"Gas der Schande"

Massaker bei Kiew lässt Ruf nach Gasembargo lauter werden

03.04.2022

''Es muss eine Reaktion geben. Solche Verbrechen dürfen nicht unbeantwortet bleiben'', sagte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Sonntag der ARD. 

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Paris. Die sozialistische Präsidentschaftskandidatin in Frankreich, Anne Hildalgo, hat ein Einfuhrstopp für russisches Erdgas verlangt. "Lassen Sie uns einfach aufhören dieses Gas der Schande zu bezahlen", forderte Hidalgo am Sonntag bei einem Wahlkampfauftritt in Paris. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland müssten verschärft und Kremlchef Wladimir Putin zur Vernunft und zu Verhandlungen gebracht werden.

Frankreich setzt seit langem auf Atomkraft und ist weniger von russischen Energielieferungen abhängig als Österreich oder Deutschland. "Ich möchte, dass die Republik die Republik bleibt, aber ihr Versprechen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit besser einlöst", verlangte die in den Umfragen abgeschlagene Hidalgo eine Woche vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl. Angesichts der mit dem Ukraine-Krieg verbundenen Preissteigerungen stellte Hidalgo für den Fall einer Wahl in das höchste Staatsamt Erhöhungen der Gehälter, der Pensionen und des Mindestlohns in Aussicht. Zugleich sprach sie sich gegen das Vorhaben von Präsident Emmanuel Macron aus, das Pensionsalter von 62 auf 65 Jahre zu erhöhen.

Massaker bei Kiew lässt Ruf nach Gasembargo lauter werden

Das Massaker im Kiewer Vorort Butscha lässt den Ruf nach einem Gasembargo gegen Russland lauter werden. "Es muss eine Reaktion geben. Solche Verbrechen dürfen nicht unbeantwortet bleiben", sagte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Sonntag der ARD. EU-Ratspräsident Charles Michel kündigte neue Sanktionen an. Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von "Völkermord" sprach, bezeichnete Moskau die Leichenbilder aus Butscha als "Provokation".

Butscha zählt zu den Orten rund um Kiew, die in den vergangenen Tagen von der ukrainischen Armee befreit worden waren. Fast 300 Leichen wurden dort nach dem russischen Abzug gefunden, hieß es von den Behörden. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, dass zahlreiche Toten zivile Kleidung getragen hätten. Sie sahen auf einer einzigen Straße in Butscha mindestens 20 Leichen liegen. Mindestens einem der Toten waren die Hände gefesselt.

Russland stellte Tötungen in Abrede

Russland stellte wenig überraschend die Verantwortung für die Tötungen in Abrede. Jegliches von der Ukraine veröffentlichte Bild-und Filmmaterial in diesem Zusammenhang stelle eine Provokation dar, meldete die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Alle russischen Einheiten hätten Butscha am 30. März verlassen, meldete Interfax.

"Das ist Völkermord. Die Auslöschung einer Nation und seines Volkes", sagte dagegen der ukrainische Präsident Selenskyj. Er forderte im US-Sender CBS, dass "alle Verantwortlichen, einschließlich der Befehlshaber, bestraft werden müssen". Der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba sprach von einem "absichtlichen Massaker" und forderte weitere Sanktionen. "Die Russen wollen so viele Ukrainer wie möglich vernichten", schrieb er im Onlinedienst Twitter.

Fedoruk: "Mit Schuss in Hinterkopf getötet"

"Alle diese Menschen wurden erschossen", sagte Bürgermeister Anatoly Fedoruk. "Sie haben sie mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet." Es stünden Autos auf den Straßen, in denen "ganze Familien getötet wurden: Kinder, Frauen, Großmütter, Männer". Nach Angaben des Bürgermeisters mussten 280 Menschen in Butscha in Massengräbern beigesetzt werden, da die drei städtischen Friedhöfe noch in Reichweite des russischen Militärs lagen.

Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" (HRW) dokumentierte nach eigenen Angaben eine Reihe "offenkundiger Kriegsverbrechen" der russischen Truppen - neben Kiew seien diese auch in den Regionen Tschernihiw im Norden und in Charkiw im Osten des Landes verübt worden. Unter den nahe Kiew getöteten Zivilisten war auch der ukrainische Fotograf und Dokumentarfilmer Maksim Levin.

Blinken: Russlands Brutalität gegen Ukraine hält an

US-Außenminister Antony Blinken zeigte sich entsetzt. "Man kann nicht anders, als diese Bilder als einen Schlag in die Magengrube zu sehen", sagte Blinken am Sonntag dem Sender CNN. Die US-Regierung sei bereits im vergangenen Monat zu dem Schluss gekommen sei, dass russische Truppen in der Ukraine Kriegsverbrechen begingen. "Das ist die Realität, die sich jeden Tag abspielt, solange Russlands Brutalität gegen die Ukraine anhält. Deshalb muss es ein Ende haben."

Entsetzt reagierten auch europäische Politiker. "Weitere EU-Sanktionen und Unterstützung sind auf dem Weg. Slava Ukrajini!", twitterte EU-Ratspräsident Michel. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich "schockiert". Alle Fälle müssten vor den Internationalen Gerichtshof gebracht werden. Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die Bilder "mit Hunderten feige ermordeter Zivilisten auf Straßen" als "unerträglich". "Die russischen Behörden müssen sich für diese Verbrechen verantworten."

Österreichs Außenministerium zeigte entsetzt

Das österreichische Außenministerium zeigte sich auf Twitter entsetzt. Es versprach zugleich eine Untersuchung aller begangenen Verbrechen durch die UNO-Untersuchungskommission. Die Verantwortlichen der Verbrechen würden dafür zur Rechenschaft gezogen. Es gab auch erste Reaktionen von Vertretern politischer Parteien. Sollten sich die Meldungen bewahrheiten, "müssten EU und die Weltgemeinschaft wesentlich deutlicher reagieren als bisher", schrieb etwa der Grüne Nationalratsabgeordnete Georg Bürstmayr auf Twitter. Der Wiener Landtagsabgeordnete Jörg Konrad (NEOS) bezeichnete die Bilder aus Butscha als "unerträglich". "Militärische Unterstützung und Sanktionen sind massiv auszuweiten", forderte er.

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