Japan

Debatte um weibliche Thronfolge auf Eis

06.09.2006

Erstmals seit mehr als 40 Jahren ist wieder ein Prinz in die älteste Monarchie der Welt geboren worden. Die männliche Thronfolge ist nun auf drei Generationen gesichert - und die Debatte über die weiblichen Thronfolge auf Eis gelegt.

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© Reuters
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"Der 6. September wird ein Tag sein, dessen man gedenken wird", freute sich ein Passant vor laufender Kamera. Die Freude vieler Japaner ist groß, und doch wird der Jubel im Inselreich nicht unbedingt von jedem geteilt.

Noch vor wenigen Monaten hatte es ganz so ausgesehen, als wenn die kleine Prinzessin Aiko (4), die einzige Tochter von Kronprinzessin Masako, Aussichten haben würde, eines Tages den Thron zu besteigen. Denn die Pläne für eine Änderung des Hofgesetzes und der Einführung einer weiblichen Thronfolge waren schon recht weit gediehen. Jahrelang war Aikos Mutter, Kronprinzessin Masako, unter einem unerträglichen Druck gestanden, ihren kaiserlichen Gebärpflichten nachzukommen und neben ihrer Tochter noch einen Sohn zu bekommen.
Der Druck sowie die Probleme, sich an das von strengen Regeln geprägte Leben am Hof anzupassen, machten die einst vitale Ex-Diplomatin seelisch krank. Mit dem Schwinden der Aussicht auf eine weitere Schwangerschaft drängte zugleich die Zeit, denn wenn Tochter Aiko Kaiserin werden solle, musste langsam mit der entsprechenden Erziehung begonnen werden. Überdies zeigten Umfragen, dass auch die Mehrheit des Volkes eine weibliche Thronfolge begrüßen würde.

Aufwertung durch männlichen Nachkommen
Doch genau zu dem Zeitpunkt, als die Regierung sich gerade anschickte, eine Gesetzesvorlage zur Einführung der weiblichen Thronfolge auf den Weg zu bringen, erreichte Japan die überraschende Nachricht von Kikos dritter Schwangerschaft. Manche wollen nicht an einen Zufall glauben. Möglicherweise habe Prinz Akishino seinem älteren Bruder Kronprinz Naruhito einen Schlag versetzen wollen. Es gibt Spekulationen, Akishino wolle verhindern, dass Naruhito und seine Frau Masako das Kaiserhaus reformieren. Durch die Geburt seines Sohns wird Akishino laut Beobachtern in jedem Fall aufgewertet.

Gesetzesänderung unausweichlich
Konservative Gegner einer weiblichen Thronfolge haben nun erst einmal Zeit gewonnen. Doch Experten verweisen darauf, dass auch mit der Geburt des Prinzen langfristig eine Änderung des Hofgesetzes unausweichlich wird. Ohne die früher üblichen Konkubinen sei es schwierig, die männliche Thronfolge zu sichern. Andere verweisen auf die in der Verfassung verankerte Forderung nach Gleichberechtigung von Frau und Mann. Der konservative Regierungssprecher Shinzo Abe, der aller Voraussicht nach in diesem Monat zum neuen Ministerpräsidenten gewählt wird, will die Nachkriegsverfassung durch eine neue ersetzen.
Spätestens beim Gleichheitsgrundsatz gäbe es " eine gute Gelegenheit, die Gleichberechtigung von Mann und Frau auch im Hofgesetz durch die Ermöglichung der weiblichen Thronfolge durchzusetzen ", sagte der Japan-Experte Gebhard Hielscher. Die Zukunft muss zeigen, ob Masakos Tochter Aiko doch eines Tages Kaiserin wird. Oder ob sie frei von solchen Sorgen und Belastungen aufwachsen kann - was ihre Mutter vielleicht sogar begrüßen würde.

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