Österreich dagegen

Ackergift Glyphosat - Neuzulassung lässt die Wogen erneut hochgehen

11.10.2023

Am Freitag wird eine weitere Entscheidung rund um den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat erwartet. Ein EU-Ausschuss könnte die Zulassung des Ackergifts für 10 Jahre verlängern. Österreich ist dagegen. 

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Wirbel um das laut Weltgesundheitsorganisation womöglich krebserregende Ackergift Glyphosat. Schon diesen Freitag wird eine Entscheidung um den umstrittenen Unkrautvernichter erwartet. Der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) der EU wird hier über den Kommissionsvorschlag einer zehnjährigen Verlängerung der Zulassung für Glyphosat abstimmen. Ob es dabei eine klare Mehrheit geben wird, ist fraglich. Österreich wird jedenfalls gegen eine weitere Zulassung stimmen.

Totschnig muss wegen Parlaments-Beschluss dagegen stimmen

Dass ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig gegen die Neuzulassung stimmt, hat er sich nicht ausgesucht. Grund dafür ist vielmehr ein Beschluss, der im Oktober 2017 im EU-Unterausschuss des Parlaments von Grünen, SPÖ und FPÖ getroffen wurde. Dieser band die jeweiligen Landwirtschaftsminister auch über die damalige Legislaturperiode hinaus, auf EU-Ebene gegen die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat zu stimmen.

Glyphosat ist noch bis 15. Dezember EU-weit zugelassen. Die EU-Kommission empfahl die weitere Zulassung bereits. Laut dem veröffentlichten Vorschlag soll das Mittel für weitere zehn Jahre in der EU zum Einsatz kommen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sah eine Wiederzulassung in ihrer letzten Bewertung unkritisch, wie zuvor schon die Europäische Chemikalienbehörde ECHA.

Am Ende könnte doch die EU-Kommission alleine für die Verlängerung stimmen

Bei dem Ausschuss am Freitag reicht zwar eine qualifizierte Mehrheit (d.h. die Länder müssen zumindest 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren), doch das diese auch erreicht wird, war im Vorfeld fraglich, da einige Länder ihr Abstimmungsverhalten noch nicht kommuniziert hatten. Da auch Stimmenthaltungen möglich sind, wäre es denkbar, dass weder eine qualifizierte Mehrheit für noch gegen die Zulassung erreicht wird. In diesem Fall würde es erst zu einem Berufungsverfahren kommen, dann würde aber die EU-Kommission über eine weitere Zulassung entscheiden.

Bei einer neuerlichen Zulassung kann Österreich im Alleingang den Einsatz von Glyphosat nicht aussetzen. Allerdings wurde im Jahr 2021 ein Teilverbot im Nationalrat beschlossen. Seitdem darf Glyphosat an sensiblen Orten wie Kinderspielplätzen, Parks sowie Einrichtungen der Altenbetreuung oder Gesundheitseinrichtungen nicht mehr eingesetzt werden. Ebenso sind Haus- und Kleingartenbereich und private Verwendung betroffen. In der Landwirtschaft, in der es bei weitem am meisten zum Einsatz kommt, blieb es aber weiter erlaubt.

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Von Monsanto erfunden, von Bayer weitergeführt

Glyphosat zählt zu den weltweit am meisten eingesetzten Wirkstoffen in Herbiziden und wurde vom US-Konzern Monsanto in seinem Unkrautvernichter Round-up vor fast 50 Jahren auf den Markt gebracht. Nachdem Monsanto vom deutschen Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer übernommen wurde, holte sich man so auch eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat ins Haus. Behörden weltweit, darunter die US-Umweltbehörde EPA und die Europäische Chemikalienagentur, haben das Herbizid als nicht krebserregend eingestuft - einer Ansicht, der viele Umwelt-NGOs widersprechen.

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Wissenschafter mit lauter Kritik an Glyphosat

Die mögliche Erneuerung der Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat in der EU stößt bei einer Reihe von Wissenschaftern auf Kritik. Der EU-Vorschlag sei inakzeptabel, war eine häufiger vertretene Meinung, jedoch gab es auch konträre Haltungen. Christoph Schäfers vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie, sieht etwa keine Substanz, die bei vergleichbarer Wirkung weniger unerwünschte Nebenwirkungen hat.

Vernichtung der Biodiversität. Johann Zaller von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) sieht das EU-Papier jedoch sehr kritisch. "Im Grunde genommen ist der Vorschlag eine Verhöhnung der ökologischen Wissenschaften", der Vorschlag der EU-Kommission offenbare ein systematisches Leugnen des dramatischen Rückgangs der Biodiversität und der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Glyphosat dazu beiträgt. "Auswirkungen auf Bodenorganismen und Bodengesundheit werden im Vorschlag nicht einmal erwähnt, obwohl evident ist, dass die Böden in ganz Europa mit Glyphosat kontaminiert sind."

Gefahr bleibt bestehen, warnt Ökotoxikologin. Zwar sieht die EU-Kommission Einschränkungen und Bedingungen vor - zum Beispiel Höchstwerte für toxikologisch relevante Verunreinigungen im Glyphosat, nicht besprühte Pufferstreifen am Feldrand und einen besseren Schutz von Land- und Wasserpflanzen vor sogenannter Sprühdrift bei der Ausbringung. Diese seien aber nicht ausreichend, um den Wirkstoff gefahrlos in die Umwelt zu entlassen beziehungsweise die zunehmende Akkumulation in Mensch und Umwelt zu begrenzen, erklärte die Tübinger Ökotoxikologin Triebskorn gemeinsam mit ihrem Institutskollegen Heinz-Rüdiger Köhler. 

 

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