Zittern in München

Wahl-Beben in Bayern: CSU verliert Absolute

14.10.2018

Rechtspopulistische AfD zieht erstmals in Landesparlament ein - Historisches Tief für SPD - FDP muss um Einzug zittern

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Zeitenwende im Freistaat: Die einst allmächtige CSU musste im süddeutschen Bundesland Bayern mit dem schlechtestes Ergebnis seit 1950 Federn lassen und kann nicht länger alleine regieren. Auch die SDP wurde von den Wählern abgestraft und rangiert nur noch im einstelligen Bereich. Die Grünen triumphieren mit Platz zwei. Die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" zieht in den Landtag ein.

 



Die regierenden Christsozialen haben bei der Landtagswahl in Bayern schmerzhafte Verluste erlitten und ihre absolute Mehrheit eingebüßt. Sie bleiben stärkste Partei, brauchen aber einen Koalitionspartner. Zweiter großer Verlierer des Wahlsonntags sind die in der deutschen Bundesregierung in Berlin mitregierenden Sozialdemokraten (SPD). Die Grünen wurden zweitstärkste Partei, die Rechtspopulisten der AfD blieben unter ihrem Bundestagswahlergebnis vom vorigen Jahr.

 

Grüne klarer Wahlsieger

Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF vom Sonntagabend verlor die CSU von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in dem wirtschaftsstarken Freistaat mehr als zehn Prozentpunkte und landete bei 37,3 bis 37,4 Prozent (2013: 47,7 Prozent). In Umfragen vor der Wahl war die CSU zuletzt allerdings unter 35 Prozent gerutscht.

Zweitstärkste Kraft wurden die Grünen mit 17,8 bis 17,9 Prozent (2013: 8,6 Prozent). Die SPD stürzte von 20,6 auf 9,5 bis 9,6 Prozent ab. Die AfD, die zum ersten Mal bei einer Landtagswahl in Bayern antrat, holte 10,6 bis 10,7 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 waren es in Bayern 12,4 Prozent. Die konservativen Freien Wähler erreichten 11,6 bis 11,7 Prozent (2013: 9,0 Prozent).

Die Liberalen (FDP), die vor fünf Jahren klar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert waren, mussten mit 5,0 Prozent um den Wiedereinzug ins Landesparlament bangen. Die Linke hatte mit 2,9 bis 3,2 keine Chancen auf einen erstmaligen Einzug in die bayerische Volksvertretung.

Sitzzahl-Berechnung kompliziert

Die Berechnung der Sitzzahl ist wegen des bayerischen Wahlrechts kompliziert, die endgültige Größe des Parlaments steht noch nicht fest. Nach Berechnungen der Fernsehsender vom Abend käme die CSU auf 83 von 200 Sitzen, die Grünen auf 38. Auf die Freien Wähler entfielen 25 Mandate, auf die AfD 23, die SPD 20 und die FDP 11. Danach hätte eine "bürgerliche" Koalition aus CSU und Freien Wählern eine bequeme Mehrheit.

Söder: "Kein einfacher Tag"

"Natürlich ist das heute kein einfacher Tag für die CSU", sagte Söder in einer ersten Reaktion. Die Partei werde aus dem Ergebnis auch Lehren ziehen müssen. "Aber eines steht fest: Die CSU ist nicht nur stärkste Partei geworden, sie hat auch den klaren Regierungsauftrag", fügte er hinzu.

AfD-Chef Alexander Gauland zeigte sich zufrieden mit dem Wahlergebnis. Mit den Freien Wählern gebe es aber in Bayern eine starke konservative Konkurrenz, sagte er. Grünen-Chef Robert Habeck nannte das Ergebnis historisch für die Grünen und auch für Bayern. "Das ist die Stärke der Menschen in Bayern", sagte er.

CSU verliert gewohnte Absolute

Die CSU ist die Schwesterpartei der CDU von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und tritt nur in Bayern an. CDU, CSU und SPD regieren Deutschland gemeinsam in einer Großen Koalition. Diese hätte derzeit nach jüngsten Umfragen deutschlandweit keine Mehrheit mehr.

Die CSU stellt in Bayern seit 1957 den Ministerpräsidenten und hat im vergangenen halben Jahrhundert die meiste Zeit mit absoluter Mehrheit regiert. Dieses Mal konnte die Regierungspartei aber nicht von der guten Wirtschaftslage in dem reichen Bundesland profitieren. Die Flüchtlingskrise 2015 hatte die Unionsparteien Zustimmung gekostet und die AfD gestärkt. Auch der Machtkampf zwischen Söder und CSU-Chef Horst Seehofer setzte der Partei zu.

Söder erst seit März Ministerpräsident

Söder hatte das Amt des Regierungschefs erst im März von Seehofer übernommen, der wegen des schlechten Abschneidens der CSU bei der Bundestagswahl seinen Posten hatte räumen müssen. Seehofer wurde Innenminister im Kabinett Merkel, blieb aber Parteichef. Mit einer Anti-Flüchtlings-Rhetorik konnten Söder und Seehofer die AfD nicht entscheidend schwächen, verprellten aber Wähler der Mitte.

In Bayern lebt knapp ein Sechstel der deutschen Bevölkerung. Die Einwohnerzahl ist vor allem durch Zuwanderung aus anderen deutschen Bundesländern in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen und liegt jetzt bei 13 Millionen. Damit steht Bayern an zweiter Stelle hinter Nordrhein-Westfalen, flächenmäßig ist es das größte deutsche Bundesland. Es hat deutschlandweit die niedrigste Arbeitslosenquote (2,8 Prozent im September). Wegen seiner Wirtschaftsstärke ist Bayern auch das mit Abstand größte Geberland im System des Finanzausgleichs der deutschen Bundesländer.

Polit-Experte: "Ergebnis ist ein weiterer Tiefschlag für Merkel"

Politik-Experte Thomas Hofer analysiert auf oe24.TV die Bayern-Wahl.

oe24.TV: Woran liegt es, dass die CSU so dramatisch verloren hat?

Thomas Hofer: Erste Umfragen sehen Horst Seehofer als den Hauptschuldigen, auf Platz 2 folgt Merkel, dann erst Markus Söder. Der Streit im Sommer hat die CSU zertrümmert. Und das rechte Lager ist in Bayern sehr zersplittert.

oe24.TV: Wird Seehofer jetzt gehen müssen?

Hofer: Es wird notwendig sein, ein Zeichen zu setzen. Ich gehe von einer personellen Änderung aus, das Naheliegendste ist Seehofer. Er hat, seit er in der Regierung ist, fast alles falsch gemacht, sich mehr als einmal selbst überdribbelt.

oe24.TV: Was bedeutet das Bayern-Ergebnis für Merkel?

Hofer: Für Merkel ist es ein weiterer Tiefschlag. Natürlich haben ihre Gegner in der Schwesterpartei einen Dämpfer erlitten, aber auch für sie ist es ein Dämpfer. ­Ihre Zustimmungswerte liegen nur noch im 40-%-Bereich, das hat fast Trump-Qualität. Sie hätte 2015 als strahlende Kanzlerin gehen können, diesen guten Abgang hat sie versäumt.

oe24.TV: Die Grünen haben extrem gewonnen …

Hofer: Ja, sie waren noch nie zweistellig in Bayern. Das ist sensationell. Eine Koalition mit der CSU wird es aber wohl nicht geben.

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