"Das wäre ja total absurd"

Nehammer weist Intervention bei Deripaska-Listung zurück

11.03.2022

Laut Medienberichten wurde russischer Oligarch von ursprünglicher Sanktionsliste gestrichen.

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© APA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER
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Versailles/Kiew/Moskau. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat Medienberichte, wonach Österreich Sanktionen gegen den russischen Oligarchen Oleg Deripaska vereitelt habe, scharf zurückgewiesen. "Dazu ein klares Nein", betonte Nehammer am Rande eines EU-Sondergipfels am Freitag in Versailles. Die EU-Kommission lege die Sanktionsliste fest, "und dann soll es eine österreichische Intervention für einen Oligarchen auf dieser Liste gegeben haben? ... Das wäre ja total absurd".

Österreich stehe auf Seite derer, die sagen, man müsse durch Sanktionen Frieden in der Ukraine erreichen. Auch EU-Staaten können Personen für Strafmaßnahmen der EU-Kommission vorschlagen. Ob Deripaska auf der Liste Österreichs gestanden sei, könne er nicht sagen: "Ich kenne unsere Sanktionsliste im Detail nicht, das ist nicht mein Aufgabenbereich."

Nehammer: "Dringender Appell an alle: Quellen prüfen"

Auch richtete Nehammer einen "dringenden Appell an alle: Quellen prüfen, es gibt überhaupt keine Veranlassung, uns so etwas überhaupt zu unterstellen". In Europa herrsche Krieg, "wir leben mit ganz viel Desinformation, es ist wichtig, dass wir uns mit echten Problemen auseinandersetzen", betonte der Bundeskanzler mit Verweis auf die Menschen in der Ukraine, der Wirtschaft, Demokratie und Freiheit.

Für Aufsehen sorgten Recherchen der ARD und der Wochenzeitung "Die Zeit", wonach der in Österreich stark vernetzte Oligarch Deripaska von ersten Entwürfen für Sanktionslisten gestrichen worden sei. "Es ist ein Rätsel, wie er von der Liste verschwunden ist", sagte ein ranghoher EU-Diplomat dem ARD-Magazin "Kontraste". SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch forderte Nehammer auf, das Stimmverhalten Österreichs offenzulegen.

Deripaska kontrolliert Fahrzeughersteller GAZ

Deripaska kontrolliert den Fahrzeughersteller GAZ, der auch Panzer für die in der Ukraine wütende russische Armee herstellt. Eine Sanktionierung des als Intimus von Kreml-Chef Wladimir Putin geltenden Oligarchen könnte aber auch für zwei österreichische Unternehmer heikel sein. Schließlich hält Deripaska eine Sperrminorität beim börsennotierten Baukonzern Strabag von Hans Peter Haselsteiner und ist auch potenter Geldgeber des Automanagers Siegfried Wolf.

Vor Nehammer hatte auch schon das Außenministerium in Wien die Vorwürfe zurückgewiesen. Man halte "unmissverständlich fest, dass die österreichischen Vertreter in den gesamten Beratungen in Brüssel die vom Hohen Vertreter (Borrell, Anm.) vorgeschlagenen Listungen in keinster Weise beeinsprucht oder Änderungen eingefordert haben, sondern diese vollumfänglich mitgetragen haben", hieß es in einem Tweet. "So werden wir das auch in Zukunft handhaben."

Konstruktive Enthaltung Österreichs

Zu den angekündigten zusätzlichen 500 Millionen Euro Militärhilfe der EU kündigte Nehammer eine konstruktive Enthaltung Österreichs an: "Wir verhindern es nicht als neutrale Staaten, aber wir stimmen nicht zu." Es gebe den großen Willen der NATO-Staaten, Defensivwaffen an die Ukraine zu liefern. Um Russland nicht zu provozieren, gebe es "ein permanentes Abwägen, wie weit man gehen soll, gerade auch in den Sanktionen".

Zur Frage, wie die EU im Gefolge des Krieges Investitionen finanzieren werde, fasste der Sondergipfel keine Beschlüsse. Man müsse abwägen, welche Methoden am besten geeignet seien, dies werde nun von der EU-Kommission mit der EZB und der Eurogruppe geprüft. Nehammer warnte vor einer Inflationsspirale. Die EU müsse "chirurgisch vorgehen, damit man nicht mit gut gemeintem eigentlich etwas schlechtes erreicht".

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