Libyen

Reporterin: Ich saß in Gaddafis Flieger

20.11.2011

Marie-Louise Gumuchian war bei Saifs Verhaftung als einzige Journalistin dabei.

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© Reuters
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Wenige Stunden nach der Verhaftung : Gaddafi-Sohn Saif el Islam (zu Deutsch: Schwert des Islam) sitzt in Tuareg-Kleidung und mit verbundenen Fingern im Laderaum des Fliegers, rund um ihm jene Rebellen, die ihn in der Wüste aufgespürt hatten. Mittendrinnen die zierliche Reuters-Journalistin Marie-Louise Gumuchian. Ihr gelang ein Coup, um den sie viele beneiden: Als einzige Journalistin durfte sie den 90-minütigen Transport nach Sintan begleiten.

Protokoll
Die stolzen Libyer schildern ihr, wie sie Gaddafis Lieblingssohn mitten in der Nacht in der Sahara fanden. Das Protokoll der „sanften“ Gefangennahme: „Am Anfang war er völlig verängstigt“, beschreibt Ahmed Ammar, einer der Helden. „Er dachte, wir würden ihn töten. Aber wir haben freundlich mit ihm gesprochen, sodass er lockerer wurde.“

Wochenlang suchten die Rebellen Saif in der Sahara, dann kam der entscheidende Hinweis: Eine kleine Gruppe Gaddafi-Getreuer sei auf dem Weg nach Obari. Mit Warnschüssen hielten sie den Konvoi an.

„Wer sind Sie?“, fragte der Kommandeur der Gruppe den offensichtlich wichtigsten Mann im Auto. „Abdelsalam“, antwortete dieser. Ein häufiger Name, der auf Arabisch „Bote des Friedens“ heißt. Ammar sagte: „Ich weiß, wer du bist, ich kenne dich.“ Es war tatsächlich Saif, Muhammer Gaddafis Lieblingssohn.

In den Geländewagen des Gaddafi-Konvois fanden die Rebellen Kalaschnikows sowie 4000 Dollar in bar – „Peanuts“ für einen Gaddafi. Wahrscheinlich war Saif auf dem Weg über die Grenze nach Niger.

Ruhiger Saif
Im Laderaum des Flugzeugs saß er später die meiste Zeit schweigsam da, wirkte in Gedanken versunken – beschreibt die Journalistin. Ab und zu redete er auch mit seinen Bewachern, ließ sich sogar fotografieren. Auf die Frage der Journalistin, ob es ihm gut gehe, antwortet er knapp: „Ja.“

Fotos zeigen: Drei Finger waren dick bandagiert. Sie sollen ihm aber nicht abgeschnitten, sondern durch eine Granate verletzt worden sein.



So geht es weiter


Eines steht seit gestern fest: Die Libyer werden Gaddafis Lieblingssohn Saif (39) nicht an den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausliefern. Die Truppen des libyschen Übergangsrates wollen Gaddafi junior zunächst in ihrer Gewalt in der Rebellenhochburg Sintan behalten, bis ein Gerichtssystem in Libyen aufgebaut ist.

Der libysche Übergangs-Ministerpräsident Abdul Raheem al-Keeb hatte am Wochenende versichert, dass Saif einen „fairer Prozess“ im Einklang mit internationalen Gesetzen bekommt. In Den Haag würde Saif bei einer Verurteilung eine lebenslange Haft erwarten. In Libyen droht ihm die Todesstrafe.

(ida)
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