erstes Interview mit Helden von Fukushima: "Kämpfen gegen einen 
Feind"

Sunday Telegraph: Herr Fukudome, wie erlebten Sie den ersten Einsatz im Atomkraftwerk Fukushima nach dem Tsunami?
Kazuhiko Fukudome: Während der Fahrt zum Kraftwerk war es still, jeder war in Gedanken versunken. Wir sind zwar gut ausgebildet, doch das war ein unbekannter Feind.

Sunday Telegraph: Wussten Sie da, was auf Sie zukommen würde?
Fukudome: Nein, alles war stockdunkel, als wir mitten in der Nacht in ­Fukushima ankamen. Es war viel schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte.

Sunday Telegraph: Was genau sahen Sie, als Sie dort ankamen?
Fukudome: Rauch und Dampf schossen aus Reaktor 3. Unpassierbare Straßen, überall herausgesprengte Betonblöcke, Chaos und Verwüstung.

Sunday Times: Was war Ihr erster Einsatzbefehl?
Fukudome: Wir mussten sofort damit beginnen, Meerwasser in den Reaktor zu pumpen.

Sunday Times: Wie haben Sie das gemeistert, hatten Sie keine Angst?
Fukudome: Wir feuerten uns gegenseitig an. Nach einer Stunde hatten wir dann jeweils zwei Stunden Pause, um die Risiken einer Verstrahlung zu minimieren. Die verbringen wir ­alle in einem sicheren ­Gebäude im Zentrum des Kraftwerks.

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