Ukraine

ÖSTERREICH in Janukowitschs Protz-Palast

23.02.2014

Ex-Präsident hat sich abgesetzt. ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl war im Prachtbau des Despoten.

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© TZ ÖSTERREICH/Wendl
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Seine Flucht war hektisch: Mit zwei Lasterwagen vollgestopft mit eilig zusammengerafften Papieren, Wertgegenständen und vermutlich 650 Millionen Dollar in bar setze sich Viktor Janukowitsch Freitagnacht aus seiner Prunk-Residenz Meschiguirja ab. Wohin? Niemand weiß es derzeit. Fest steht nur, dass er Sonntag  früh mit einem Privatjet das Land verlassen wollte  - mit unbekanntem Flugziel. Dubai? Moskau?  Die Fluglosten verweigerten allerdings die Starterlaubnis, der Jet musste auf der Rollbahn wenden. Janukowitsch rauschte in einer gepanzerten Limousine weg. Wahrscheinlich versteckt er sich in einem Bunker: "Sollten wir ihn erwischen", sagt Andrey Parubiy, Chef der Maidan-Schutzeinheiten zu ÖSTERREICH, "werden wir ihn vor ein Gericht stellen und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anklagen".

Sein Luxusanwesen 20 Kilometer außerhalb von Kiew, ist inzwischen zu einem der meistbesuchten Orte in der Ukraine geworden, die Demonstranten haben es eingenommen.

Ich, der ÖSTERREICH-Reporter, war dort und staunte fassungslos. Vieles habe ich bisher gesehen: Die Paläste Saddam Husseins, die Residenz von Muammar Gaddafi in Tripolis mit kilometerlangen Bunkeranlagen und einem Vergnügungspark mit Ringelspiel und Rutschen, eine Art arabisches Neverland.

Goldthron als Toilette
Die Janukowitsch Herberge übertrifft aber alles. Zehntausende strömen am Sonntag von Kiew in die Ortschaft Novvi Petrivci. Die Straße ist ein einziger, durchgehender Stau. Was die Menschen zu sehen bekommen, lässt ihren Atem stocken.  Janukowitsch ließ sich einen Protzbau der Sonderklasse errichten: Das Areal ist eine mehrere Hektar große Parkanlage, mächtiger als Schönbrunn, liegt an einem See von der Dimension des Faakersees. An der eigenen Schiffsanlegestelle eine Megayacht mit jedem nur erdenklichem Luxus. Das Hauptgebäude ist in den falsch ansteigenden Hang gebaut, thront wie eine Festung über dem See. Vom Ufer  heraufführend  imperiale Treppen, Lust-Pavillons, ein Zauberwald, der Nachbau einer antiken römischen Palastanlage.  Die Villa selbst ist eine architektonisch völlig geschmacklose Mischung aus gigantischer russischer Datscha und italienischem Palazzo. Sie hat Dutzende Badezimer, die Armaturen sind vergoldet, ebenso die Toiletten. Seine eigene Toilette ließ sich Janukowitsch als mächtigen Thron bauen, mit feinem, güldenen Mosaiksteinchen drauf.

In allen Räumen schwere Kristallluster, Bilder, zentimeterdicke Teppiche- kein durchgehender Stil, aber sündteuer. Vor der Residenz drei riesige Zierteiche, mehrere Tennisplätze, daneben ein drei-Loch-Golfplatz, ein Gewächshaus, rund ein Dutzend Nebenhäuser, eine Straußenfarm, ein kleiner Zoo mit Wildschweinen, Hubschrauberlandeplätze. Die beiden Helis des Präsidenten sind weg.

Schockiert von alle dem Protz
„Ich habe das nicht für möglich gehalten. Hier hat er sein Versailles errichtet“, ist Ludmilla, 72, eine Pensionistin aus Kiew, die mit ihrer Tochter und ihren Enkeln gekommen ist, überwältigt.

Wie tausende andere auch schiebt sie sich mit ihren Enkeln langsam in Dreireihen durch den Park, alle achten peinlich darauf, dass sie nichts zertrampeln. Trotz unbändiger Wut legen die Besucher eine Disziplin an den Tag, die einzigartig ist. Es wird nicht geplündert, nicht getrampelt, sie drücken ihre Nasen an die Panzerglasscheiben der Villa, sind sprach- und fassungslos: "Das ist der Sitz eines größenwahnsinnigen Mafiapaten", schimpfen sie. Igor, ein Architekt aus Lemberg ist 600 Kilometer mit seiner Familie angereist, nur um diesen bizarren Luxus zu sehen: "Jetzt wissen wir, wo unser Geld versickert ist. Weder Jelzin, noch Gorbatschow, noch sonstwer, hat so residiert". Zusatz: "Wenn wir ihn erwischen, führen wir ihn über den Maidan-Platz".

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