Folgt Paris London?

Das steckt hinter Macrons diplomatischer Palästina-Initiative

21.09.2025

Bei einem Gipfel während der UNO-Generaldebatte in New York zum Nahost-Konflikt wollen am Montag Frankreich und andere Länder offiziell einen palästinensischen Staat anerkennen. Macron geht es auch um Innenpolitik.

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Großbritannien und Portugal wollten bereits am Sonntag ihre Anerkennung eines eigenen Staats der Palästinenser verkünden. Eine maßgebliche Rolle bei diesen Verkündungen spielt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Er hatte dafür geworben, dass Frankreich seine Anerkennung eines Palästinenserstaats zusammen mit anderen Ländern vollzieht. Dafür hat Macron eine ganze Reihe von Beweggründen:

Festhalten an der Zweistaatenlösung

Frankreich hält - wie Österreich und viele andere Staaten - daran fest, dass eine Lösung für den Nahen Osten in der friedlichen Koexistenz eines israelischen und eines palästinensischen Staates liegt. Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs infolge des brutalen Überfalls der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 scheint diese Zweistaatenlösung allerdings immer mehr in weite Ferne zu rücken, zuletzt schien sie teils gar nicht mehr realistisch.

  • Die Zerstörungen und der Hunger im Gazastreifen,
  • der Tod Zehntausender Palästinenser,
  • die Bodenoffensive in der Stadt Gaza,
  • aber auch die jüngsten israelischen Siedlungsprojekte im Westjordanland, die zu einer Teilung des Palästinensergebiets führen könnten, lassen die Hoffnungen schwinden.

Die Anerkennung eines palästinensischen Staates war für Macron zunächst ein diplomatisches Druckmittel gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu. Im vergangenen Februar sprach Macron erstmals davon, dass die Frage der Anerkennung "kein Tabu" sei. Nach Aussagen aus seinem Umfeld trug sein Besuch an der Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen im April dieses Jahres zu seiner Entscheidung bei, diesen Weg zu verfolgen.

Zunächst stellte er Bedingungen dafür auf - etwa die Anerkennung Israels durch Saudi-Arabien, die Freilassung der Geiseln oder die Entwaffnung der Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen. Diese ließ er später wieder fallen, bemühte sich aber, andere Staaten mit ins Boot zu holen, damit es keine isolierte Aktion Frankreichs würde. Nun werden Länder wie Kanada, Luxemburg oder Belgien einen Palästinenserstaat ebenfalls anerkennen. Dass Macron damit auf Distanz zum Partnerland Deutschland geht, das sich historisch Israel verpflichtet fühlt und daher die Anerkennung eines Palästinenserstaates derzeit nicht mitgeht, nimmt der Präsident dabei in Kauf.

In einem Interview mit einem israelischen Sender warf Macron kürzlich der israelischen Regierung vor, die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung zerstören zu wollen. "Es ist die letzte Möglichkeit, dafür einzutreten", sagte der Präsident.

Frankreichs Rolle im Nahen Osten

Vor dem Hintergrund einer massiven innenpolitischen Krise hatte Macron sich in den vergangenen Monaten verstärkt der internationalen Politik zugewandt, neben der Ukraine auch dem Nahen Osten. Grundsätzlich sieht Frankreich sich als ein wichtiger Akteur im Nahen Osten und möchte eine Rolle als Vermittler einnehmen.

Im Fall einer Waffenruhe im Gazakrieg will Frankreich gemeinsam mit Saudi-Arabien Vorschläge für eine dauerhafte Friedenslösung vorlegen. Dazu zählen etwa die Entwaffnung der Hamas, ein Plan für palästinensische Wahlen, eine Expertenregierung und eine UNO-Stabilisierungsmission.

Macron sieht in der Anerkennung eines palästinensischen Staates in seinem vorletzten Amtsjahr möglicherweise auch eine Art diplomatisches Vermächtnis - ähnlich wie das Nein seines Amtsvorgängers Jacques Chirac gegen den US-Einsatz im Irak.

Innenpolitische Erwägungen von Macron

Frankreich hat schon deswegen eine besondere Beziehung zum Nahen Osten, weil sowohl die größte jüdische als auch die größte muslimische Gemeinschaft Europas in dem Land lebt. Innenminister Bruno Retailleau warnt regelmäßig davor, dass Frankreich Gefahr laufe, "einen internationalen Konflikt zu importieren".

Zu Beginn seines Mandats hat sich Macron bemüht, ein gutes Verhältnis zur jüdischen Gemeinschaft aufzubauen - etwa durch einen Synagogenbesuch zum jüdischen Neujahrstag oder einen Gedenktag für den zu Unrecht verurteilten jüdischen Offizier Alfred Dreyfus. Inzwischen sind viele jüdische Franzosen von Macrons Haltung enttäuscht. Insbesondere die Anerkennung eines palästinensischen Staates stößt auf heftige Ablehnung.

Bei der Wählerschaft mit nordafrikanischen Wurzeln hingegen kommt es gut an, wenn Macron auf die Anerkennung des palästinensischen Staates drängt und dafür eine heftige Krise mit Netanyahu in Kauf nimmt. Zuletzt wurde Macron von der israelischen Regierung sogar ein Besuch in dem Land untersagt. Zudem kommt Macron mit seiner Haltung derzeit der Linken entgegen, die sich in weiten Teilen auf die Seite der Palästinenser stellt.

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